„Erschröckliche Mordthat" auf dem Lehnerather Weg 1693

Hubert Pitzen, Stadtkyll

„Die Eifel mörderisch gut" - so lautete 1996 das Motto des 2. Eifelliteratur-Festivals, dessen Hauptpreisträger Jacques Berndorf sich in der Folge zum Guru des Eifelkrimis aufschwang. Längst hat er Nachahmer gefunden und die Eifelkrimis schwimmen weiterhin auf einer Erfolgswelle. Das von der Kreisverwaltung Vulkaneifel organisierte Krimifestival „Tatort-Eifer bietet nach eigenem Bekunden einen „roten Teppich" für die Filmbrache und Krimifans. Hillesheim hat sich zur Hauptstadt des Verbrechens etabliert und weiß dies touristisch hervorragend zu nutzen. Doch Kriminalromane sind nun einmal Fiktion und kaum historische Realität. Die Eifel verkörpert auch nicht die „Kriminallandschaft" schlechthin, da nicht mehr und nicht weniger Verbrechen geschahen als in anderen Regionen. Allerdings macht in den letzten Jahren die organisierte Kriminalität auch in der Eifel von sich reden, wobei Wohnungseinbrüche schon fast alltäglich sind.

Kriminalität ist jedoch keine moderne Erscheinung; sie hat es immer gegeben. Gerade in Zeiten großer Rechtsunsicherheit stiegen Straftaten stark an. Von vielen zwielichtigen Gestalten wurden Kriegszeiten als Zustände von Gesetzlosigkeit angesehen. Hauptsächlich spielte die allgemeine Verarmung der Landbevölkerung die Hauptrolle, die zu Diebstählen von Vieh, Kleidung, Bargeld und Lebensmittel führte. Abgelegene Mühlen und Bauernhöfe gehörten zu den beliebtesten und risikoarmen Objekten der Gesetzesbrecher. Alleinreisende liefen Gefahr, Opfer eines Überfalls zu werden, wobei etwa die Hälfte der Überfallenen weniger als 10 Gulden mit sich führte. Nächtliche Attacken auf Kutschen sind häufig nachweisbar. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führten Massenarmut und Verelendung zur Bildung von Räuberbanden, die von der Peripherie in die Randgebiete der Eifel vordrangen. Zu Unrecht legendär geworden ist der „Schinderhannes", dessen Bande vornehmlich auf dem Hunsrück agierte und von dort auch in der Südeifel aktiv wurde.

In den Archiven schlummern viele Kriminalsachen, die es lohnen würden, aufgespürt zu werden. Wie unter eine Lupe betrachtet, könnte man einzelne Verbrechen für die Nachwelt heranzoomen und auswerten. Mikrogeschichte, so bezeichnet die Geschichtswissenschaft die Erkenntnisse einer Archivalie, die dann allgemein verwertet werden können.

Die Ermordung des Dietz Schröder zu Lissingen durch den Maurer Salentin Wichel von Stadtkyll 1693

