Neue Nachrichten über den gelehrten Schwenckfeldanhänger Johann Heyden von Daun

Heinz Schmitt, Trier

In den Heimatjahrbüchern des Landkreises Daun 2005 und 2006 wurde an die lange weitgehend vergessenenen Schwenckfeldanhänger und Brüder Adam, Johann und Nikolaus Heyden aus Daun erinnert.1 Seither sind weitere Arbeiten zu den religiösen Bewegungen des 16. Jahrhunderts und auch zur Lehre und Anhängerschaft des schlesischen Reformators Caspar Schwenckfeld (1489-1561) erschienen, die neue Aufschlüsse zur Biographie vor allem des Johann Heyden liefern, dessen Sterbeort und Todestag nun endlich bekannt sind.

Johann Heyden als Hauslehrer in Augsburg

In ihrer 2006 erschienenen Kasseler Dissertation hat Caroline Gritschke aus Augsburger Archivalien neue Bausteine zur frühen Lebensgeschichte Johanns beigebracht.2 So wurden im Sommer 1563 beim Augsburger Rat der Schneider Sixt Schilling und ein Kürschnergeselle denunziert, sie würden verbotene Schriften Schwenckfelds verbreiten. Der Rat ging der Sache nach und am 10. August wurden Schilling und der Augsburger Drucker Philipp Ulhart verhaftet und in Eisen gelegt. Ulhart hatte schon früher verbotene Werke gedruckt und sich einmal mehr verdächtig gemacht. Die Verhöre ergaben, dass Schilling von Johann Heyden 1561 zwei Manuskripte Schwenckfelds bekommen hatte, zusammen mit einem Zettel, der genaue Anweisungen für Ulhart enthielt. Schilling hatte nun Schriften und Zettel tatsächlich an Ulhart weitergereicht. Im weiteren Verhör räumt Schilling ein, er kenne Johann Heyden vom Haus der Ursula Gossembrot her, der Witwe des Augsburger Patriziers und Bürgermeisters Ulrich Rehlinger (†1547), bei der Heyden zeitweise in Dienst gewesen wäre. Heyden lebe nunmehr als Student im Bistum Trier. Dies war vermutlich eine Schutzbehauptung, da die Augsburger Anhänger Schwenckfelds sicherlich wussten, dass sich Heyden zu dieser Zeit bereits in Frankfurt am Main aufhielt. Bei Ursula Gossembrot dürfte er auch deren Söhne Jakob und Ulrich kennengelernt haben, die er später als seine Gönner und Wohltäter bezeichnet. Möglicherweise hat er deren Kinder damals als Erzieher betreut. Schilling hatte als ihr Schneider auch enge Beziehungen zu Regina Schweigger, der Witwe des wohlhabenden Augsburger Kaufmannes Markus Schweigger (†1543). Regina war eine geborene Kraffter und mit ihren Schwestern Helena, verheiratet mit Andreas Putschlin, und Sibilla, verheiratet mit Stephan Eisselin, führte sie die wohl umtriebigste Zelle für die Sache Schwenckfelds in Augsburg an. Bei Regina Schweigger traf er 1558 auch auf Johann Heyden. Sie hatte ihn als Hauslehrer für ihre Kinder Markus, Paul, Christoph und Helena angestellt. Markus studierte anschließend in Ingolstadt und promovierte dort zum Doktor der Rechte. Dass Johann in Augsburg in so renommierten Häusern wie bei Rehlinger und Schweigger Anstellung als Hauslehrer und Erzieher gefunden hat, kann nur bedeuten, dass er damals schon über eine fundierte Ausbildung verfügte, die er wohl vor allem seinem Lehrer Adam Reissner in Mindelheim zu verdanken hatte.

Seine Mitarbeit an der „Feyerabend-Bibel" in Frankfurt am Main

Im Jahr 1560 erschien erstmals in Frankfurt die große deutsche Feyerabend-Bibel nach der Fassung Martin Luthers. Der Druckerverleger Sigmund Feyerabend hatte sich mit den Druckern Georg Rab und Weigand Han zu einer Verlagsgemeinschaft zusammengeschlossen, der sog. „Cumpanei", um das große Werk gemeinsam zu stemmen.

