Seit über 260 Jahren: Kirchenchor Mürlenbach

Hildegard und Ernst Becker, Mürlenbach

In den kleineren Dorfpfarreien wurden Jahrhunderte lang die Messen ohne Mitwirkung eines Chores und ohne instrumentale Begleitung gehalten. Tragende Säulen des Gesanges bei den Gottesdiensten waren der Pfarrer und der Lehrer, welcher gleichzeitig Küster war. Die früheste Nennung eines Küsters findet sich im Jahre 1665, als Gerardi Schottles als „Koster" genannt wird. Auch für 1726 ist ein Küster schriftlich belegt. Dass bereits eine Chorgemeinschaft bestand, welche dieser Küster geleitet hätte, kann vermutet werden, denn etwa ab Beginn des 18. Jahrhunderts gestalteten Laienchöre den Gesang in der Kirche mit. Zunächst waren die Chöre ausschließlich mit Männerstimmen besetzt. Der Küster-Lehrer leitete den Chor.

Die ältesten Zeugnisse der Existenz von kirchlichen Chören erhalten wir meist aus Zahlungsbelegen über die so genannte Recreation für die Sänger und Sängerinnen, die es üblicherweise am Dreikönigstag gab. Die Recreation war eine Geldzahlung aus der Kirchenkasse an die Chormitglieder - für ein „gemütliches Beisammensein" - als Anerkennung ihres Dienstes im abgelaufenen Jahr. In der Rechnungslegung der Pfarrkirche St. Luzia für 1752 ist eine Ausgabe vermerkt, die als älteste Quelle den Bestand eines hiesigen Chores schriftlich belegt: „Ausgab geldt: Den Chursängeren 2 fl (florin = Gulden) 6 alb (Albus)". In weiteren Rechnungsbüchern finden sich immer wieder Ausgaben für den Kirchenchor, beispielsweise für 1791-92: „den Chorsängern das Jahr hindurch = 1 Rtr (Reichstaler)".

Unter dem 6. Dezember 1819 ist vermerkt: „Frk 9, 43 Ct - Neun Franken Drey und vierzig Zentim - für an die Chorsänger gegebene Getränke zu ihrer jährlichen Recreation sind dem Unterschriebenen von dem Fabrick Einnehmer Brück baar und richtig auszahlt worden, worüber Quittung." Bereits sehr früh, nämlich im Jahre 1820, sind in Mürlenbach auch Chorsängerinnen nachgewiesen, durch einen Beleg über den Erhalt der Recreation: „Quittung über 150 Stüber für 8 Maßen neuen Wein für die Chorsänger und Sängerinnen von hier." Die Zahlungs-Anweisung vom 4. März 1823 lautet: „Der Kirchen-Einnehmer Herr Wellenstein wird hiermit angewiesen, die Summe von zwey Thalern für Recreation der Chor Sänger für 1821, 1822 gegen Quittung auszuzahlen. Der Präsident des KirchenRathes - Theodor Romag."

Die Ausgaben für den Kirchenchor erfolgten innerhalb weniger Jahrzehnte in den unterschiedlichsten Währungen, wie vorstehende Beispiele zeigen. Sie spiegeln die großen politischen Umwälzungen von der Feudalzeit über die französische Besatzung bis hin zur Eingliederung in den preußischen Staat. Interessant ist, dass 1819 noch immer in der von den Franzosen eingeführten Währung (Franken und Centimes) gezahlt wird und dass 1820 wieder die alte Münze „Stüber" erscheint. 1823 wird dann in der preußischen Währung mit Reichstaler, Silbergroschen und Pfennig gerechnet.

Die Chormitglieder waren keine reinen Engel, wie sich aus einem Protokoll des Sendgerichtes von 1780 ergibt. Das Sendgericht musste sich damit beschäftigten, wie Johannes Girrets „aus besonderer höchst ärgerlicher Bosheit" die Chorsänger mit Branntwein dahin gebracht hatte, am Sonntag vor Dreikönigstag dem Hochamt fernzubleiben. Der Pastor hatte außer dem Küster keinen einzigen Vorsänger in der Messe. Wegen diesem und anderen Vergehen wurde Girrets zu zwei Pfund Wachs an die Kirche bestraft und musste zudem die angefallenen 24 Albus Botenlohn zahlen. Im Bericht über die Visitation des Bischofs Josef von Hommer, der die Pfarrei am 27. Juli