Greifen wir uns einen Mordfall heraus, der sich im Frühsommer 1693 mitten in unserem Kreisgebiet abgespielt hat und fragen nach dem Täter, Opfer, Motiv, Tathergang, der Strafverfolgung, dem Prozess, der Strafe und den Prozesskosten. Der Aktentitel der Archivalie des Landeshauptarchivs Koblenz verrät zunächst Täter, Opfer, ihre Wohnorte und das Jahr des Verbrechens: „Die Ermordung des Dietz Schröder zu Lissingen durch den Maurer Salentin Wichel von Stadtkyll 1693". Der Mord muss sich auf dem Lehnerather Weg bei Auel (bei Steffeln) „abgespielt" haben. Es ist eine unruhige, kriegerische Zeit, die die Menschen verarmen und verrohen lässt. Die Wunden des Dreißigjährigen Krieges (16181648) sind noch nicht ganz verheilt, als der französische König Ludwig XIV. die Schwäche des Deutschen Reiches nutzt, um territoriale Ansprüche zu stellen. In drei sogenannten „Raubkriegen" wird auch die Eifel mehrmals in Mitleidenschaft gezogen, als französische und verbündete Truppen die Eifel durchqueren oder sich in den Dörfern und Flecken einquartieren. Auch das Schloss Gerolstein, wo der Mordprozess stattfinden wird, sowie Teile des Städtchens sind von Franzosen besetzt worden. Um die Besatzer zu vertreiben, lässt der Jülicher General von Eltern Schloss und Stadt beschießen, wobei Teile des Schlosses und des Fleckens Schäden davontragen. Dies hat zur Folge, dass der regierende Graf von Manderscheid-Gerolstein, Carl Ferdinand, das Schloss verlassen muss und sich auf sein Schloss Bettingen (an der Prüm) zurückzieht. Für den späteren Prozessablauf ist diese Tatsache nicht unerheblich, da viele Prozessprotokolle und Briefe von Gerolstein nach Bettingen und umgekehrt transferiert werden müssen. Graf Carl Ferdinand hatte nach einer Sage bereits mit „dunklen Gestalten" zu tun, die ihm und seiner Gattin zur nächtlichen Stunde im Wald aufgelauert haben sollen. Die Sage erzählt: „Der Graf von Gerolstein wollte eines Tages mit seiner Gemahlin eine kleine Reise machen und fuhr in einer Kutsche durch den oberhalb der Burg gelegenen Wald. Als beide an die Stelle im Wald kamen, welche .Eichenpfad' genannt wird, überfiel die Gräfin eine unbeschreiblich große Angst. Sie drang in ihren Gemahl, daß sie aussteigen und den Eichenpfad wandeln sollten. Das geschah auch dann. Als nun der Kutscher sich in der Mitte des Waldes befand, sprangen bewaffnete Räuber aus dem Dickicht hervor, schossen durch die Kutsche, worin sich vermeintlich der Graf und die Gräfin befanden, und eine Kugel fuhr jenem durch den Hut. Die Pferde, durch diesen Überfall erschreckt und zudem von der Peitsche des Kutschers angetrieben, flogen über den Weg hin und entkamen mit dem Lenker. Der Graf und die Gräfin aber kehrten, als sie die Schüsse vernahmen, auf dem Pfade um und erreichten unversehrt ihre Burg. Zum Danke nun gegen Gott, der so wunderbar errettet, erbauten sie an der Stelle, wo der Raubüberfall stattgefunden hatte, eine Kirche und ließen nicht weit davon entfernt ein Kreuz, das .Röppelskreuz', errichten. Die Kirche erhielt den Namen .Büschkirche'."1

Dem Grafen haben die Gerolsteiner später einen Straßennamen gewidmet. Mit dem Tod des Grafen 1697 erlischt die Gerolsteiner Linie des Manderscheider Grafenhauses. In der Feudalzeit besitzen die Landesherren alle drei Gewalten: Sie erlassen Gesetze und Verordnungen, sie regieren und sie sind oberste Gerichtsherrn, wobei ihnen die letzte Entscheidungsbefugnis und das Begnadigungsrecht zustehen. Bei der Rechtsprechung stehen ihnen Schultheißen und Schöffen (= Laienrichter) zur Seite. Im Flecken Gerolstein übt der Oberschultheiß nur die Rechtsprechung aus, dem sieben Schöffen bei der Urteilsfindung helfen. Der Oberschultheiß vertritt den Grafen beim Obergericht und kann auch selbst Urteile fällen. Bei Gewaltverbrechen wie Mord, die zur Hochgerichtsbarkeit zählen, führt er die Voruntersuchungen durch. Weitere Justizpersonen sind der Verteidiger (=Patron), Gerichtsschreiber, Gerichtsbote und der Scharfrichter (="Nachrichter").

Zurück zum Lehnerather Weg. Fragen wie: Zu welcher Tageszeit ereignet sich der Mord? Kannten sich Mörder und Opfer? Auf welche Art und Weise kommt das Opfer zu Tode? Wer findet den Leichnam? - bleiben für immer im Dunklen. Hinweise auf ein Mordmotiv verrät die Archivalie erst auf den letzten Seiten. Nach der verübten Tat gelingt dem Stadtkyller Maurer Salentin Wichel die Flucht nach Münstereifel, wo er schließlich gefasst und eingekerkert wird. Wie man auf den Täter aufmerksam wird und wie die Festnahme abläuft, bleibt unklar. Da die Tat auf Gerolsteiner Territorium verübt wurde, ist der Gerolsteiner Graf für den Strafprozess und den Strafvollzug zuständig. Um die Auslieferung nach Gerolstein zu erlangen, muss zunächst ein Auslieferungsantrag beim Blankenheimer Grafen gestellt werden, da Münstereifel zu seiner Grafschaft gehört. Nach der Erlangung der Auslieferungserlaubnis sowie der Genehmigung, den Mörder durch Blankenheimer Territorium abführen zu lassen, wird Wichel von mehreren Feldschützen nach Gerolstein verbracht und im Schlossgefängnis inhaftiert.