Die erste Ausgabe enthielt am Ende ein Inhaltsregister, das sehr wahrscheinlich von Heyden zusammengestellt war. Es zeigte sich dann, dass in der Bibel zahllose geographische Angaben, Orts- und Personennamen sowie chronologische Angaben in ihrer Bedeutung und etymologischen Wurzel unklar, viele auch gänzlich unbekannt waren.

Johann Heyden erhielt nun von der Cumpanei den Auftrag, alle diese Begriffe zusammenzustellen und zu erklären. Daraus entstand dann 1565 sein „Biblisch Namen und Chronik Buch". Zunächst war es als Anhang zur Bibelausgabe gedacht. Aber schon mit der zweiten Auflage von 1567 war es auf fast 800 Seiten Umfang angeschwollen und erschien dann auch als Separatausgabe. Wir kennen die Ausgaben von 1565, 1567, 1569, 1579, 1584 und 1598. Im Vorwort sagt er, da ihn als halber Niederländer die hochdeutsche Sprache etwas schwerer ankomme, sei die Arbeit nicht leicht gewesen, er habe sich aber auf Bitten der Herausgeber doch daran gemacht, weil er mit ihnen seit etlichen Jahren gut bekannt sei. Das bestätigt Sigmund Feyerabend 1569 in der Vorrede zu seiner Bibelausgabe in Oktav, als schreibt, neben anderen habe ihm Johan Heyden, mein guter Freundt, seinen willigen fleiß erzeyget, undt...zum besten sein verliehen Pfündlein in allem dienstlich anlegen wöllen. Die erste Ausgabe des Namenbuchs widmet er als Johannes Heyden, Eifflender von Dhaun am Neujahrstag 1565 den beiden Brüdern Jacob und Ulrich Rehlinger aus Augsburg. Euch aber Edle günstige liebe Herrn habe ich solche arbeit dediciren und unter E.E. Namen lassen in Truck außgehen, daß ich mich gern danckbarlich damit gegen E.E. vilfältigen gutthaten und Freundschafft mir unwirdigen etlich Jar her erzeyget, beweisen und anlassen wolte. Auch vergißt er nicht, ihnen ein Frohes Neues Jahr zu wünschen. Die beiden waren Söhne des 1547 verstorbenen Augsburger Bürgermeisters und Kaufmannes Ulrich Rehlinger und seiner uns oben schon begegneten Frau Ursula Gossembrot, die 1560 verstorben war. Vor allem Jacob Rehlinger ist als eifriger Schwenkfelder bekannt. Seinem Vater hatte er 1543 das Dorf Leeder bei Landsberg a. Lech abgekauft und nahm dort seit 1552 auch seinen ständigen Wohnsitz. Damit wurde Leeder in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einem Zufluchtsort für viele Schwenkfeldanhänger.

Für die zweite Ausgabe des Namenbuchs hatten die Herausgeber ein kaiserliches Privileg gegen unbefugten Nachdruck erlangt und zum Dank widmet Johann sein Werk Kaiser Maximilian II. als Aller Unterthänigster Johan Heyden von Kälberg mit Schreiben vom 8. Sept. 1567. Anscheinend benutzte Johann die Herkunftsbezeichnungen Daun und Kelberg nebeneinander. Der Bibel von 1560 hatte man auch eine separate Ausgabe der in ihr enthaltenen Holzschnitte an die Seite gestellt, die vor allem für die weniger Gebildeten und des Lesens Unkundigen gedacht war. Damit sollte ihnen die biblische Geschichte und das Heilsgeschehen anschaulich und leichter verständlich gemacht werden. Diese Bilderbibel erfuhr 1565 eine Neuausgabe mit dem Titel Newe Biblische Figuren. Die ungemein lebendigen Abbildungen hatte der aus Salzburg stammende Maler Hans Bocksberger d. J. angefertigt und der berühmte Holzschnitzer Jost Amman aus Zürich danach die Holzschnitte gefertigt.

