Schalkenmehren, Dorf der Rebellion?

Ortsbürgermeister Peter Hartogh, Schalkenmehren

Die Jahre von 1780 bis 1784 waren sehr niederschlagsarm und der Wasserspiegel des Schalkenmehrener Maares sank erheblich. Dies veranlasste den Betreiber der Schalkenmehrener Mühle, Ludwig Wahlen, am 15. September 1784 einen Brief an den kurtrierischen Amtskellner Augustin Knoodt in Daun zu schreiben.

Das Mühlrad wurde durch den Auslauf des Maares gespeist. Im Herbst wurde das Wasser des Maares angestaut, um im Winter genügend für den Mühlenbetrieb zu haben. Der Brief sollte der Anfang eines Stollenbaus zwischen dem 64 Meter höher liegenden Weinfelder Maar und dem Schalkenmehrener Maar sein, um Wasser ableiten zu können und den Mühlenbetrieb zu sichern.1 Tatsächlich wurde der Stollenbau vollendet, aber die Schalkenmehrener waren damit nicht einverstanden, aus welchen Gründen auch immer.

Schon im Juli 1785 schrieb Amtskellner Knoodt an den Schalkenmehrener Bürgermeister Johann Peter Müller und beschwerte sich darüber, dass heimlich die Schleuse am Weinfelder Maardamm geöffnet worden sei. Die mündliche Überlieferung berichtet, dass die Bürger von Schalkenmehren über Nacht den Tunnelbau zum Einsturz brachten und dem Müller Wahlen sogar mit dem Tode drohten. Müller Ludwig Wahlen verkaufte die Mühle, der Durchbruch durch den Maarsattel war wieder verschlossen und somit blieb das Weinfelder Maar in seiner Schönheit der Nachwelt erhalten. Nicht nur das Weinfelder Maar, sondern auch der friedlich liegende Friedhof um die Weinfelder Kapelle war Ausgangspunkt eines heftigen Streites zwischen dem damaligen Trierer Bischof und Pastor Anton Rausch, von 1861 bis 1867 Pfarrer von Schalkenmehren. Der Bischof wollte die Kirche wegen der Baufälligkeit abreißen lassen und den Friedhof schließen. Dies soll Pfarrer Anton Rausch so in Rage gebracht haben, dass er voll des Zornes und mit Wut den Bischof kurzer Hand über die Friedhofsmauer geworfen haben soll. Vielleicht hat dieser aber auch nur auf der Mauer stehend das Gleichgewicht verloren. Jedenfalls wurde Pfarrer Anton Rausch seines Dienstes enthoben, las aber, weil bei den Schalkenmehrenern sehr beliebt, weiterhin die Messe in der alten Scheune von Schmitz-Baltes. Die Kirche und der Friedhof Weinfeld blieben den Schalkenmehrenern durch vielerlei glückliche Umstände bis heute erhalten und Dank der Initiative von Pfarrer Konter, der die wiederhergestellte St. Martins Kapelle am 27. September 1887 feierlich einsegnete, ist dieser historische Ort bis heute eines der beliebtesten Anlaufziele in der Vulkaneifel.

Dieses trifft auch für den Maarsattel zwischen Schalkenmehrener und Weinfelder Maar zu. 1932 war dieser in großer Gefahr, als ein zugezogener Unternehmer Namens Schwickerath sich eine Baugenehmigung für eine Restauration erschlich und die Bauarbeiten sehr schnell begangen. Dieser hatte aber nicht mit dem Widerstand der Schalkenmehrener und der umliegenden Bevölkerung gerechnet. Über Nacht wurden die Mauern eingerissen, es fanden Kundgebungen statt, und man schrieb nach Berlin. Das Ergebnis war die Unterschutzstellung der Maarlandschaft um Schalkenmehren, (fälschlicherweise Naturschutzgebiet „Dauner Maare" genannt). Zu dieser einzigartigen Landschaft der Vulkaneifel gehört der „Hohe List", der mit seinen 549 Metern Höhe, majestätisch umgeben von trockenen und Wasser gefüllten Maaren, die Gemarkung Schalkenmehren prägt. Dieser wunderbare Aussichtspunkt beherbergt im Inneren kostbares Vulkangestein, das seinerseits die Begierde von Abbau freudigen Unternehmern weckte.