Wenige Tage nach der Inhaftierung ordnet Carl Ferdinand die Zusammenkunft des Hochgerichts an.

Für nächsten Montag um 8 Uhr zitiert er Schultheiß und Hochgerichtsschöffen zum Schloss, befiehlt, den Inhaftierten aus dem Gefängnis zu holen, vor dem Gericht erscheinen zu lassen und ihn über die Mordanklage zu vernehmen (=Examination). Alle Aussagen sollen protokolliert und dann nach Bettingen geschickt werden. Auch damals ist es schon üblich, dem Angeklagten einen Verteidiger zur Seite zu stellen. Zum Patron bestellt er seinen Archivarius und Notarius Peter Rheindorf, dem er freien Zugang zum Gefangenen gestattet.

Bei der Befragung zeigt sich Salentin Wichel „gern und aus freien Stücken geständig ", so vermerkt es der Sekretär und Gerichtsschreiber Caspar Linden im Protokoll. In allen Vernehmungen erfahren wir nichts über die Fragestellung und die Auslassungen des Angeklagten. So manche Hexenprozessakte offenbart beispielsweise die Fragen (=Interrogatio) und Antworten (=Responsio) der Prozessbeteiligten.

Was nun folgt, ist ein Bittschreiben von Rheindorf an den Grafen, in dem er darum bittet, die Schultheißen und Schöffen der Gerichte Stadtkyll und Lissendorf zusammenzurufen. Stadtkyll ist Wohnort Wichels und die Tat geschieht auf dem Bann des Hofes Lissendorf innerhalb der Grafschaft Gerolstein. Rheindorf spricht nochmals das Geständnis seines Mandanten an, die Tat mutwillig und vorsätzlich begangen zu haben, ohne dass er eine strafmildernde Entlastung vorbringen kann. Dabei weiß Rheindorf zu genau, was einem Mörder damals „blühte". Er spricht sogar die seinerzeit geltende „Peinliche Gerichtsordnung" des Kaisers Karl V., insbesondere den Artikel 137, an. Dieser sieht vor, Mörder durch ein Rad „durch Zerstoßung seiner Glieder" hinzurichten. Die „Carolina" von 1532 gilt als erstes deutsches Strafgesetzbuch. Sie unterscheidet bereits „Mord" und „Totschlag", ähnlich wie unser Strafgesetzbuch in den Artikeln 211 und 212. „Mutwillige" Mörder waren durch Rädern hinzurichten, wogegen der „Totschläger" im Affekt und in Wut und Zorn handelt. Ihm widerfährt kein „ehrabschneidener" Tod, sondern die Hinrichtung durch das Schwert.

Am 30. Mai 1693 ordnet der Graf die Visitation des Inhaftierten durch den Anwalt für Montag, den 1. Juni, morgens um 7 Uhr an. Für den gleichen Tag ruft er das Hochgericht um 8 Uhr zusammen, um Wichel nochmals über die Kriminalanklage zu vernehmen. Über den eigentlichen Verlauf werden wir wiederum nicht informiert. Was wir erfahren ist die Stellungnahme Rheindorfs und eine Bitte am Schluss eines Schreibens an den Grafen. Wichel hatte „vor dem Allerhöchsten und der Wahrheit" wiederum bekannt, dass er derjenige sei, der die „erschröckliche Mordthat" begangen habe. Rheindorf bittet nun im Namen der armen Frau und Kinder des Todgeweihten, Gnade walten zu lassen. Er appelliert an die „angebohrene gräfliche Milde", dem Inhaftierten wegen des aufrichtigen Bekenntnisses, die lebende Räderung zu ersparen. Erst nach einer vorhergehenden Enthauptung solle die Räderung vollzogen werden.

Das Rädern gehörte zu den grausamsten Vollstreckungsarten, bei denen das Mittelalter und die frühe Neuzeit einen großen Erfindungsreichtum an den Tag legten, die Delinquenten vom Leben zum Tod zu befördern. Beim Rädern wurden dem Mörder auf einem Schafott die Extremitäten auf Unterlegkrippen fixiert. Dann erfolgte das Verstümmeln des Körpers mit einem eisenbeschlagenen Speichenrad. Der Scharfrichter zertrümmerte mit dem Richtrad, nach gerichtlich festgelegten Schlägen, den Körper von den Beinen bis zum Hals oder Herzen. Je weniger Schläge vorgesehen waren, desto schneller endete die Exekution durch einen Gnadenstoß. Nach dem Eintritt des Todes flocht man den Leichnam mit seinen zerstoßenen Gliedern auf ein größeres Rad. Mit einem Pfahl richtete man das Rad auf. So überließ man den Leib zum abschreckenden Beispiel der natürlichen Verwesung und dem Tierfraß. In seltenen Fällen überlebte der Delinquent die Prozedur, sodass der Scharfrichter zur Erdrosselung oder Enthauptung schritt. 1841 fand übrigens die letzte Hinrichtung durch Rädern in Deutschland statt, als ein Raubmörder seine Tat auf diese grässliche Art büßen musste.