Johann Heyden leitet das Werk mit einem Gedicht An den Christlichen Läser ein. Er rechtfertigt das Werk mit einem Hinweis auf den Kirchenlehrer Gregor den Großen, der den Bilderstürmern entgegengehalten hatte, christliche Bilder hätten sowohl ihren Sinn als auch ihre Berechtigung, indem sie für Menschen, die nicht lesen könnten, das seien, was die Bücher für Gebildete sind. Johanns etwas holprige Verse beginnen:

Gregorius, der alt Scribent/ Macht an eim ort ein solch Comment/ Das die Bilder und das gemäl/ Der Leyen bücher sind on fäl/. Die Drucker Sigmund Feyerabend und Jörg Rab hätten sich darüber Gedanken gemacht und die bedeutsamsten Szenen der Bibel bildlich darstellen lassen: In schön Figurn, sichs nur recht an. Welche Johann Bocksperger gnannt/ und Joß Amman zugrichtet hand/ die beyde durch ir herrlich kunst/ erlangen weit und breit vil gunst. Er legt dann das Werk den Malern, Goldschmieden und

Bildhauern ans Herz, die daraus viel lernen könnten und empfiehlt sich beim Leser mit den Worten: Nimms an für gut/ Bewar dich Gott in gsunder hut.

Johann Heyden im Dienst des niederländischen Juristen, Politikers und Theologen Aggäus von Albada

Vor kurzem nun hat der renommierte Schwenckfeldforscher Dr. Heinz-Peter Mielke ein kompendiöses Werk über das süddeutsche Schwenckfeldertum veröffentlicht, worin sich weitere wichtige Hinweise zur Lebensgeschichte Johann Heydens und seines Bruders Nikolaus finden.3 Vor allem die bisher unbekannte langjährige Beziehung Johann Heydens zu dem niederländischen Juristen und Politiker Aggäus Albada (1525-1587) und Johanns Tod 1583 in Köln wurden von Mielke aufgedeckt.

Aggäus von Albada entstammte einem alten westfriesischen Geschlecht.4 Er hatte die Rechte in Bourges studiert und war zunächst Rat am friesischen Hof in Leeuwarden. 1561 wurde er auf den Einfluss seiner prominenten Verwandten Joachim Hopper (1523-1576) und Viglius van Zwichem (1507-1577) hin als Beisitzer des Burgundischen Reichskreises an das Reichskammergericht nach Speyer entsandt. Der Jurist Hopper war ein Vetter des Aggäus und wurde 1566 von König Philipp II. als Staatsekretär für die niederländischen Angelegenheiten nach Madrid berufen. Viglius war Botschafter Kaiser Karls V. gewesen und wurde später Präsident des Staatsrates in den spanischen Niederlanden. Er war ein Onkel von Albadas erster Frau Jets van Aytta (1538-1567). Mit Jets hatte er die zwei Söhne Seerpt (†1573) und Aggäus Jr. (1566-1610). Die zweite Ehe mit Anna Mockema blieb kinderlos und beide lebten bereits 1581 getrennt. In Speyer wurde Albada mit der Lehre Schwenckfelds näher bekannt, zumal der Speyerer Bischof Marquard von Hattstein (1529-1581) nach Schwenckfelds Tod 1561 die geistige Führung der Bewegung übernommen hatte. Seine schwenckfeldische Gesinnung blieb nicht verborgen, obwohl er sie nicht öffentlich machte, und so wurde er schließlich bei den Spaniern denunziert, die seine Entlassung forderten. Auf den Rat seines Cousins Hopper und des Onkels Viglius hin legte er im Frühjahr 1571 freiwillig sein Assessorat nieder, um Schlimmeres zu verhüten. Es drohte ihm ansonsten ein Verfahren vor der spanischen Inquisition und die Konfiszierung seines Vermögens in den Niederlanden.

Ausschnitt aus dem gedenkblatt auf Kaspar Schwenckfeld und seine Anhänger, 1562 (Orig. Tübingen, Bibl. d, Ev. Stiftes, Nr. f. 151-2

