Gemeinsamkeit schafft viel!

Alois Krämer, Bodenbach

Mein Dorf Bodenbach liegt in der Vulkaneifel und teilweise im Landschaftsschutzgebiet Kelberg. Es ist sehr, sehr alt, denn es wurde erstmalig im Jahre 1341 n. Chr. erwähnt. Der Bodenbacher Bach fließt mitten durch das Dorf. Er ist auch in unserem Wappen zu sehen, das zusätzlich die dreitürmige Kirche St. Apollonia zeigt. Bodenbach stand um 1800 unter französischer Administration, nach 1815 gehörte es zum Königreich Preußen. Nach dem ersten Weltkrieg hatte die französische

Militärverwaltung das Sagen. Seit 1946 ist die Region Teil des Landes Rheinland-Pfalz und gehörte bis 1949 noch zur französischen Besatzungszone. Zum Landkreis Daun zählt unser Dorf seit 1970. Wir haben 250 Einwohner, einen Gemeinderat und einen ehrenamtlichen Ortsbürgermeister. Das sind wir. Dass der Einzelne nicht viel, der Zusammenhalt des ganzen Dorfes aber vieles bewirken kann, beweisen nicht zuletzt unsere Vereinstraditionen, die in vielerlei Hinsicht durchaus

nennenswert sind. Zunächst muss man wohl über die Musik reden. Wir sind, seit ich denken kann, und sicher noch lange darüber hinaus, ein sehr musikalisches Dorf, zu dem ein Männergesangverein, ein Musikverein und ein Kirchenchor gehören.

Die Chronik berichtet über den Männergesangverein folgendes:

„ ... So versammelten sich im September 1887 die Sänger des ehemaligen Kirchenchores Bodenbach im Gasthaus Überhofen und gründeten eine Gemeinschaft, von der sie nicht einmal ahnen konnten, das sie auch 125 Jahre später noch in Eintracht und Harmonie existieren würde. Als oberstes Gebot wurde in der Gründungsurkunde besiegelt: Der Sängerbund Concordia gelobt brüderliche Liebe und Eintracht, sowie die Pflege und Erhaltung des deutschen Liedguts. Zudem verpflichteten sich alle Sänger, eine monatliche Gebühr in Höhe von 20 Pfennigen in die Vereinskasse zu entrichten. Zum Ersten Vorsitzenden wurde der Ackerer (Landwirt) Philipp Überhofen gewählt. Die musikalische Leitung übernahm der Bodenbacher Dorfschullehrer Herr Bröker."

Arbeiten am Gemeindehaus

Viele Höhepunkte zeichnen seinen Weg, die absolut höchste Herausforderung war wohl die Teilnahme an einem internationalen Sangeswettbewerb in Verona, bei dem der MGV sehr gute Bewertungen erhielt. Als langjähriges Mitglied des MGV (50 Jahre) darf ich mir auch etwas davon zugutehalten. Der Musikverein Bodenbach besteht mittlerweile in diesem Jahr schon 55 Jahre. Ich bin zwar kein Gründungsmitglied, trat aber 1961 als Mitglied in den Verein und spielte lange

Jahre mit Begeisterung das S-Althorn. „Lobet den Herrn" war mein erstes Stück. Auch meine Kinder und Enkel spielen Instrumente und sind oder waren Mitglieder des MV. Nach wie vor ist der Musikverein eine junge Truppe, die gern Musik macht, aber auch ein geselliges Leben pflegt.

Last but not least haben wir einen Kirchenchor, der aber noch älter ist als der MGV. Er gründete sich vor über 140 Jahren und begleitet die feierlichen Gottesdienste mit würdevollem Gesang.

„Treffen sich drei Deutsche, gründen sie einen Verein". Da lacht der Bodenbacher, denn das trifft für ihn in besonderer Weise zu. Und damit kämen wir zu weiteren Vereinen oder Institutionen. Die Freiwillige Feuerwehr gibt es nachweislich mindestens seit 1910. Seitdem hat sich vieles in der Brandbekämpfung getan, und mit modernen Mitteln stehen die gut ausgebildeten Kameradinnen und Kameraden - auch der Jugendfeuerwehr - „ihren Mann".

Auch die Frauen des Dorfes sind vielfältig engagiert. Ohne sie wäre der Karneval nicht denkbar. In den 1930er-Jahren begannen die Schulkinder damit, sich zu verkleiden und gingen von Haus zu Haus, tanzten und hofften auf eine kleine Spende. In dem Jahr, in dem die Kinder zur Ersten Heiligen Kommunion gingen, war Karneval allerdings tabu. Man durfte sich nicht verkleiden, sich nicht bemalen. Seit den 1950er-Jahren gab es dann kein Halten mehr, der Weiberdonnerstag hielt Einzug in unserem Dorf und wurde von den Frauen zunächst mit Kaffee und Kuchen, später auch noch zünftiger begangen. Perfekt organisiert wird der Weiberdonnerstag durch die sogenannten „Obermöhnen", die nicht nur den Spaß, sondern auch die Last mit den Vorbereitungen haben. Der Lohn dafür ist, auf den - von den Männern gebauten - Karnevalswagen durch die Gemeinden zu fahren und Kamellen zu werfen. Das Möhnentreiben war anfangs jedoch nur verheirateten Frauen vorbehalten. Aber das hat sich seit langem überlebt. Darüber hinaus obliegen den Frauen des Dorfes aber auch noch besondere Aufgaben. Zum Beispiel schmücken sie seit alters her die Fronleichnamsaltäre und gestalten die

wunderschönsten Blumenteppiche, über die nur der Pfarrer mit dem Allerheiligsten schreiten darf.

