Wenn einer eine Reise tut

Reiseinstruktion für den Grafen Heinrich Josef Martin Dietrich

Alois Mayer, Daun

Der Großvater des berühmten Feldmarschalls und Fürsten Leopold von Daun war Wilhelm Anton von Daun (1671-1706). Als junger Mann hatte er die Burg seiner Ahnen inmitten der Kreisstadt Daun verlassen und sich in österreichische Dienste begeben. Dort gelangte er rasch zu Macht und Ansehen, zu Ruhm und Ehre. Er erhielt für sich und seine Kinder den vererbbaren Titel Reichsgraf. Von ihm ist u.a. eine Urkunde erhalten, in der er seinem Sohn Heinrich väterliche Reiseanweisungen erteilt, die einen interessanten Einblick in höfisches Verhalten und gräfliche Erziehung bietet. Heinrich Josef Martin Dietrich wurde am 1. September 1678 in Wien geboren. Er war das achte Kind von zwölfen. Kurz vor seinem 20. Geburtstag und vor dem Beginn seines Studiums bekam er von seinem Vater Wilhelm Anton eine Europareise geschenkt, die ihn auch in die Heimat seiner Vorfahren führen sollte. Solche standesgemäßen Kavaliersreisen, besonders ins Ausland, waren zur damaligen Zeit quasi ungeschriebenes Gesetz und galten als unerlässlich für die Bildung eines jungen adligen Mannes. Wie diese Reise vonstatten zu gehen hatte, wurde vertragsgemäß festgelegt. In diesem Vertrag gab der Vater sowohl seinem Sohn Heinrich Josef Martin Dietrich als auch dessen Begleitern, dem Hofmeister Herrn Franz von Eib und dem Kammerdiener (= Pagen) Johannes Bidennas, genaue Anweisungen, wie adlige Etikette zu handhaben war und wie sie sich auf dieser Reise zu verhalten und bei Gastgebern aufzutreten hatten Die Urkunde (hier in moderner Zeichensetzung und mit Anmerkungen in *) wurde am 26. Mai 1698 in Prag verfasst. Auffallend in ihr sind viele französische Wörter. Im Sprach- und Schriftgebrauch des kommenden Jahrhunderts nehmen diese noch stärker zu. Es galt im deutschen Kaiserhaus, an den Königs- und Fürstenhöfen als „schick" und vornehm, französisch zu sprechen, zu lesen und zu schreiben, auch wenn Frankreich als Nation abgelehnt und von den meisten als Feindesland betrachtet wurde. Deutsch wurde als eine minderwertige Sprache angesehen.

Die Urkunde

„Instruction Vor Meinen Sohn Heinrich den Jüngeren, dessen Hofmeistern, Herrn: Von Eib, undt Cammerdiener oder Pague.

1. Erstlich soll mein Sohn, sambt seinen Hoffmeister undt Bediente, sich der Gottesforcht Befleissigen, auffs wenigste alle Monath einmahl Beichten undt Communiciren.

* Dies zeugt zum einen von dem frommen und katholischen Charakter der Familie Daun, über die sich später der preußische „Alte Fritz" häufig lächerlich machte, und zum anderen ist es Hinweis auf die damals übliche Beicht- und Kommunionpraxis.

2. Den Vatterlichen Gehorsamb undt Respect auff alle weiß Beobachten, damit Ihme der Vatterliche Seegen Verbleibe, undt die Malediction (= Fluch) nit erfolge, wo Er an Leib undt Seel, haab undt gueth zu Grundt gehen mögte, undt also in allem fleissig nachleben, waß Ihme sein Herr Vatter Befilcht undt Verordnet.

* Hinweis auf das Einhalten des 4. Gebotes „Du sollst Deine Eltern ehren" und die strenge Hierarchie einer patriarchalisch ausgerichteten Familie.

3. Unter währender dieser Raiß solle mein Sohn nichts Vorkheren noch Vornehmen, ohne approbation (= Erlaubnis) seines Hoffmeisters, sondern dessen Rath in allen gueten folgen.