Dennoch wurden seine Güter in der Heimat mit Beschlag belegt und erst 1588 seinem gleichnamigen Sohn zurückgegeben. Es ist anzunehmen, dass Heyden und Albada sich anfangs der 70er Jahre kennengelernt haben, nachdem Heyden die 60er Jahre weitgehend in Frankfurt verbracht hatte. Nach seiner Speyerer Zeit trat Albada im Sommer 1571 in den Dienst des Würzburger Bischofs Friedrich v. Wirsberg (1507-1573) als rechtsgelehrter Rat. In seinem Vertrag hatte er sich von Bischof und Domkapitel ausbedungen, dass er wegen seiner schwenckfeldischen Religion nicht belästigt werden dürfe. Gleichwohl versuchten die Jesuiten ihn zu bekehren, was er sich energisch verbat. Auch unter dem Nachfolger Julius Echter von Mespelbrunn (1545-1617) blieb er zunächst in Würzburg, quittierte aber 1576 seine Anstellung wohl aus religiösen Gründen und verlegte seinen Wohnsitz nach Köln. Heyden wurde sein Privatsekretär und Vertrauter. Er betreute seine Korrespondenz und schrieb auch selbst Briefe in seinem Namen. So am 25. Februar an Simon van der Beill, als er mit Johannes Theophilus van der Heyd unterschreibt. Auch erledigte er für Albada Aufträge nach auswärts und besorgte ihm etwa Wein von der Mosel, den Albada liebte. So war er auch Ende 1581 bereits seit mehr als drei Monaten für Albada unterwegs und Albada wusste nicht, wann er zurückkehren würde. Ebenfalls wird er Albada bei seinen Reisen und zu seinen Kuraufenthalten begleitet haben, etwa im Sommer 1582 nach Langenschwalbach im Taunus, das dieser wegen seiner Nierensteinbeschwerden aufsuchte.

Im Mai 1579 begann in Köln ein Kongress, der unter der Leitung kaiserlicher Kommissare eine friedliche Lösung im Konflikt zwischen Spanien und den abtrünnigen Niederlanden herbeiführen sollte. Kaiser Rudolf II. (1576-1612) hatte die Parteien an den Verhandlungstisch gezwungen. Albada wurde zu einem der Hauptbevollmächtigten und Wortführer der niederländischen Provinzen berufen. Leidenschaftlich kämpfte er für ein friedliches Nebeneinander der religiösen Bekenntnisse. Politisch hatte er eine klare Vorstellung von der Volkssouveränität und den jedem Bürger von Geburt an zustehenden unveräußerlichen Rechten.

Aber die religiösen Gegensätze waren zu groß und die Maximalforderungen der Parteien waren unmöglich unter einen Hut zu bringen. So scheiterten die Verhandlungen Ende 1579 gänzlich und hatten zudem die alsbaldige Spaltung der südlichen katholischen und nördlichen protestantischen Provinzen der Niederlande zur Folge. Albada blieb nur noch, die Verhandlungsprotokolle zusammenzustellen und im Druck herauszugeben.5

Neben seiner juristischen Arbeit betätigte sich Albada auch als Theologe. So studierte er eifrig die Bibel und die Schriften Schwenckfelds und Valentin Krautwalds. Er stand in brieflichem Kontakt mit Theodor Beza (1519-1605) und Men-so Alting (1541-1612). 1582/83 führte er eine literarische Auseinandersetzung mit dem Leidener Theologieprofessor Lambert Danaeus (um 15301595) über die äußerliche Kirche Gottes und die Anbetung des Fleisches Christi, in der ihn Johann Heyden nach eigenen Worten unterstützte. Nach dem Scheitern des Friedenskongresses behielt Albada seinen Wohnsitz in Köln bis zu seinem Tod 1587 bei. Auch Johann Heyden blieb in seinen Diensten und seiner Nähe. Er trieb wie Albada bis zuletzt eigene theologische Studien, wie seine Arbeit an einem Psalmenkommentar beweist.

Johann Heydens Tod in Köln 1583

In einem lateinisch abgefassten Brief aus Köln vom 12. Januar 1583 an den Speyerer Stadtarzt David Eisenmenger, der wie sein bekannterer Bruder Samuel Eisenmenger gen. Siderocrates, auch ein Anhänger der Lehre Schwenckfelds war, schildert Albada immer noch aufgewühlt und unter Tränen den Tod Johann Heydens vier Tage zuvor in aller Ausführlichkeit. Der Brief erschien bereits 1874 im Druck, aber an etwas entlegener Stelle und erst Dr. Mielke hat ihn mit Johann Heiden in Verbindung gebracht.6 Die wichtigsten Passagen daraus sollen in deutscher Übersetzung mitgeteilt sein.

