„Hallo - ich bin der Landkreis Vulkaneifel!"

Mein stiller Geburtstag

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Verehrte Leserin, lieber Leser, darf ich mich Ihnen kurz vorstellen?! Landkreis Vulkaneifel, so lautet heute mein Name. Aber von Beginn an hieß ich anders. Wie das gekommen ist? Also, das war so:

Mein vorgeburtliches Dasein

... Als eine Einheit geschaffen und mit dem Namen ,Kreis Daun' versehen, wurde ich 1815! Nein, so aus dem ,mir nichts, dir nichts' entstand ich nicht. Mich gab es schon in Teilen seit weit mehr als einem Jahrtausend. Ausgehend von einem mittelalterlichen großen und einflussreichen Amt Daun, dessen Besitzer und Herren das Burggebäude auf dem steilen Vulkanfelsen in dem Orte „Dune" bewohnten, verlor ich aus verschiedensten Gründen, hauptsächlich aber wegen immer größer werdenden Schulden, meine Eigenständigkeit und Autonomie. Etliche Generationen später war mein Amt mit meiner namensgebenden Stadt Daun im Besitz und im ausübenden Einfluss des Kurfürstentums Trier. Dieser Zustand endete 1794, als französische Revolutionstruppen die Gebiete links des Rheines gewaltsam annektierten. Da wurde ich geographisch und politisch umgestaltet. Nun gab man mir, besser gesagt dem größten Teil des heutigen Kreisgebietes, angesichts meiner mittelalterlichen Bedeutung und Größe den Namen ,Kanton (= Kreis) Daun im Arrondisse-ment Prüm (vgl. Bezirk) im Departement (vgl. Land) Saar'.

Auch wenn Daun 1798 Kantonsort und Sitz eines Friedensgerichtes wurde, waren meine Bewohner mit der neuen blau-weiß-roten Regierung völlig unzufrieden, denn ich gehörte mit ihnen nunmehr zu dem ungeliebten Frankreich. Dieser Unmut war überall deutlich

Karte des Amtes Daun 1683

zu registrieren. Ich erinnere nur an die aktiven und passiven Widerstände meiner katholischen Einwohner gegen die Unterdrückung ihrer Religion, gegen die Säkularisierung von Burgen, Klöstern und Kirchen, einhergehend mit einer riesigen Verschleuderung von Kulturgütern und Vermögenswerten, wie zum Beispiel die Klosteranlagen in Niederehe und Hillesheim, die Burgen in Mürlenbach, Haus Dreimühlen, Kasselburg, Kerpen, Neublankenheim, Oberehe und Lissingen. Ich erwähne nur die finanziellen Abgaben und Repressionen der französischen Besatzung, die tragischen Tode vieler junger Männer aus meinem Kanton, die in der Armee Napoleons dienen und in den Krieg nach Russland ziehen mussten und nicht zuletzt an die vielen

Erster Landrat des Kreises Daun, Johann Ernst Avenarius (1817-1839)

Verhaftungen und Zwangsausweisungen von Bürgerinnen und Bürgern in andere Staaten und Länder.

Auch wenn in dieser Franzosenzeit sehr viele Ungerechtigkeiten aus der einstigen feudalen Zeit abgeschafft, eine Zoll- und Handelsordnung geschaffen, das Schul- und Gerichtswesen neu geordnet und eine bessere Gesetzgebung, der Code civil, verordnet wurde, so hat es Kaiser Napoleon mit seinen Kriegen, der Unterwerfung weiter Teile Europas und seiner diktatorischen Herrschaft gewaltig übertrieben. Die Quittung erhielt er im Oktober 1813. Bei Leipzig. Dort stellten sich ihm und seinen Truppen am 16. Oktober die Armeen Österreichs, Preußens, Russlands und Schwedens entgegen, und am Morgen des 19. Oktobers war die sogenannte „Völkerschlacht" entschieden. Napoleon war vernichtend besiegt. Fluchtartig zog sich der französische Kaiser mit einem Teil seiner Armee nach Westen über

den Rhein zurück, verfolgt von den alliierten Truppen. Die französische Herrschaft in Deutschland und meinem Kanton Daun war beendet. Auch wenn sich Napoleon nochmals verzweifelt wehrte und durch einen weiteren Feldzug sein Schicksal wenden wollte, die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 setzte seiner politischen Karriere endgültig ein Ende.

