175 Jahre Männergesangverein „Eintracht" 1839 Hillesheim

Richard Esch, Hillesheim

Im Oktober 2014 feierte der Männergesangverein (MGV) Hillesheim sein 175-jähriges Bestehen. Eine Urkunde oder ein Protokoll über die Gründung im Jahre 1839 liegen dem Verein nicht vor. Der erste Eintrag in einem noch vorhandenen Protokollbuch mit der Aufschrift Beschlüsse der Generalversammlungen des Hillesheimer Gesang-Vereins „Eintracht" lautet: „Generalversammlung vom 28. März 1864". Einen Hinweis auf das Gründungsjahr könnte ein Eintrag über eine Generalversammlung am 23. Mai 1885 bedeuten. Darin heißt es: „In der heutigen Versammlung erklärte unser bisheriger Präsident Herr Carl Faasen durch seine bevorstehende Auswanderung dem Verein ferner nicht mehr vorstehen zu können und nahm also seinen Abschied, nachdem er über 40 Jahre dem Verein angehörte". Noch ein weiterer Eintrag in dem Protokollbuch lässt auf das Gründungsjahr 1839 schließen. Der Verein hatte damals eine Krise

zu überstehen, die zur Auflösung der „alten Eintracht" führte. Das Protokoll enthält einen Rückblick auf mehrere Jahre. Die Eintragung über die Auflösung lautet: „Am 10. Febr. 1908 fand die Auflösung der alten Mitglieder bei einem Faß Bier und Würstchen statt. Anwesend waren 18 Mitglieder. Die Fahne mit der Gründungszahl 1839, der Anschaffungszahl 1891 und die vorhandenen Statuten und alten Bücher erhielt der sich unterdessen neugebildete Gesang-Verein „Eintracht" zum Preise von 30 Mark unter der Bedingung der Weiterführung der „Eintracht" und das alle, bei der Übergabe der Fahne noch lebende Mitglieder zeitlebens als Ehrenmitglieder, ohne Zahlung der jährlichen Beiträge geführt würden. Die alte „Eintracht" lebt also weiter. Die „alten" Mitglieder als Ehrenmitglieder sind namentlich aufgeführt. Aus den vorerwähnten Statuten ist Paragraf 1 „Zweck" erwähnenswert. Er lautet: „Der Zweck des Vereins ist

Ausbildung und Belebung des Männergesanges durch praktische Übung und Ausführung clas-sischer sowie moderner Musikwerke an den dazu bestimmten Tagen." Wie aus den vorhandenen Akten und dem umfangreichen Schriftverkehr hervorgeht, hat der Verein im 19. und 20. Jahrhundert eine bedeutende Rolle im kulturellen Leben der Stadt Hillesheim gespielt. Zahlreiche Konzerte und Theateraufführungen sind verzeichnet. Ein historisches Ereignis erlebte der Ort Hillesheim am 1. Juli 1912. Folgender Eintrag dazu im Protokollbuch: „Am 1. Juli 1912 wurde die hiesige neu erbaute Eifel- oder Ahrbahn eröffnet. Es waren da am Bahnhof die Spitzen der Behörden vom Herrn Eisenbahnmeister an erschienen, zu dessen Empfang auch wir in corpore mit Fahne erschienen waren. Der Festzug führte die mit Salonwagen angekommenen hohen Herrschaften zum Hotel Klöp zum Diners. Für unser Mitwirken zur Verschönerung des so seltenen Festes beschenkte uns die Gemeindeverwaltung mit einem großen Faß Bier. Abends versammelten wir uns im Hotel Fasen gemütlich zu einem Glas Bier und blieben noch lange in feucht fröhlicher Stimmung zusammen." Der nächste Höhepunkt im Vereinsleben der Eintracht war die Feier des 75jährigen Stiftungsfestes am 28. Juni 1914. Dazu wurden befreundete Vereine aus dem Kreis Daun, aber auch darüber hinaus eingeladen. Das Fest war verbunden mit dem dritten Bundesfest des „Eifeler Sängerbundes". In der Einladung ist unter anderem zu lesen: „Mit der Beteiligung an unserem Doppelfeste würde sich für Ihren Verein zugleich ein schöner und angenehmer Ausflug verbinden lassen. Ist Hillesheim doch überaus freundlich gelegen, umgeben von seinen alten malerisch schönen Stadtmauern inmitten des mächtigen Vulkangebirges als „Nizza der Eifel" bezeichnet. Die Schirmherrschaft wurde „Seiner Exzellenz, dem Oberhofmeister Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, Herrn Freiherrn von Mirbach Hochgeboren", damals wohnhaft in Berlin angetragen. (s. dazu den Schriftverkehr im Anhang). Über den Ablauf des Festes sind keine Aufzeichnungen vorhanden. Laut Konzert-Programm muss Graf von Mirbach anwesend gewesen sein. Denn der erste Programmpunkt lautete: „Kaiserhoch

durch den Protektor, Sn. Exzellenz Freih. von Mirbach".