In seinem Schreiben bittet Rheindorf um das möglichst schnelle Zusammentreten des Gerichtes, um das Urteil zu fällen, denn durch die „besorgliche Kriegsunruhe" habe sich der Prozess in die Länge gezogen. Carl Ferdinand reagiert sofort und befiehlt im Schreiben vom 2. Juni, das „gericht auff unserem Schloss zu besetzen, das Urtheyll verfaßen zu laßen und selbiges durch den Gerichtsschreiber concypirt uns zu uberscheiden durch einen Scheffen, welchen Vorgang wir der publication und execution (=Veröffentlichung und Durchführung) halber die fernere gebuhr rechtens verordnen werden. Signatum Bettingen, den 2. Juni 1693. Carll Ferdinand zu Manderscheid-Gerolstein".

Das Urteil

Es ist Mittwoch, der 3. Juni 1693, der Tag der Verurteilung. Oberschultheiß und Schöffen treffen sich im großen Saal des Schlosses, der scheinbar bei der Beschießung kaum oder nur gering in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Während der Mörder im Gefängnis ausharrt, verkündet der Oberschultheiß folgendes Urteil: „[...] weil peinlich beklagter freywilliglich zum mehrmalen bekennt hat, daß er den kurtrierischen Unterthan von Lyßingen Schroder Dietz fursetzlich ermordet habe, hiemit in Gottes Namen zu recht erkennt, daß er diese erschröckliche Mordthat halber durch den Nachrichter vom Leben zum Todt durch Zerstoßung beider arm und bein, auch des Hertzenß zu richten und anderen zu einem abschewlichen Exempel auff einem Rade ahn oder negst bey der platzen alwohe die Mordthat begangen offentlich zu setzen seye." Dieses Urteil bestimmt also die Todesstrafe durch Rädern, aber noch nicht eine Begnadigung durch den Grafen, indem die Räderung nach einer Enthauptung nur noch symbolisch durchgeführt wird. Vollstreckt werden soll das Urteil dort, wo sich der Mord ereignet hat, also in der Nähe des Dorfes Auel.

Es ist Samstag, der 6. Juni 1693: Der letzte Tag im Leben des Salentin Wichel ist angebrochen, als er am frühen Morgen aus dem Gefängnis in den Flecken geleitet und ihm das Urteil öffentlich verkündet wird. Wir erfahren nicht, wo die Zeremonie stattfindet und wie Wichel auf das Urteil reagiert. Sofort nach Urteilsverkündung eskortiert man Wichel zum Richtplatz bei Auel, wo er „lauth der gnädig erlangter gnad durch den Nachrichter hingerichtet worden ist". Eher beiläufig verrät uns der Gerichtsschreiber Caspar Linden, dass Wichel durch Begnadigung des Grafen vor der symbolischen Räderung durch das Schwert stirbt.

Prozesskosten

Wer nun glaubt, die Akte sei geschlossen, der irrt. Es folgt nun eine mehrseitige, minutiöse Designation der „Gerechtigkeit, welche das hiesig-hohe Gericht von wegen deß ahm 6. Juny dieses 1693 Jahrs, per sententiam (=Urteilsspruch) ertheilt und durch den Nachrichter erst enthaupt und darnach geräderter Salentin Wichel, Mäureren von Stadtkyll praetendieren (=Anspruch erheben) oder fordern thut [...]. Lässt die Kriminalakte für uns heutige Krimifans manche Frage offen, so eröffnet sie nun einen höchst interessanten Einblick in die Prozesskosten, für die der Hingerichtete posthum aufzukommen hatte.