„Sei gegrüßt!... Welchen Schmerz ich durch seinen Tod erfahren habe, auch wie vielen Trostes und menschlicher Hilfe ich nunmehr beraubt bin, wirst gerade du, der du weißt, welch vertrauten Umgang wir so viele Jahre miteinander hatten, leicht ermessen können. Während er mitten in der Arbeit zu seinem Psalmenkommentar war und bereits bis zu dem Punkt gelangt war, an dem die heiligmässigen Männer VC (=Valentin Crautwald) und CS (=Caspar Schwenckfeld) ihren Kommentar beendet haben, begann er sich schlecht zu fühlen. Am 19. Dezember befiel ihn ein hefliger Schmerz in den Seiten. Der am nächsten Tag zu Rate gezogene Dr. Birckmann7 nahm sofort einen Aderlass vor und gab ihm ein Mittel gegen den Schmerz. Danach wurde er überhaupt nicht mehr frei vom Fieber, welches der Arzt als ein „hektisches" bezeichnete.

Er blieb aber außerhalb des Bettes, damit er nichts von seinen frommen Übungen - auch nachts nicht - versäume. Denn bis zum 6. Januar gab es keine Nacht, in der er sich nicht zum Gebet angekleidet hätte und tagsüber stand er immer auf, um meinen Traktat zu prüfen und zu korrigieren, den ich gegen das Buch des Lambert Danaeus über die Verehrung des Fleisches Christi geschrieben habe. Eines Tages sagte er mir, er habe den Auftrag dazu vom Herrn empfangen, da er überzeugt sei, durch die Arbeit mit mir am Traktat werde er seine Gesundheit wiedererlangen.

Deshalb konnte ihn auch niemand zu mehr Ruhe bewegen, doch Unterhaltungen mit Freunden verweigerte er, nur damit er nicht von seiner Arbeit abgehalten werde aber auch weil er wegen Trockenheit der Zunge nur mühsam sprechen konnte."

Im folgenden berichtet Albada Eisenmenger von einem Traum, den er in der Nacht dieses 6. Januar hatte. Die darin vorkommenden Ereignisse hatte er in Verbindung mit dem nahendem Tod Johanns gebracht. Hierüber erschrocken war er aufgewacht und hinunter zu Johann gegangen, dem er seinen Traum erzählte.

„Dieses unterbreitete ich ihm unter Tränen. Er aber antwortete nichts darauf, sondern bat, dass ich ihn aufrichten und ihm den Brustlatz anziehen möchte. Dann betete er im Bett sitzend die Fürbitten und den Psalter und hieß uns für etwa eine Stunde hinauszugehen. Danach kleidete er sich ganz an und wollte zu seiner angefangenen Arbeit zurückkehren. Aber er konnte nicht mehr länger lesen und kaum den Schreibgriffel handhaben. Deshalb legte er sich ausgezogen wieder hin, stand danach auch nicht wieder aus dem Bett auf, sondern wurde von Tag zu Tag schwächer. Sodann erlitt er in der Nacht des 8. Januar mehrfach eine Bewusstlosigkeit und in der zweiten Nachtstunde riefen mich die Frauen, die Wache hielten, weil sie Angst hatten, er würde nicht mehr atmen und ich ging mit meinem Sohn zu ihm. Dort sprach ich unter anderem „Herr Jesus, nehme meinen Geist auf" und ähnliches und frug ihn, ob er nicht die Gegenwart Jesu in seinem Herzen spüre. Er nickte, faltete seine Hände und erhob sie in die Höhe. Er befahl, ihn aufzurichten und nahm meine rechte Hand in seine rechte und die rechte Hand meines Sohnes, der auf der anderen Seite zu seiner Linken stand. Er bewegte etwas die Lippen, konnte aber nicht sprechen. So frug ich ihn, ob er uns nun Jesu Christ empfehlen wolle und er nickte.

Darauf nahm er von seinem Hals ein Bild Christi ab, das ihm einst ein frommer Mann geschenkt hatte. Zuvor hatte er es während seiner Krankheit nie abgenommen, er hielt es in der Hand und küsste es wiederholt. Die dabeistehenden Frauen frugen ihn, ob er es mir geben wolle, weil wir beide vor lauter Tränen nicht sprechen konnten. Er verneinte, warf seinen Blick auf meinen Sohn und reichte es ihm. Danach ergriff er den Ring an seinem Ringfinger, den er zu tragen pflegte und der aus drei kleinen Ringen gefertigt war. Er zog ihn von seinem Finger und es hatte den Anschein, dass er ihn mir geben wollte.