Während des Ersten Weltkrieges ruhte die Arbeit vieler Vereine, bedingt durch die Abwesenheit vieler aktiver Sänger und ihres Einsatzes „an der Front". Im Protokollbuch findet sich unter dem Datum vom 14. August 1914 folgender Eintrag: „Nachdem die Mobilmachung bestimmt und die Truppen schon zum größten Teil zu den Fahnen geeilt betrachten auch die Mitglieder des MGV Eintracht es als schönste Pflicht dem Vaterland und insbesondere der Gemeinde Hillesheim einen großen Teil der Vereinskasse zur Verfügung zu stellen. Der Vorstand beschloß daher Hochwürden Herrn Kohlbecher, Pfarrer in Hillesheim, die Summe von 200,00 M in Worten zweihundert Mark zur Verfügung zu stellen. Unser geehrter und geliebter Pfarrer ist die einzige Person welche am besten und ehrlichsten über diese Gelder verfügen kann und wird". Im März 1919 notierte der Chronist: „Vom 6.1.1915 an waren keine Versammlungen des Vereins mehr zusammengekommen, da der fürchterliche Krieg alle nur halbwegs kampffähigen junge Männer zu den Fahnen gerufen. Der Verein hat infolgedessen vollständig geruht". Erst am 9. März 1919 kam der Verein zum ersten Mal wieder zu einer Generalversammlung zusammen, und in der Folgezeit lebten die Aktivitäten wieder auf.

Im so genannten „Dritten Reich" wurde die Arbeit der Vereine von den maßgebenden politischen Organisationen stark eingeschränkt. Die Vorstände mussten ihre Feste nach strengen Maßstäben durchführen. Im Protokollbuch ist ein Jahresbericht von 1935 enthalten, in dem folgender Satz steht: „Auf besonderen Wunsch der Parteileitung und des Bürgermeisters halfen wir auch am 1. Mai, Tag der nationalen Arbeit, am 1. Oktober, Erntedankfest sowie am 15.10.35 einer Veranstaltung zu Gunsten des Winterhilfswerks durch unsere gesanglichen Darbietungen die Feiern verschönern". Das nächste Großereignis sollten die Feiern zum 100-jährigen Bestehen des Vereins werden. Die Planungen liefen schleppend an, so dass sich der „Sängerkreisführer" vom Deutschen Sängerbund Gau IXa (Rheinland Süd) Kreis 22 Daun, einschaltete und eine zügige

Planung nach Vorgaben der Reichskulturkammer anmahnte. Der Vorstand der Eintracht wollte sich aber nicht „gängeln" lassen und so kam es schließlich dazu, dass der Sängerkreisführer den Vereinen aus dem Kreis Daun, die sich zum Jubiläumsfest angemeldet hatten, verbot, daran teilzunehmen, was natürlich in Hillesheim großen Unmut auslöste. Auch die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Gauleitung Koblenz Trier, Amt Propaganda/Abt. Kultur, sah sich veranlasst, den MGV Eintracht aufs Schärfste zu kritisieren. Der Schlusssatz in dem Schreiben lautet: „Wenn ich trotz Ihrer Disziplinlosigkeit nicht die Untersagung des Festes veranlasse, so deswegen, weil die Hillesheimer Bevölkerung ein Recht darauf hat, das 100jährige Bestehen ihres Männergesangvereins zu feiern. Ich bitte Sie aber, mit sich zu Rate zu gehen und Ihre Eigenbrötelei aufzugeben. In diesem Sinne meinen Glückwunsch!" Trotz aller Widrigkeiten fand schließlich am 12. und 13. August 1939 das 100jährige Stiftungsfest statt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten zunächst die Besatzungsmächte das Sagen. Rheinland-Pfalz stand unter französischer Militärverwaltung. Mit Verordnung Nr. 22 des Le General de Corps d'Armee Koenig Commandant en Chef Francais en Allemagne wurde das Vereinsrecht im gesamten Gebiet der Zone Francaise d'occupation wiederhergestellt. Umfangreiche Durchführungsbestim-