1827 besuchte, ist der Chor erwähnt. Den Gesang zu den sonntäglichen Frühmessen und Hochämtern gestaltete der Chor allein - teils in deutscher, teils in lateinischer Sprache. An hohen Festtagen erklang lateinischer Choral. Die Totenmessen wurden in lateinischer Sprache gesungen. Werktags beteten die Gläubigen den Rosenkranz. Der Kirchenchor hatte seinen Platz auf der Empore, dem „Ducksaal". Bereits in der alten Kirche befand sich eine Empore, wie eine Ausgabe vom 23. November 1821 belegt (an den Kniebänken auf dem Ducksaal führte der Tischler Peter Trappen Reparaturen aus). 1842 erhielt ein Handwerker für Arbeiten „am Gehölz der Empore" sowie das Annageln der Dielen 13 Sgr/Tag. Für das „Wickeln, Plästern und Weißen" berechnete ein Meister 10 Sgr/Tag und sein Gehilfe bekam 7,5 Sgr. Die Stühle wurden „gemacht" für 16 Rtr 25 Sgr. Für die Emporbühne wurden „400 ganze Binnägel" (Bönnägel) verbraucht Der Nagelschmied hatte sie Stück für Stück in Handarbeit hergestellt - für 24 Sgr. 1871 und 1890 wird Lehrer Wagner als Chorführer genannt.

„15 M für die Leitung des Kirchenchores für das Jahr 1910 erhalten:" wird am 6. Januar 1911 von Lehrer Faber als Chorleiter quittiert. Den gleichen Betrag bekam er zusätzlich als „Sängerhonorar".

Leider undatiert ist die Quittung über die Anschaffung des Kirchenharmoniums über 600 RM (Reichsmark) von Firma Josef Buhr aus Hermeskeil. Wahrscheinlich wurde es von Pastor Buhr im Jahre 1925 im Zuge der Kirchenerweiterung besorgt.

Ausgabe-Quittungen belegen die Leitung des Kirchenchores durch Lehrer Merges, der für die Jahre 1924 bis 1930 am 24. März 1930 eine Zahlung von 100 RM erhielt. Für 1929/30 und 1930/31 erhielt er ein Sängerhonorar von 60 RM (30 RM jährlich). Und für „Hamoniumspielen und Chorleitung 1930/31" außerdem 100

RM.

Im September 1933 hat Pfarrer Jacob die Küster- und Organistenstelle („Orgelspiel und Chorleitung") ausgeschrieben, da Lehrer Merges sich (unter gehörigem Druck durch die Nazis) gezwungen sah, als „Doppelverdiener" diese Nebentätigkeit „im Sinne des Führers"

niederzulegen. Der günstigste von zwei Bewerbern war Paul Krämer, dem die Stelle dann übertragen wurde. Dessen Nachfolger wurde am 1. April 1939 Johann Schlösser. Jahre hindurch wurde im Winter nicht in der Kirche, sondern im Saale Hammel geprobt, wie Rechnungen ausweisen: Für 37 Kirchenchorproben wurden 18,50 Mark Saalmiete am 20. April 1937 an Heinrich Hammel gezahlt. Der Zweite Weltkrieg brachte das Chorleben weitgehend zum Erliegen. Wieder ist es ein Rechnungsbeleg, der ein Lebenszeichen des Chores aus der Nachkriegszeit vermittelt: Am 30. April 1947 zahlte die Kirchenkasse an Saalmiete für „Gestellung von Licht und Brand für Kirchenchorproben, wöchentlich zweimal in der Zeit von Anfang November 1946 bis Ende März 1947, zusammen 60 Mark." Als Pastor Zick Anfang 1948 die Pfarrei übernahm, bestand der Kirchenchor aus einer Gruppe, die sich nur gelegentlich, auf Absprache, zum Beispiel vor hohen Feiertagen, zu Proben traf. Zu besonderen Anlässen sang damals auch der weltliche „Theater- und Gesangverein Gemütlichkeit" in der Kirche. Ansonsten wurden die Gottesdienste das Jahr über lediglich von Gemeindemitgliedern, die sich auf der Empore einfanden, gesanglich mitgestaltet. Der Pastor sprach im Rahmen seines Schulunterrichtes die Kinder mit den besten Stimmen an und warb mit Erfolg für eine Verstärkung des Gesangs in der Kirche. Heinrich Hammel wird am 14. April 1951 als Chorführer genannt. Er wünschte seine Entbindung vom Amte. Pfarrer Johannes Zick bat ihn, noch zu dem Treffen des Eifelvereins am Christi-Himmelfahrtstag „im Interesse unseres Dorfes mit dem Chor die gekonnten weltlichen Lieder" zu singen. Es folgten Jahre ohne größere Aktivitäten des Chores außerhalb der Erfüllung seines geistlichen Auftrages in den Gottesdiensten.

