Meine Mundharmonika

Richard Würtz, Gerolstein

Als 1945 der Zweite Weltkrieg vorbei war, mussten wir unseren kleinen Keller und unser Haus verlassen, weil amerikanische Soldaten in unser Haus zogen. Wir wurden bei Nachbarn in einem Zimmer untergebracht. Nur mein Opa durfte morgens und abends zurück nach Hause in den Stall, um unsere beiden Kühe zu versorgen. Als die Soldaten später wieder abgezogen waren und wir wieder zurück in unser Haus durften, fanden wir dort ein heilloses Durcheinander und viel Müll vor. In dem ganzen Müll befanden sich auch kleine verschlossene Pakete - sogenannte eiserne Rationen der Soldaten. Uns Kindern hatte man eingeimpft nur Nichts von dem Inhalt der Pakete zu essen, da der Inhalt vergiftet sein könnte. Somit landeten die Pakete samt Inhalt mit dem ganzen anderen Müll auf dem Misthaufen, wo sie mit dem täglichen Kuhmist aus dem Stall nach und nach zugedeckt wurden. Bei der Rückkehr in unser Haus stellte meine Mutter fest, dass vieles im Haus fehlte: der Feuerwehrhelm meines Opas, der Zylinderhut meines Vaters, zwei Sterbekerzen und leider auch meine geliebte Mundharmonika. Den Tag danach sah ich wie vor unserem Haus auf einem Panzer ein farbiger Soldat mit dem Zylinderhut meines Vaters auf dem Kopf den Clown spielte. Am Rande der Straße, die nur aus Schlamm bestand, sah ich etwas Silbernes glänzen. Bei genauem Hinschauen musste ich traurig feststellen, dass es die traurigen Überreste meiner geliebten Mundharmonika waren. An Ersatz für meine kaputte Mundharmonika war in der schlechten Zeit jedoch nicht zu denken.

Als nach dem Krieg die Felder wieder bestellt wurden und der Mist auf die Felder ausgefahren wurde, da kamen die weggeworfenen Pakete wieder zum Vorschein. Mittlerweile wussten wir, dass es sich bei den Paketen um die eisernen Rationspakete der Soldaten handelte. Die Pakete waren in Wachs eingeschweißt und damit wasserdicht. Der Inhalt der Pakete war somit noch zur Freude von uns

Kindern gut und essbar. In den Paketen befand sich ein kleines Stück Schokolade, Kekse, sowie Ölsardinen, Bouillon und Brot und ein paar Zigaretten. Die Pakete waren eine kleine Wiedergutmachung für die Eier, die die amerikanischen Soldaten seinerzeit aus unserem Hühnerstall entwendet hatten. In meinem späteren Leben habe ich oft die Geschichte von meiner kaputten Mundharmonika erzählt. Jahre später hat meine Frau mich überrascht und mir zu Weihnachten eine Mundharmonika geschenkt. Es war das gleiche Model wie die aus meinen Kindertagen. Heute spiele ich ab und zu noch auf meiner Mundharmonika - zum Bespiel an Weihnachten alt bekannte Weihnachtslieder.