Zunächst werden die Ausgaben für den Bettinger Wachtmeister und seine acht Feldschützen für die Überbringung von Münstereifel zum Gerolsteiner Landschultheißen Bormann angeführt, dessen Namen erst jetzt genannt wird. Auch der Lohn für den Münstereifeler Leutnant, der Wichel verhaftet hatte und die angefallenen Zehrungskosten im Nordeifelstädtchen wurden angerechnet. Dem Getöteten wurden Lebensmittelrationen, insbesondere Brot, sowie ein neues Hemd in Rechnung gestellt. Hinzu kamen Kosten für die Festsetzung und die Einkerkerung durch die Gerolsteiner Schöffen und den Gerichtsschreiber. Für das dreimalige Zusammentreten des gesamten Gerichts, einschließlich des Verteidigers Rheindorf und ihre Verköstigung, insbesondere auch für den getrunkenen Wein, hatte Wichel aufzukommen. Es sei am Rande erwähnt, dass der Wein aus Lissingen besorgt werden musste, weil angeblich keiner mehr im Flecken aufzutreiben war. Der Gerichtsschreiber erhielt ein Salär für das Anfertigen der Protokolle in dreifacher Ausfertigung. Eine Entlohnung bekam der Gerichtsbote für den Transfer des Schriftwechsels zwischen Gerolstein und Bettingen. Das Urteil selbst transportierte ein Schöffe. Sogar zwei Schöffen werden aufgeführt, die dem „Mißthätigen" den Tod angekündigt hatten und dafür einen Obolus zugesprochen bekamen. Um eine Flucht zu verhindern, beauftragte das Gericht den Schmied Johann Hupperts, eine Handfessel anzufertigen, die ebenfalls Anrechnung fand. Natürlich entlohnte man den Scharfrichter und seine beiden Helfer. Nach der Hinrichtung übernahmen Rheindorf und drei Schöffen den „gerichtlichen Augenschein über den thotten Cörper" und erhielten dafür eine Gratifikation. Man vergaß sogar die Witwe des Mordopfers nicht, die 12 12 Reichstaler zugesprochen bekam. Summa summarum beliefen sich die Gerichtskosten auf 39 Reichstaler, 50 Albus2 und 4 Heller3. Da, wie bereits erwähnt, der Mörder die Prozesskosten post mortem zu begleichen hatte, musste sein Haus und Hof in Stadtkyll veräußert werden. Dies geschah im Februar 1694 durch die Stadtkyller Schöffen Niclassen und Weckert, wobei der Verkauf 200 Reichstaler einbrachte.

Mordmotiv

Ganz zum Schluss gibt die Archivalie ein mögliches Mordmotiv preis. Es folgt nämlich die Aufstellung der Schulden, die Wichel angehäuft und hinterlassen hatte. Alle seine Gläubiger werden namentlich aufgeführt mitsamt der Schuldenhöhe. Pfandbriefe, Unterpfand4 und Sonderunterpfand an Kapital und Naturalien werden aufgelistet. Auch die Kirchenfabriken von Stadtkyll und Glaadt machten Schulden geltend. Sogar ein Johann Wichel wird erwähnt; ob es sich um den Vater oder Bruder des Mörders handelte? Beim Stadtkyller Schultheiß, Jacob Bragan, stand Wichel ebenso in der Kreide. Unter den fast 60 Schuldverschreibungen finden sich vereinzelt Personen aus den Nachbardörfern. Die Gesamtschulden beliefen sich auf horrende 240 Reichstaler, 39 Albus und 4 Heller und überstiegen somit den Wert seines Hab und Gutes. Inwieweit die Familie für die Schulden aufkommen musste, bleibt offen. Jedenfalls fielen die hinterlassene Ehefrau und Kinder der örtlichen Armenpflege anheim, die allerdings auf dem Land, im Gegensatz zu den Städten, praktisch nicht bestand. Ihr Leben war jedenfalls ruiniert; möglicherweise hielt sie das damals übliche Betteln am Leben. Zum Schluss ist also die Frage nach dem Mordmotiv mit hoher Wahrscheinlichkeit geklärt: Raubmord!

Darstellung des Räderns, Quelle: Schweizer Chronik des Johannes Stumpf, Augsburg 1586

Enthauptung mit dem Schwert und Hinrichtung am Galgen, Quelle: Alter Holzschnitt

Quellenangabe:
Literatur:
Eiflia illustrata, Bd. 2, Der Kreis Daun, (Nachdruck), Osnabrück 1982
Neu P., Geschichte und Struktur der Eifelterritorien des Hauses Manderscheid, Bonn 1972
Pitzen H., Der Fluch der bösen Tat. Aus der Kriminalgeschichte der Eifel, Aachen 1997
Archivalie:
Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 29B, Nr. 200
Anmerkungen:
1 Eiflia illustrata, Bd.2, (Nachdruck), S. 292
2 Silbermünze; auch Weißpfennig oder Petermännchen genannt
3 Münze im Wert eines halben Pfennigs
4 Auf Treu und Glauben anvertraute Sicherheitsgarantie; treuhänderisches Eigentum