Auch der Junggesellenverein von Bodenbach hat zu tun. Ist man endlich sechzehn Jahre alt, kann man in die „Burschenschaft" aufgenommen werden. Dies geschieht in der Nacht zum ersten Mai. Die Neuen werden nach einem Aufnahmeritus, der früher recht rau gewesen ist, mit Applaus und Liedern begrüßt. In der Nacht werden dann allerlei Schelmereien getrieben. „Alles, was sich nicht wehrt und nicht freigekauft ist, kann weggenommen und versteckt werden", ist auf der Homepage von Bodenbach zu lesen. Mancher Hausbesitzer hat sich schon einmal gewundert, wo sein Gartentörchen abgeblieben ist, und warum der Wagen anstatt auf dem Hof plötzlich auf dem Dach des Hauses steht. Und das sind dann noch die harmlosesten Sachen, die da so passieren. Gehört man zu den Junggesellen, ist also ein Mann geworden, gibt's natürlich auch Pflichten. Das geht vom Bewachen des Maibaums über das „Kirmeseiersammeln" bis zum Verteilen der Geschenke als Nikolaus und Knecht Ruprecht an die Kinder des Dorfes. „Den Hillich schleifen" ist eine Sitte, die ebenfalls den Junggesellen vorbehalten ist. Am Vorabend zur standesamtlichen Trauung ziehen sie vor das Haus der Braut, um dort mit Krach und Gesang auf sich aufmerksam zu machen. Die Lieder handelten meist von enttäuschter Liebe und beklagten die Tatsache, dass das Mädchen nicht einen der Ihren erwählt hatte. Auch das alljährliche Martinsfeuer, an dem St. Martin traditionell seinen Mantel mit einem Armen teilt, steht unter der Oberaufsicht der Jugend. Auch die Kinder im Dorf haben Pflichten zu erfüllen. Nach Weihnachten ziehen sie als „Weisen aus dem Morgenland" verkleidet durchs Dorf und bringen den Segen für das neue Jahr in jedes Haus. In der Osterwoche hört man die Kinder schon von weitem kommen, denn sie machen einen höllischen Lärm mit ihren hölzernen Klappern, die sie bei sich führen. Damit rufen sie zu den Gottesdiensten und ersetzen Morgen- und Abendglocke. Das hat natürlich seinen Grund: Gründonnerstag fliegen die Glocken nach Rom, um dort dem

Neugestaltung des Sauerbrunnens

Heiligen Vater Bericht abzulegen über das vergangene Gemeindejahr. So wurde es uns Kindern alljährlich erklärt und wir glaubten felsenfest daran. Solange es Kinder im Dorf gibt, wird es hoffentlich noch lange Jahre so weitergehen.

Soweit zum Dorf- und Vereinsleben. Das besteht aber nicht nur aus lieb gewordener und gern getaner Pflicht. Dabei geht es um gesellige Veranstaltungen, da werden gemeinsame Ausflüge geplant und durchgeführt, und schöne Erlebnisse, die man gemeinsam genießen kann, schweißen noch mehr zusammen. Man ist nicht allein.

Gehe ich in Gedanken zurück in die Vergangenheit, da fällt mir noch etwas anderes ein, was das Dorf und das Dorfleben zusammen und intakt hielt. Das waren die Menschen, die gemeinnützige Arbeit für das Dorf leisteten. Noch heute höre ich manchmal im Geiste noch die Dorfschelle und den Ruf: „Öm 11 Auer es Jemeen bei der Kirch". Da blieb kaum einer der Männer zu Hause. Da ging es um was. Da ging es ums „Frünen". „Frünen" kommt von Fron, von Fronarbeit, schlicht gesagt. Auf Neudeutsch heißt das heute eben, gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Auch wenn es nicht immer angenehm war, das Gräber ausheben, wenn einer gestorben war, das Ausheben der Gräben für die neue Wasserleitung, das Mithelfen bei dem Kirchenbau, der Gemeindehausneubau, das Anlegen neuer Wege in der

Gemeinde ... Es war ständig etwas zu tun. Und alle halfen mit. Das war so damals. Da spürte man nicht nur seine Knochen bei der Arbeit, man spürte auch, dass man zusammengehörte, man spürte die Einheit des Dorfes als Ganzes. Und das machte uns stark, schier unangreifbar. Wir konnten was, wir leisteten was. Das machte uns stolz.

Und ein bisschen ist es ja heute noch so. Heute macht eine so genannte „Rentnerband" viel ehrenamtliche Arbeit. Sieben gestandene Pensionäre aus dem Dorf treffen sich einmal im Monat beim Ortsbürgermeister. Da wird besprochen, was zu tun ist. Da werden neue, schöne Projekte geplant. Und dann ist es ein bisschen so wie früher: Bänke anstreichen, Gräben ausheben, am Spielplatz neuen Sand verfüllen, Hecken schneiden, die Brücke neu

anstreichen, am Kirchplatz pflastern, die Wege um die Kirche säubern, den Sauerbrunnen (unseren Drees) neu gestalten, am Bürgerhaus ist immer was zu tun . und so weiter und so weiter.

Man fragt nicht, was bekomme ich dafür, man fragt nicht, was kostet mich das an Freizeit ...? Weil es getan werden muss, tut man es, und macht sich keine überflüssigen Gedanken. Solange das Zusammenleben und Zusammenarbeiten so funktioniert, lebt man nicht nebeneinander, sondern miteinander. Und wenn alle an einem Strang ziehen, bleibt die Einheit des Dorfes gewahrt. So lange gibt es auch eine Zukunft für uns.

Mehr ist dazu nicht zu sagen. www.bodenbach-eifel.de