Meine Entstehung

Napoleons Ende war mein Lebensbeginn. Nach dessen Niederlage hoffte das deutsche Volk, dass nun endlich ein einiges Deutschland geschaffen würde. Dafür waren die Männer in den Krieg gezogen. Für dieses hohe Ziel waren viele von ihnen gefallen. Der Wunsch des Volkes war aber nicht die Wiederherstellung der alten Fürstentümer und der feudalen undemokratischen Ordnung. Nein, es wollte einen gemeinsamen Staat, verlangte Freiheit von der Willkür der Fürsten und eine Verfassung, in der die Rechte des Bürgers festgelegt werden sollten. Doch es kam anders: Der österreichische Kanzler, Fürst von Metternich, lud die Könige und Fürsten Europas zu einem Kongress in Wien ein, um gemeinsam eine Neuordnung des Kontinents zu beschließen. Die Verhandlungen zogen sich hin. Kaiser, Könige, Fürsten und Herrscher feilschten und handelten um Länder und Menschen wie auf einem Markt. Und das Ergebnis? Frankreich blieb in den Grenzen von 1789 bestehen. Russland behielt Finnland und bekam den größten Teil von Polen dazu. England, in Personalunion mit dem Königreich Hannover verbunden, erhielt Helgoland und zahlreiche Gebiete in Südafrika und Ostasien. Österreich verzichtete auf seine Besitzungen am Rhein, im heutigen Belgien und auf meine Eifelteile, erhielt dafür Gebiete in Oberitalien, Salzburg und Tirol, das den Bayern abgenommen wurde.

Die drei Kurfürstentümer Mainz, Köln und Trier wurden aufgelöst. Die westliche Grenze der Eifel verlief von Konz (Mosel) entlang der Flussläufe Sauer und Our bis Malmedy und Eupen. Damit verlor Luxemburg sein Eifelgebiet, sowie die späteren Kreise St. Vith und Bitburg, Teile von meinem Kreis als auch von den Kreisen Wittlich und Daun, dann

Schleiden und die Herrschaft Kronenburg. Das war ein immenser Verlust von rund 50 000 steuerzahlenden Einwohnern. Als Trostpflaster durfte sich das „Ländchen" nun bis heute „Großherzogtum" nennen. Der König von Preußen stellte Ansprüche auf ganz Sachsen. Dagegen protestierte wiederum Österreich, weil es ein deutsches Ungleichgewicht befürchtete. So gewährte man Preußen lediglich die Provinz Posen, den Rest Vorpommerns und einen Teil von Sachsen. War der europäische Kuchen nun verteilt? Nein! Denn .herrenlos' waren da noch Westfalen und das ganze Rheinland! Und da Preußen immer noch schmollte, weil es nicht ganz Sachsen erhalten hatte, bot man ihm logischerweise Westfalen und das Rheinland an. Preußen zögerte, hatte seine Gedanken nie in Richtung Westen gelenkt. So musste es diplomatisch überredet werden, doch großzügiger Weise diesen Rest zu übernehmen. Und dies geschah am 5. April 1815. Zehn Tage später huldigten die Rheinlande in Aachen der preußischen Krone. Preußen nahm die Gebiete im Rheinland durch königliche Proklamation offiziell in Besitz und nannte dieses neue Land nun (per Erlass vom 27. Juni 1822) „Rheinprovinz" mit seinen fünf Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln, Aachen, Koblenz und Trier. Hurra! Damit hatte ich nun endlich meinen Geburtstermin. Auch wenn mich Papa Preußen mitleidig ansah, er nahm mich - wobei ich ihm etliches an Größe und Umfang und über 30000 Einwohner mitbrachte - an und taufte mich: „Nunmehr heißt du nicht mehr Kanton Daun im Departement Sarre, sondern Kreis

Landratsamt Daun in der Leopoldstraße (1905)

Daun im Regierungsbezirk Trier!" Der Regierungsbezirk Trier wurde in zwölf Kreise eingeteilt, u.a. auch in mich, den Kreis Daun, weitgehend identisch mit dem ehemaligen französischen Kanton. Neu zusammengesetzt, erhielt ich am 28.12.1816:

vom Kreis Prüm die Gemeinde Meisburg. Dafür musste den Prümern die Ortschaften Steffeln, Schüller, Hallschlag, Stadtkyll, Niederkyll, Kerschenbach, Schönfeld und Duppach abgegeben werden;

vom Kreis Wittlich die Gemeinden Weidenbach, Bleckhausen, Deudesfeld, Schutz, Strohn, Mückeln, Strotzbüsch, Immerath, Trautzberg, Sprink.