* Heinrich Josef war noch nicht volljährig und daher vom beauftragten Hofmeister abhängig.

4. Sich aller gueten Gesellschafft, undt zu Höhern alß er selbsten associiren (= anschließen), auffs wenigste zu seines gleichen; dann mit dennen Höhern erwirbt man alle Zeith mehr Ehr, Und

5. Verlihrt zue keiner Zeith was.

* Spürbar die Befürchtung des Vaters vor Ehr- und Prestigeverlust im Umgang mit niederen Ständen und sein Ehrgeiz, durch freundschaftliche Beziehungen zu ranghöheren Ständen größere persönliche Anerkennungs- und Aufstiegsmöglichkeiten zu gewinnen.

6. Die grosse gesellschafften, sowohl der Cavagliere alß Dames suechen, hingegen die Winckel- Undt Heimbliche Gesellschafften auf alle weiß meiden.

Daun um 1840, Stich nach Winkles

7. Sich auf keinerlei weise in ein Ehe Versprechnus mit einige Persohn, Sie seye wehr Sie wolle, ein Zulassen; Bei Verliehrung deß Vätterlichen Erbtheils undt Seegens.

* Eltern bestimmten und wählten für ihre Kinder einen Ehepartner bereits während derer frühesten Kindheit; hätte der Sohn ohne Wissen des Vaters einer Frau die Ehe versprochen, hätte er den väterlichen Segen verloren und wäre sofort enterbt und mit einem elterlichen Fluch belegt worden.

8. Gegen die Höhern, id est Fürstliche Standts Persohnen, mueß man nit gar zu demütig seyn, damit Sie einen nit Verachtlich halten; gegen seines gleichen - gleich; undt gegen die weniger -höfflich undt demüthig, doch mit Conservirung seines Respects.

* Der Aufbau und das Verhalten innerhalb der einzelnen Stände ist erkennbar und war klar geregelt.

9. Deß Bühlen undt Buhlens sich auf alle weiß zue enthalten.

* Bühlen und Buhlen = mit niemandem ein Liebesverhältnis eingehen.

10. Keine Händel an Zuefangen, Hingegen auch nichts zue erdulden, damit man nit an Ehr undt reputation leide, undt Bey der welt verächtlich werde.

* Grundsätzlich sprach also nichts gegen ein Duell bei persönlichem Ehrverlust oder Rufschädigung; christliches Verzeihen oder Erdulden

1640 - Weinmarkt um Mainufer Foto: www. frankfurter-markthaendler.de

von Schmach und Kränkung wären fehl am Platz und als Feigheit angesehen gewesen, was einem die Karriere am Hofe verscherzt hätte.

11. Die Duell in Frankreich, Holland undt Engelandt seindt auf alle weiß zue meiden, weil aldar destwegen einen schaffen undt Kurtzen process macht, wordurch eine gantze Familie in Schandt undt Spott gerathen kann; sondern wan es ja seyn müste, so ist der Adversarius (= Gegner) in die Spanische Niederlande oder auff den Reichs Boden zu Verbeschaiden.

*Die Duell-Gesetze waren in Frankreich, Holland und England sehr streng und wurden mit Haftstrafen verfolgt. Zudem hätte die Rechtsprechung in diesen Ländern, die nicht mit Österreich verbunden waren, zu großen politischen und diplomatischen Problemen geführt. Anders sah es natürlich in den spanischen Niederlanden aus, dem heutigen Luxemburg und Belgien, die unter österreichischer Regierung standen; das gleiche galt für das Reichsgebiet, in dem der österreichische Kaiser seine Rechtsprechung und schützende Hand über Adlige halten konnte.