von links: Bürgermeister Froitzheim, Regierungspräsident Schubach und der damalige Vorsitzende des MGV, Karl Meier, bei der 125-Jahr-Feier im Mai 1964

mungen folgten. Jedes Gesuch um Gründung eines Vereins musste mit einem Entwurf der Satzungen dem Bürgermeisteramt des Vereinssitzes vorgelegt werden. Am 8. Juni 1948 wurden dem Amt in Hillesheim die erforderlichen Akten vorgelegt. Ein förmlicher Genehmigungsbescheid ist in den Vereinsakten nicht enthalten. In einem Zeitungsartikel vom 24. Mai 1959 ist aber folgendes ausgeführt: „Der MGV Eintracht in Hillesheim, der als ältester Gesangverein des Kreises Daun in diesem Sommer sein 120jähriges Bestehen feiern kann, ging schon immer gerne eigene Wege. Da sich im Ort keine rechten Möglichkeiten für reine Konzerte boten, beschränkten sich die Sänger keineswegs nur auf die Mitwirkung irgendwelcher feierlichen Anlässe ihrer Heimatgemeinde oder der Ortsvereine, sondern führten vor dem Krieg periodisch Singspiele auf, die auf beachtlichem Niveau standen. Sie nahmen sich außerdem der Pflege des heimatlichen Karnevals an und hatten bei ihren wohl gelungenen Abenden dieser Art immer viele Besucher."

Nach einigen Jahren ohne weitere Aktivitäten findet sich in den Akten ein Vermerk mit der Überschrift: „Wiedererwachen des MGV Eintracht Hillesheim, Generalversammlung am 5. Januar 1964. Der einleitende Satz lautet: „Nach langer Zeit des „Schweigens" ist der MGV im letzten Halbjahr 1963 durch die Initiative einiger älterer Mitglieder aus seinem „Dornröschenschlaf erwacht; und man konnte mit Befriedigung feststellen, daß viele „Ehemalige" und auch neue Sänger dem Rufe gefolgt waren und dem Männergesangverein beitraten". Laut Bestandserhebung 1964 betrug die Zahl „der singenden Mitglieder" über 18 Jahre: 21, unter 18 Jahre: vier. Die erste große Veranstaltung der "wiedererwachten" Eintracht war das 125jährige Bestehen (siehe Foto). Verbunden mit dem Jubiläum war das „Freundschaftssingen" des Sängerkreises Daun. Aus Anlass dieses Jubiläums wurde Herrn Ministerpräsident Altmeier die Schirmherrschaft angetragen.

Die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz teilte dem Verein am 29. Mai 1964 mit: „Auf Ihr Schreiben vom 19. April 1964 läßt Ihnen der Herr Ministerpräsident mitteilen, daß er gerne die Schirmherrschaft für das 125-jährige Stiftungsfest des Männergesangvereins Eintracht übernimmt. Leider wird es ihm jedoch nicht möglich sein, am 1.oder 2. August zu Ihnen nach Hillesheim zu kommen, da er am Samstagabend schon anderweitig verpflichtet ist; auch am Festsonntag kann der Herr Ministerpräsident einen Besuch in Hillesheim aus zeitlichen Gründen nicht einrichten". Ministerpräsident Altmeier bat Herrn Regierungspräsidenten Schubach, Trier, am Festakt teilzunehmen und dem Verein den Wappenschild des Landes zu überreichen. Wie den Presseberichten zu entnehmen ist, war das Fest ein voller Erfolg.