Viel Lavagestein wurde nach dem Krieg 1952 für den Flugplatz Hahn angefordert. Zum Glück wies ein Dauner Astronom auf die exponierte Lage des Berges für eine Sternwarte hin. Sternenklare Nächte im angeblich sonnenreichsten Ort der Eifel waren prädestiniert für diese wissenschaftliche Einrichtung. So bekamen die Aktionen der Bevölkerung, unterstützt von Institutionen wie Eifelverein und Rheinischer Verein für Denkmalpflege, unerwartet Beistand, und die Sternwarte der Universität Bonn wurde Wirklichkeit. Der „Hohe List" wurde also mit einer List erhalten! Die wirtschaftlich schwierige Lage und die wenig ertragreiche Landwirtschaft verleiteten die damals Verantwortlichen, ein neues Standbein in Form von Camping- und Zeltplätzen am südlichen Maarufer anzubieten.

Als aber im Jahr 1988 diese Aufenthalts- und Übernachtungsform durch einen Bebauungsplan in ihrer Gesamtheit legalisiert werden sollte, rief es die Naturfreunde auf den Plan. Durch die Bildung der Bürgerinitiative „Rettet das Schalkenmehrener Maar" kam es zu heftigen Auseinandersetzungen in der Bevölkerung, was schließlich zu einem Umdenken führte und das Umweltbewusstsein für die Wertigkeit der Maare und ihrer Umgebung entscheidend veränderte.

So kam es zu einem neuen Traditionsdenken, das in Folge den Neubau einer Aussegnungshalle verhinderte.

Im ersten Bürgerbegehren in Rheinland-Pfalz entschieden sich die Bürger für den Erhalt der bisherigen Aufbahrungsstätte, direkt neben dem Kirchenportal.

In der Begründung heißt es: „Es ist, als wollten und sollten die Toten noch einmal sehr nahe bei ihrer vertrauten Gemeinde, in der Geborgenheit der Gemeinde sein." Der Verzicht auf einen kostspieligen Neubau war eine weitsichtige Entscheidung der Schalkenmehrener, da inzwischen eine Urnenbestattung immer häufiger wird und Schalkenmehren so liebens- und lebenswert ist, dass jährliche Todesfälle an einer Hand aufzählbar sind. Auch der Erhalt der Straßenüberführung, die dem Maare-Mosel-Radweg dient und mit dem Bahnhof und dem Bahnwärterhaus (erbaut auf den Fundamenten einer römischen Villa) ein einzigartiges Zeugnis vergangener Eisenbahnkultur bildet, ist den engagierten Bürgern von Schalkenmehren zu verdanken. Ein geplanter Abbruch wurde unterbunden, die Sicherheit der Fahrradfahrer gewährleistet, und die bestehende Verkehrsberuhigung blieb erhalten. Die heftigen Diskussionen und Auseinandersetzungen konnten allerdings nicht verhindern, dass die Dorfgemeinschaft bis heute immer wieder zusammenfindet und ein Beispiel für Lebendigkeit, Demokratie und Zusammenhalt ist.

Die letzte Aktion war der erneute Versuch, den Maarsattel zu durchbohren. Es sollte ein gefahrloser Übergang vom Parkplatz Weinfelder Maar zur Aussicht Schalkenmehren Maar geschaffen werden.

Der „Tunnelblick" bleibt den Besuchern Dank vieler Akteure erspart und - voll im Lichte der Schönheit der beiden Maare - genießt man die Einzigartigkeit der Vulkaneifel.

Schalkenmehren, die Krone der Vulkaneifel, mit den Maaren als seinen Kronjuwelen, wird weiterhin engagiert den Glanz seiner Kostbarkeiten erhalten. Dank den aktiven Bürgern, den Naturschutzorganisationen, den geldlichen Förderern auf allen Ebenen!

Anmerkung:
1 s.auch Heimatjahrbuch 2002 Kreis Vulkaneifel Seite 120 ff.