12. Dann solle mein Sohn Undt dessen Hoffmeister mit dem Ihnen mitgegebenen Geldt (so zwey Tausendt Gulden) Klueg undt wirdtlich umbgehen, auff das Sie darmit die Vorgeschriebene Vier Monath Subsistiren (= Lebensunterhalt bestreiten) können; wie dan der Hoffmeister nichts außgeben solle, ohne Vorwißen seines Jungen Herrn Meines Sohns, welcher ebenfahls alle Außgaben auffnotiren solle, damit Sie mier Beede Ihre Rechnungen Bey Ihrer Rückkunfft Vorzeigen können, auf daß ich sehe, ob sie Ueber einstimmen. So haben auch über den Empfang dieser 2000 Gulden sowohl mein Sohn alß der Hoffmeister zu quitiren; undt Bleibt die Direction Bey dem Hoffmeister, jedoch alles mit Vorwissen seines Jungen Herrns.

* Dadurch war eine doppelte Kontrolle gegeben: Heinrich Josef konnte keine Geld ohne seinen Hofmeister, und dieser nichts ohne Wissen und Zustimmung des jungen Grafen ausgeben. Beide führten genaue Ausgabenlisten, die der Vater wieder kontrollieren konnte. Mit den Ausgaben von 5,5 Gulden pro Tag pro Person - 2000 Gulden für drei Personen und vier Monate - konnte gut gehaushaltet werden, erst recht, da Übernachtung und Essen bei vielen unterwegs aufgesuchten Freunden und Verwandten kostenlos war. Um 1700 besaßen die 2000 Gulden etwa die Kaufkraft von heute 80 bis 100.000 Euro. Um diese Zeit verdiente ein Arzt z.B. 110 Gulden im Jahr, eine Magd hingegen 7 Gulden. Der Jahressold eines Soldaten betrug rund 13 Gulden, der eines Unteroffiziers rund 74 Gulden.

13. Zu Endung dieser 4 Monathen unfehlbahr Bey Verliehrung der Vätterlichen Gnadt, alß sub ultimo September (= am letzten Septembertag) wiederum hier zue seyn, umb die Studia Juridica (= Jurastudium) zue prosequiren (= fortzusetzen; weiter zu studieren), undt Versprochener maßen sich zue dennen Also zu appliciren (= befleißigen), damit Er Sie auch Defendi-ren (= verteidigen) Könne.

* Es sollte ja eine Studien- und Vorstellungsreise sein, für die vier Monate ausreichend sind und nicht eine Vergnügungsfahrt auf Kosten der Daun-Familie.

14. Unter wegs sollen sich alle drey in der Frandsösichen Sprach exerciren, undt nie Teutsch reden, Zue dem Ende dan auch Kleine Frantzösische Buecher mitnehmen, undt sich der lectur befleissen, sonderlich wan man Zue wasser geht, oder sonsten eine ociose Stundt (= Mußestunde) hat.

* Die deutsche Sprache war verpönt; französisch galt als vornehm und standesgemäß.

15. Mueß Man sich nit überall Vor einen Graffen außgeben, auch nit sagen, daß Er ein Rittmeister seye, sonderlich in frankreich; sondern

kan den Nahmen gebrauchen Von einer meiner Herrligkeith alß: Monsieur de Herot.

* Vater hatte Angst, dass sein Sohn aufgrund seines hohen Standes als Reichsgraf, besonders in dem Österreich feindlich gesinnten Frankreich, möglicherweise beraubt, gefangen oder erpresst werden könnte.

16. Ist zu gehen Von hierauß auf Nürnberg undt frankhfurth. Von dannen Zu wasser auf dem Marckschiff. Biß Maintz; aldar sich ein paar Tag aufzuhalten, Bey dem Herrn Hoff-Marschall Herrn Baron Von Schönborn Zu insinuiren (= sich vorstellen), mit Übergebung die-ses Brueffs (= Brief), undt selbig als Vetter tractiren (= zu behandeln), wie auch seinen Brueder den Maltheßer Herrn (= Bruder Michael von Daun war dem Malteserorden in Mainz beigetreten), alßdann kan man sich Bey Ihrer Churfürstlichen Gnaden durch den Herrn Hoffmarschall oder durch einen andern anmelden Lassen, Audienz nehmen, undt sich dessen Gnad recommendiren (= empfehlen); nicht weniger den Herrn Graffen Wallpott Von Passenheimb alß Vetter Zu Besuechen.