Damit wohnten dann rund 16000 Menschen in meinem Kreis, der sich in den kommenden Jahrzehnten nur mehr unwesentlich veränderte.

Mein Lenker und Leiter

Am 12.4.1816 fand die Einführung der königlich preußischen Regierung in ihr Amt statt. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwar Kreisstadt, aber noch nicht Landratssitz. Mitverwaltet wurde ich von Prüm, von den dortigen kommissarischen Landräten Rosbach und Catrein. Ja, und in dieser Tatsache wurzeln wahrscheinlich auch die bis heute spürbare, jedoch friedliche Rivalität und frotzelnde Eifersüchteleien zwischen Gerolstein und mir, bloß weil ich Kreisstadt wurde und bis heute noch bin. Klar, Gerolstein hatte nahezu die gleiche Ausgangslage wie Daun, hätte den preußischen Verwaltungsbedingungen durchaus entsprochen, aber die Stadt lag so nahe an der Prümer Kreisgrenze, dass eine geographische Mittelpunktfunktion schwerlich gegeben war. Ich beharrte konsequent auf eigener Selbständigkeit, löste ich mich aus der Mitverwaltung von Prüm, und die kleine Stadt Daun mit ihren 86 Häusern und rund 410 Einwohnern wurde endlich am 29. August 1817 Landratssitz sowie Sitz eines Friedensgerichtes (zuständig für die Bürgermeistereien Daun, Dockweiler, Gillenfeld, Sarmersbach, Udersdorf und Weidenbach) und Ort einer königlichen Oberförsterei. Viele Dauner jubelten und begrüßten den ersten Landrat herzlich, als er seine wenigen

Ehemaliges Landratsamt, heute Eifel-Vulkanmuseum

Amtszimmer in dem Gebäude bezog, das zugleich auch als Bürgermeisteramt diente. Johann Ernst Carl Friedrich Avenarius war sein Name, den er schwungvoll unter das erste Aktenstück vom 19.11.1817 setzte, und der bis 1839 im Amt blieb.

So, und nun darf diskutiert werden, wie alt ich bin. 1815, als ich als Kanton/Kreis Daun von den Preußen übernommen wurde? 1816, als ich neu strukturiert wurde und veränderte Kreisgrenzen erhielt oder 1817, als der preußische Landrat Avenarius seinen Dienst antrat?

Gleich wie, seit dieser Zeit wurde noch mehrmals an mir herumgeflickt, gestrichen und ergänzt, reformiert und strukturiert. Hatte ich zu Beginn meiner preußischen Existenz 98 Gemeinden in 14 Bürgermeistereien (Daun, Dockweiler, Dohm, Gerolstein, Gillenfeld, Hillesheim, Kerpen, Lissendorf, Rockeskyll, Sarmersbach, Strohn, Üdersdorf, Weidenbach und Wiesbaum), so wurden in den folgenden Jahrzehnten bis 1841 einige Bürgermeistereien aufgelöst.

Es blieben übrig 11 Bürgermeistereien mit 104 Gemeinden, in denen rund 24000 Menschen lebten:

Daun

mit 3223 Einwohnern (Boverath, Darscheid, Daun, Gemünden, Hörscheid, Mehren, Neunkirchen, Pützborn, Rengen, Schalkenmehren und Steinborn).

Dockweiler

mit 1726 Einwohnern (Brück, Dockweiler, Dreis, Kirchweiler und Waldkönigen); wurde gemeinsam mitverwaltet durch Daun.

Gerolstein

mit 3217 Einwohnern (Büscheich, Gerolstein, Hinterhausen, Kalenborn, Lissingen, Michelbach, Müllenborn, Neroth, Salm, Scheuern und Wallenborn).

Gillenfeld

mit 3336 Einwohnern (Allscheid, Brockscheid, Demerath, Ellscheid, Gillenfeld, Immerath, Mückeln, Saxler, Steineberg, Steiningen, Strohn mit Sprink und Trautzberg, Strotzbüsch, Udler und Winkel).

Hillesheim

mit 2461 Einwohnern (Bolsdorf, Dohm mit Lammersdorf, Heyroth, Hillesheim, Loogh, Niederbettingen, Oberehe, Stroheich, Walsdorf und Zilsdorf).