Am 14. Dezember 1958 konnte die Pfarrei zum ersten Mal eine Orgelweihe feiern. Die neue Orgel lieferte Firma Eduard Sebald, Orgelbau in Trier, zum Preis von 18.400 DM. Sie war und ist eine Bereicherung für die Gottesdienste, und ihre Klänge vereinen sich mit Gemeindegesang und Chor. Die Chorgruppe sang am 4. Februar 1973 anlässlich einer Goldenen Hochzeit.

Die „Schola", eine reine Frauengruppe, dirigiert von Pastor Zick, im Jahre 1982 bei ihrem Auftritt in Lissingen zum 95-jährigen Bestehen des dortigen Kirchenchores.

An diesem Tag wurde beschlossen, sich regelmäßig zu Proben zu treffen und eine feste Gesangsgruppe mit der Aufgabe des Kirchengesangs zu bilden. Pfarrer Johannes Zick leitete den daraus gebildeten Chor. Nach seinem Tode im Jahre 1985 übernahm die Organistin Marianne Hontheim auch die Chorleitung. Der Kirchenchor hatte neben dem Kirchengesang ein abwechslungsreiches Programm mit Auftritten bei Burgfesten des Musikvereins „Bertrada", Seniorentagen der Gemeinde sowie weiteren weltlichen und kirchlichen Anlässen im Ort und außerhalb. An Dekanatssingen des Dekanates Gerolstein nahm der Chor stets teil. 1982 war der Kirchenchor Ausrichter des Cä-cilienfestes. Die Kirchenchöre des Dekanates Gerolstein, aus Birresborn, Densborn, Kopp, Duppach, Gerolstein, Lissingen, Mürlenbach und Roth, bewiesen ihr Können in der Pfarrkirche.

Die Gemeinschaft nannte sich ab Oktober 1987 „Kirchenchor St. Luzia Mürlenbach". Es war ein reiner Frauenchor, mit 18 Mitgliedern,

die zur Ehre Gotte sangen. Die Mitglieder der Kirchenchöre St. Matthias Kopp und St. Luzia Mürlenbach trafen sich ab Mai 1998 zum gemeinsamen Üben. Auf Initiative von Pastor Gerhard Schwan konstituierte sich aus diesen beiden Chören am 20. November des gleichen Jahres die neue „Chorgemeinschaft St. Luzia Mürlenbach-Kopp". An Weihnachten gestaltete diese zum ersten Mal das Hochamt mit. Unterstützung erhielten sie in der Anfangsphase von Josef Berens aus Rommersheim, der den Chor bis zur Übernahme des Dirigentenstabes durch Christoph Hacken am 1. Februar 1999 leitete. Unter dessen Stabführung hatte die Chorgemeinschaft, einschließlich Präses und Chorleiter, 30 Mitglieder, davon 17 Frauen und 13 Männer, im Alter zwischen 18 und 75 Jahren (Stand: Anfang 2005). Er leitete den Chor bis zum 31. März 2011. Es folgte eine Zeit ohne regelmäßige Aktivitäten. Nach dieser etwas schwierigen Phase konstituierte sich der Krchenchor am 10. Dezember 2012 neu als ein Projektchor, unter Vorsitz von Ingrid Becker und dirigiert von

Heike Koch. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass die jahrhundertealte kulturelle Tradition des kirchlichen Chorgesanges - trotz des Wandels der Gesellschaft - hier und anderswo eine gute Zukunft hat.

Das Foto zeigt Elisabeth Reuland (79), die am 1. Advent 2000für 60 Jahre im Dienst des Kirchengesangs geehrt wurde. Der Präses des Chores, Pastor Gerhard Schwan, überreichte die Urkunde des Allgemeinen Cäcilienverbandes des Bistums Trier und bedankte sich im Namen der Pfarrgemeinde. Die 1. Vorsitzende Hildegard Becker dankte Frau Reuland für 60 Jahre treue Mitwirkung im Kirchenchor und hob die vorbildliche Zuverlässigkeit der Jubilarin hervor.