* a) Marckschiff = Marktschiff, ein Schiff für den Personentransport an Markttagen oder mit Einrichtungen für den Warentransport und -verkauf. Zwei Marktschiffe verkehrten regelmäßig zwischen Frankfurt und Mainz. Daraus ist die Bedeutung der Wochenmärkte erkennbar, dass - im Gegensatz zu anderen Schiffsverbindungen, die wöchentlich einmal befahren wurden - täglich ein Marktschiff talwärts nach Mainz fuhr und eines in entgegengesetzter Richtung. Auf den Marktschiffen herrschte ein jahrmarktähnliches Treiben, Musiker spielten, und es wurden Wein und andere Waren angeboten.

Reisen Marktschiff auf dem Main, 1770 Foto: www.rheinneckarblog.de

b) Der Mainzer Kurfürst Lothar Franz von Schönborn war verwandt mit Heinrichs Großmutter; es bestanden ebenfalls enge freundschaftliche Beziehungen zu dem Geschlecht der Walpots von Bassenheim bei Koblenz (Schreibweise ab dem 17. Jahrhundert „Waldbott"). Aus dieser Familie sind zahlreiche Persönlichkeiten hervorgegangen, darunter hohe Offiziere, Bischöfe und Politiker; auch wenn es keine echten Blutsvetter waren, wurden und werden alle auch weiter entfernt Verwandten als „Herr Vetter" oder „Frau Base" bezeichnet; gemeint war hier: Casimir Graf Waldbott (1642-1730), Mainzer Domherr. 17. Ueberall seinen competirenden (= zustehenden) rang als Reichs-Graff prätendiren (= angeben), oder Lieber Von den Mahlzeiten außbleiben. Man hat sich eben fahls Bey dem Herrn Feldmarschall Düngen zu präsentiren, Undt Ihme den titel Ihr Excelenz zu geben; Letzlichen auch Ihre Hochwürden Herrn Thum techant (= Mainzer Domdechant) Von Stadien Zu Besuchen.

Lothar Franz von Schönborn (1655-1729), Kurfürst - Erzbischof von Mainz, war verwandt mit Heinrichs Großmutter.

* a) Johann Karl von Thüngen - * 1648; † 1709 - war kaiserlicher österreichischer Generalfeldmarschall; vom Mainzer Kurfürst Anselm Franz von Ingelheim zum Oberkommandanten für die Festung Mainz bestimmt und mit Vater Wilhelm Anton von Daun bekannt.

b) Reichsfreiherr Christoph Rudolf von Stadion (* 1638; † 1700) war Domdechant, -propst und Hofratspräsident im Kurfürstentum Mainz. Im Gegensatz zu Punkt 15 legt der Vater aber hier größten Wert auf Einhaltung von Rang und Namen: wenn im kurmainzischen Gebiet sein Sohn nicht als „Reichsgraf' vorgestellt würde, sollte er erst recht nicht zu Empfängen oder Festessen gehen; dahingegen muss er die Anstandsregel lernen, dass bereits ein Feldmarschall - selbst ohne Adelstitel - mit „Ihre Excellenz" anzureden ist.

18. NB: auf dem Wasser ist sonderlich zu merken, damit man sich auf kein Unsicheres SchieffBegebe.

* Gemeint ist der Erhaltungszustand des Schiffes bzw. die Zuverlässigkeit der Besatzung.

19. Deß Weintrinkens ist sich Zu enthalten, Undt selbiges Ihmer Zue depreciren (= schlecht machen; meiden), umb so Viel mehr, weil Er ohne dem der hitzigen Krankheit (= Typhus) unterworffen ist.

* Heinrich Josef scheint kränklich gewesen zu sein und unter Fieberanfällen gelitten zu haben. Desweiteren resultiert des Vaters Alkoholverbot aus der Angst, dass seinem trinkungewohnten Sohn im Rausch eher körperlicher oder sächlicher Schaden durch die Schiffsbesatzung zugefügt werden konnte.