Darauf wurde er wieder bewusstlos und legte sich zurück. So lag er mit dem Tode kämpfend bis zur dritten Morgenstunde, wobei er mehrfach ausrief: „Ach Herr, Ach Herr Jesu!" Zuletzt, gleichsam im Augenblick des Todes, hauchte er leise mit gefalteten und zum Himmel erhobenen Händen seine Seele aus. Drei Tage später haben wir seinen Körper ehrenvoll bestattet. Damit kennst du nun, liebenswertester Mann, in Kürze die Krankheit und den Tod unseres Johann, was ich dir nicht ohne viele Tränen schreiben konnte."

Zuletzt bittet er David Eisenmenger, er möge Johanns Brüdern und auch seinem Bruder Samuel die Todesnachricht überbringen. Johanns Brüder, die Zwillinge Adam und Nikolaus, waren damals also noch unter den Lebenden. Als Kaspar Schwenckfeld 1561 gestorben war, erschien ein Jahr später ein aufwändig gestaltetes Gedenkblatt, auf welchem Schwenckfeld und seine Lehre bildlich dargestellt sind. Ihm gegenüber stehend ist die Schar seiner engsten Anhänger abgebildet. In dem Anführer derselben, gekennzeichnet mit dem Monogramm HD unter dem rechten Ellbogen, ist vermutlich Johann Heyden von Daun zu sehen.8

Anmerkungen:
1 KREISJAHRBUCH DAUN 2005, S. 243-248; KREISJAHRBUCH DAUN 2006, S. 213-218; Vgl. auch SCHMITT, HEINZ, Adam, Johann und Nikolaus Heyden, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon XXIV (2005), Sp. 835-845
2 GRITSCHKE, CAROLINE, Via media, Spirituelle Lebenswelten und Konfessionalisierung beim süddeutschen Schwenckfeldertum im 16. u. 17. Jahrhundert, Berlin 2006, 34f., 111, 179, 208 (Colloquia Augustana 22)
3 MIELKE, HEINZ-PETER, Kirche im Geheimen. Orthodoxes und liberales Schwenckfeldertum in Süddeutschland und seine Auswirkung auf Geistesgeschichte und politisches Handeln
in der Spätrenaissance, Nordhausen 2013, 2 Bde.; Vgl. auch DERS., Schwenckfeldianer im Hofstaat Bischof Marquards von Speyer (1560-1581), in: Arch. mrhein. Kirchengesch. 28 (1976), S. 77-82 und DERS., Die Niederadligen von Hattstein, Wiesbaden 1977 (Veröff. Hist. Komm. Nassau 24)
4 Zu Albadas Leben vgl. DE HAAN HETTEMA, MONTANUS, Levensberigt van Aggaeus Albada, in: De Vrie Vries 5 (1850), S. 313-337; LOSSEN, MAX, Aggäus Albada, in: Theol. Lit.blatt 10 (1875), 218-222; DERS., Aggäus Albada und der Kölner Pacificationscongress im Jahre 1579, in: Hist. Taschenbuch, 5. F., 6 (1876), S. 277-362 und BERGSMA, WIEBE, Aggaeus van Albada, Diss. Groningen 1983
5 Acta pacificationis Coloniae habita, Antwerpen 1580
6 FRIEDLÄNDER, ERNST (Hrsg.), Briefe des Aggaeus de Albada an Rembertus Ackema und andere aus den Jahren 1579-1584, Leeuwarden 1874, Nrn. 34, 49, 59, 63, 64, 71. (Für den Hinweis hierauf sei Dr. Mielke besonders gedankt.)
7 Bei Dr. Birckmann handelt es sich um den bekannten Kölner Arzt und Paracelsusanhänger Theodor Birckmann (15361586), Sohn des berühmten Kölner Buchhändlers Arnold Birckmann.
8 Ein Exemplar des Gedenkblattes befindet sich in Tübingen, Bibl. d. Ev. Stiftes, Nr. 151-2. Abgebildet bei BUBENHEIMER, ULRICH, Rezeption u. Produktion nonkonformer Literatur i. einem protest. Dissidentenkreis d. 17. Jh.'s., in: DIETER FAUTH/ DANIELA MÜLLER, (Hrsg.), Religiöse Devianz in christl.