Kerpen

mit 1770 Einwohnern (Ahütte, Berndorf, Kerpen, Leudersdorf, Flesten mit Nollenbach, Niederehe und Üxheim); wurde gemeinsam mitverwaltet durch Hillesheim.

Lissendorf

mit 2402 Einwohnern (Auel, Basberg mit Lehnerath, Birgel, Esch, Feusdorf, Glaadt, Gönnersdorf, Jünkerath, Lissendorf, Mirbach, Oberbettingen und Wiesbaum).

Rockeskyll

mit 1908 Einwohnern (Berlingen, Betteldorf, Bewingen, Essingen, Gees, Hinterweiler, Hohenfels, Pelm, Rockeskyll und Roth); wurde gemeinsam mitverwaltet durch Gerolstein.

Sarmersbach

mit 1216 Einwohnern (Beinhausen, Boxberg mit Merzbach, Kradenbach, Gefell, Hörschhausen, Katzwinkel, Neichen, Nerdlen, Sarmersbach, Schönbach und Utzerath); wurde gemeinsam mitverwaltet durch Daun.

Üdersdorf

mit 1325 Einwohnern (Niederstadtfeld, Oberstadtfeld, Tettscheid, Trittscheid, Üdersdorf und Weiersbach); wurde gemeinsam mitverwaltet durch Niederstadtfeld.

Weidenbach

mit 1320 Einwohnern (Bleckhausen, Deudesfeld, Meisburg, Schutz und Weidenbach); wurde gemeinsam mitverwaltet durch Niederstadtfeld.

Jetzt bin ich erwachsen

Eine bedeutende Änderung und erhebliche Vergrößerung erfuhr ich im Zuge der kommunalen Gebietsreform 1969/70: Da erhielt ich von dem im Landkreis Bitburg aufgehenden „Altkreis Prüm" die Gemeinden Duppach, Oos, Hallschlag, Kerschenbach, Ormont, Reuth, Scheid, Schönfeld, Schüller, Stadtkyll, Steffeln, Birresborn, Densborn, Kopp und Mürlen-

bach. Und aus den Landkreisen Mayen-Koblenz und Ahrweiler wurden mir 33 eigenständige Ortsgemeinden zugewiesen, die sich alle in der Verbandsgemeinde Kelberg befinden. So kann ich heute stolz auf meine Daten verweisen:

Ich bin 910,98 km2 groß und Heimat für rund 60775 Einwohner, die in fünf Verbandsgemeinden (= 109 Gemeinden) leben:

a) VG Daun mit 38 Gemeinden und rund 22783 Einwohnern

b) VG Gerolstein mit 13 Gemeinden und rund 13563 Einwohnern

c) VG Hillesheim mit 11 Gemeinden und rund 8819 Einwohnern

d) VG Kelberg mit 33 Gemeinden und rund 7200 Einwohnern

e) VG Obere Kyll mit 14 Gemeinden und rund 8477 Einwohnern

Diese von den Preußen eingerichteten Verwaltungsstrukturen haben sich bis auf geringfügige Änderungen bis heute erhalten. Lediglich änderten sich teilweise ältere Bezeichnungen, wie Verbandsgemeinde statt Amtsbürgermeisterei oder Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion statt Bezirksregierung Trier.

Die Bestrebungen zu Namensänderungen betrafen auch mich. Nach langjährigen Diskussionen entsprach das Ministerium des Innern in Mainz dem einstimmigen Kreistagsbeschluss, meinen altehrwürdigen Namen „Kreis Daun" zum 01.01.2007 umzuändern in „Landkreis Vulkaneifel".

Zweihundert Jahre „alt" bin ich nun, fühle mich jedoch noch sehr jung, Ich bin voller Hoffnung, mich als Kreis wachsen und gedeihen, blühen und weiterhin in eine friedvolle Zukunft entwickeln zu sehen, auch wenn sich am politischen Horizont die eine oder andere düstere Gedankenwolke sich zeigt, mir ein ungewolltes Ende zu bereiten, indem man mich in einer anderen größeren Einheit aufzulösen gedenkt.

Möge der 26. Landrat nach meiner Gründung (Heinz-Peter Thiel) alle Kräfte mobilisieren, damit dieser Schicksalskelch, mich verschonend, an mir vorübergeht, denn ich möchte noch so gerne weitere Geburtstage feiern!

Quellen:
Statistisch-topographische Beschreibung des Regierungsbezirkes Trier, Trier 1830
Blum, Peter: Entwicklung des Kreises Daun, Daun 1925