20. Von Maintz Zu wasser auf Coblenz, wo eben fahls der Churfürst als zu salutiren undt reveriren.

* Die Reise wird auch weiterhin mit Marktschiffen fortgesetzt; in Koblenz residierte der Trierer Kurfürst Johann Hugo, zu dem keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestanden. Aber als Lehnsherr über die Dauner Besitzungen war er eine einflussreiche Person, die aufzusuchen war, da von deren Wohlwollen die Dauner Grafen selbst in Österreich noch abhängig waren.

21. Dann ferners auf Cölln; gleichmässig Beym Churfürsten aldar audienz zu nehmen. dann sich Bey dem Herrn Commandanten Graffen Von Schellardt alß Vetter an Zumelden, sich Bey Ihme guetes raths zu erhohlen, Undt gegen Ihme eine guete Confidence (= vertrauliche Mitteilungen und weitere Verhaltensanweisungen) Zu nehmen.

* a) Kölner Kurfürst und Erzbischof war der Wittelsbacher Josef Clemens von Bayern. Wegen ihm brach 1689 ein Krieg aus, in dessen Folge die Eifel und fast alle Schlösser und Burgen, wie Bonn, Brühl, Hillesheim, Mayen, Ulmen, Daun usw. total zerstört wurden.

b) Beim Grafen von Schellardt handelt es sich um den Grafen Franz Kaspar Schellart von Obbendorf (1628-1701). Er war - ebenfalls wie der Dauner Graf Wilhelm Anton - in den Reichsgrafenstand erhoben worden, erhielt seine militärische Ausbildung in Österreich, be-fand sich jetzt in Köln und wurde zwei Jahre später Kommandant der kaiserlichen Truppen in Köln. Obwohl keine Blutverwandtschaft zu den Dauner Grafen bestand, wurde er mit „Vetter', als übliche Anrede zwischen Standesgenossen, vor allem beim Hochadel, angesprochen.

22. Von Cöllen nach Düßeldorff; ist ebenfahls Beym Churfürsten audienz zu nehmen, undt sich dessen Protection ebenfahls Zu recommendiren (= empfehlen); aldar sich auch Bey dem Herrn OberHoffMarschall, Herrn Baron Von Neßelrath, Ihrer Ehrbaren Frau Graffin Kinskyn, Herrn Vattern alß Vettern, auffZuhalten.

* a) Johann Wilhelm, Herzog von Jülich-Berg, war Kurfürst von der Pfalz und residierte in Düsseldorf.

b) Oberhofmarschall war Graf von St. Maurice, der im Dezember des gleichen Jahres zum Obersthofmarschall befördert wurde.

c) bei der Familie Nesselrode-Reichenstein wird sich der junge Dauner bei zwei Personen vorgestellt haben, sowohl bei Vater Graf Franz und bei dessen Sohn Bertram Karl. Beide hatten in diesem Jahr die Ämter eines bergischen Erbmarschalls, Landesdirektors und kur-kölnischen Geheimen Rates, sowie des Statthalter von Recklinghausen inne.

d) Gräfin Anna Theresia Kinsky war ebenfalls

Palast der Familie Daun-Kinsky in Wien, Stich von Salomon Kleiner um 1750; Steinmetzmuseum Kaisersteinbruch, Österreich Foto: Archiv Alois Mayer

eine geborene Nesselrode-Ehreshofen; „Herrn Vattern als Vettern" weist nicht auf ein direktes Verwandtschaftsverhältnis hin, sondern bezeichnet hier ein enges, vertrauliches Verhältnis zu dem Grafenhaus der Dauner in Österreich.

23. Von dorthen auß auf Ambsterdam nacher Haag, auff Andtwerpen undt Brüsel. Zu Brüsel Beym Churfürsten audienz Zu nehmen; den alten Prince Voudemont, undt Jungen, wan Er dar ist, Zu Besuechen; den duc d'avr, alß meinen alten guten freundt; den Gouverneur Monsieur le Comte Verling alß Bruedern des Herzogs Borneville; ingleich auch den Herrn Bruedern Graffen Von Borneville (= Bruder des Herzogs Bourneville), wan Er dar ist. Dan die Madame Marquise de lete, so den Herrn Obristen Marquis de lete gehabt hat (= Witwe), die gar eine Tugendtsahme dame ist.

