„Schellekloppe"

Mathilde Gros, Eltville a. Rhein

Es war Sonntagnachmittag, ein herrlicher Maitag vor dem 2. Weltkrieg. 1938 oder 1939 wird es gewesen sein. Wir Brotecken-Kinder, damals 11- und 12 Jahre alt, kamen aus der Maiandacht, wie das sich damals für brave gut katholische Kinder gehörte. Auf dem Heimweg aber erfasste uns die Lust, irgendeinen Unsinn anzustellen.

Als wir an der Hauptstraße (heute Nr.91) vorbeigingen, blieben wir wie auf Kommando vor dem Ladengeschäft von Schneidermeister Heinrich Schildgen stehen. Wir hatten an jenem Maisonntag nur eins wieder mal fest im Blick: die Klingel an der Ladentür. Sie schrillte extrem laut. Wir konnten sicher sein, dass der Schneider lange brauchte, bis er aus seiner Werkstatt die Treppen hinauf in seinen Laden geeilt war. Noch viel länger benötigte er, wenn er ganz unten, am Fuß der Treppe im Stall war, um seine Kühe zu füttern, denn er betrieb nebenher auch noch eine Landwirtschaft. Zudem war er nicht mehr der Jüngste, darum waren wir ihm bisher beim „Schellekloppe" unerkannt entkommen.

Dieses Mal war es aber ganz anders! Er hatte uns längst fest im Visier! Denn er kam mit seinen Kühen die Gerolstraße herunter und trieb sie geradewegs auf uns zu! Jeden einzelnen von uns hatte er erkannt! Er hob die Peitsche

drohend und rief uns zu, heute noch würde er unseren Eltern mal gut Bescheid sagen! Obwohl er jetzt seine Tiere noch weiter über die Hauptstraße treiben musste, um sie bei Schlosser-Koch, wo einst das Westtor war, über die Mühlenstraße und durch das ganze Märloch hindurch in den Stall zu bringen.

Oje! Was sollten wir nun tun? Den sonnigen Nachmittag hatten wir uns selbst gründlich vermasselt! Zerknirscht gingen wir dem entgegen, was jeden von uns zu Hause erwartete. Schimpfen auf jeden Fall, und vielleicht auch noch ein paar hinter die Löffel. An unserer Haustüre konnte ich Schneidermeister Schildgens Stimme schon deutlich hören und auch was Mutter darauf sagte: „Loß datt nemmen es heem kunn! Esch saal däm es joot Bescheeed soon!" Versteckt an der Hausecke wartete ich mit starkem Herzklopfen, bis Herr Schildgen endlich fort war. Dann fasste ich mir ein Herz und ging hinein. Mutter fragte mich, was wir uns eigentlich gedacht hätten, den alten Mann so zu ärgern. Mit gesenktem Kopf hörte ich mir ihre kleine „Standpauke" an und versprach Besserung. Dieses Versprechen war leider schnell vergessen, wenn uns Kinder wieder mal der Übermut zu einem anderen neuen Streich antrieb.