In den folgenden Jahren wurden wieder regelmäßig Konzertveranstaltungen verschiedenster Art durchgeführt. Das nächste Gründungsjubiläum, nämlich das 130-jährige, stand im Jahre 1969 an. Auch aus diesem Anlass hat sich der Verein um einen prominenten Schirmherrn bemüht. Es sollte kein Geringerer als der damalige Bundesminister des Auswärtigen, Willy Brandt, sein. Herr Brandt ließ jedoch durch seinen persönlichen Referenten mitteilen, dass er an den Jubiläumsfeierlichkeiten („leider") nicht teilnehmen könne, er sei aber bereit, die Schirmherrschaft zu übernehmen und ein Grußwort zu übermitteln. Hier ein Auszug aus diesem Grußwort: „Ich bedauere, daß es mir nicht möglich ist, an diesem Tage als Schirmherr der Veranstaltung persönlich bei Ihnen zu sein. Denn nicht oft wird uns in dieser schnel-lebigen Zeit eine so denkwürdige Gelegenheit gegeben, innezuhalten und uns zu besinnen. Und Besinnung tut not - gerade in einer Zeit wie der unsrigen, die alles in Frage stellen möchte und deshalb des Bewußtseins beständiger Werte so dringend bedarf wie kaum eine andere zuvor". Mit einem Festkommers am

19. Juli und einem Freundschaftssingen am

20. Juli wurde das Jubiläum unter Mitwirkung zahlreicher befreundeter Vereine gefeiert. Auch in den Jahren bis zur Feier des 140-jährigen Jubiläums vom 6. bis 8. Juli 1979 trug der Verein zum kulturellen Leben in der Stadt

Hillesheim mit Konzerten und geselligen Veranstaltungen bei. Die Feierlichkeiten waren verbunden mit dem Kreis-Chorfest des Sängerkreises Daun (heute Chorverband Vulkaneifel Daun). Im Festprogramm ist ein Grußwort der damaligen Kultusministerin des Landes Rheinland-Pfalz, Hanna-Renate Laurien, abgedruckt. Hier ein Auszug: „Das 140-jährige Jubiläum des Männergesangvereins Eintracht 1839 prägt sich nicht nur durch die Vielzahl der Jahre ein, sondern vor allem durch die Kontinuität der geleisteten Arbeit. Musikalische Arbeit und musisches Erleben gründet in der geistig-menschlichen Gemeinschaft. Sie ist sinnbildhaftes Bekenntnis für die Zusammengehörigkeit beim gemeinschaftsbildenden Erlebnis des Singens". Ein nächster Höhepunkt in der Vereinsgeschichte war die Verleihung der „ZelterPlakette" im Jahre 1980. Die Richtlinien für die Verleihung dieser Plakette lauten (auszugsweise): „Die Zelter-Plakette ist eine Auszeichnung für Chorvereinigungen, die sich in langjährigem Wirken besondere Verdienste um die Pflege der Chormusik und des Deutschen Volksliedes und damit der Förderung des kulturellen Lebens erworben haben". Die Verleihungsurkunde ist unterzeichnet vom damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens. Üblicherweise wird die Plakette beim 100-jährigen Bestehen eines Vereins verliehen. Der MGV Hillesheim hatte tatsächlich erstmals im Jahre 1939 aus Anlass des 100-jährigen Bestehens den Antrag auf Verleihung gestellt. Wie bei den Ausführungen zur Feier dieses Jubiläums geschildert, lag der Verein mit den damaligen Machthabern im Konflikt, und so hatte am 4. September 1939 der „Präsident der Reichmusikkammer" zu Berlin mit folgendem Wortlaut die Verleihung abgelehnt: „Der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda hat Ihren Antrag abschlägig beschieden". Eine Begründung enthält der Bescheid nicht. In Hillesheim wusste man schon, warum der Antrag abgelehnt worden war.

Auch in jüngster Vergangenheit hat der Verein maßgeblich zum kulturellen Leben der Stadt Hillesheim beigetragen. So wurden Konzerte und Unterhaltungsveranstaltungen in Form von „Stadtmauerfesten" und „Liederabenden"

durchgeführt. In den Jahren 1981 bis 2014 wurden in ununterbrochene Reihenfolge 35 Liederabende in verschiedenen Räumen durchgeführt. Unter Beteiligung des MGV fanden gemeinsame Familienabende mit Feuerwehr, Musikverein und Kirchenchor statt, wobei die Organisation unter den Vereinen wechselte. Die Stadtmauerfeste sowie die Liederabende mussten leider wegen zu hoher

Unkosten und mangelndem Interesse der Bevölkerung eingestellt werden. Die Zahlen der aktiven Sänger bewegten sich seit Bestehen in unterschiedlicher Stärke. Die höchste Zahl betrug 40 Sänger, heute sind es nur noch 16. Das Durchschnittsalter der Sänger lag Ende 2015 bei 74 Jahren. Leider müssen wir befürchten, dass der Verein nach 177 Jahren des Bestehens die Aktivitäten einstellen wird.