* a) Maximilian II. Emanuel (* 1662; † 1726), seit 1679 Kurfürst von Bayern, war seit 1692 auch Generalstatthalter der Spanischen Niederlande und wohnte bis 1706 in Brüssel. b) Vater Graf Wilhelm von Daun hatte 1667 seine Grafschaft Falkenstein an Karl III., Herzog von Lothringen, verkauft, der sie seinem jüngsten Sohn Karl Heinrich (1649-1723), Prinz von Vaudemont, der zur Zeit in Brüssel lebte, zur Verfügung gestellt hatte.

24. Ist Zue Beobachten, daß man sich Bey allen diesen Höffen Bey den Ministern alß Hoffmarschall, OberCammerer usw. insinuiret (= vorstellt, vorstellen läßt), Undt durch dieselbe audienz Begehret.

25. Ist sich einer assurence (= zuversichtliches, sicheres, aber höfliches Auftreten) Bey Vornehmen Herrn Zu Befleissen; auch einiger discursen über Tafel (= Gespräche während des Essens), wan Sie mit einer Modestie (= Bescheidenheit) Können Vorgebracht werden.

26. Zu Brüsel ist auch der Fürst Taxis Zu Besuechen; nit weniger der Fürst d'Uros; undt seynd alle Von mier Zu Grüssen, ausser den Churfürstlichen Persohnen, welches wieder den respect währe.

* a) Anselm Franz von Thurn und Taxis (*1681; † 1739) war von 1714 bis 1739 Generalerbpostmeister und Leiter der Kaiserlichen Reichspost in Brüssel.

b) Da Graf Wilhelm von Daun mit dem übrigen kurfürstlichen Personen nicht persönlich bekannt war, wäre es ein Verstoß gegen höfische Etikette gewesen, ihnen von sich aus einen Gruß zu entbieten, da diese in der Standeshierarchie weit über einem Grafen stehen. Bei Hof hielt man artig den Kopf gesenkt, wartete, dass man vorgestellt wurde und antwortete den kurfürstlichen Personen nur, wenn diese persönlich fragten oder fragen ließen.

27. Von Brüsel auf Pariß. Von dar durch Calais auf Londen. Von Londen wieder Zu rükh auf Calais, Pariß undt Brüsel, oder wan sichere gelegenheith ist, von Londen auf Nieport (= Newport, englische Hafenstadt). Von dar auf Ostenden: alldar sich Bey dem Burgermeister an zumelden, undt derselbe meinethalben freundtlich Zu grueßen. Von Ostenden wieder auf Brüsel, auf Cöln, Undt von dannen auf Blankenhaimb den Herrn Grafen Von Manderscheidt Heimb Zue suechen, alß einen Vettern.

NB: Hier ist wohl Zue Beobachten, daß alldar Von einem Jungen Herrn Graffen Standts einem alten graffen oder Dame die gnadt Zu geben, Kein Brauch ist, sondern man heist Sie nur Herr Vetter, Frau Baaß.

* Die Grafen Manderscheid-Blankenheim, hier: Franz Georg, Graf von Manderscheid-Blankenheim-Gerolstein (* 1669; + 1731) waren eng verwandt mit den Daunern; sie hatten Anteile an der Burg und dem Besitz im damaligen Amt

Daun; sie sollten aufgrund dieser engen Blutsbindung nicht mit „gnädiger Graf" o.ä. angeredet werden, sondern mit „Vetter" oder „Base".

28. Von Blanckenheimb auff Daun, dan durch Imenerath (= Immerath) auf Kinderbayern (= Kinderbeuren) undt Kinheimb (= Kinheim an der Mosel). Von dorthen den engsten weeg (= schnellsten Weg) alß auf Limburg, Königstein, Franckfurth, Hanau. Von dannen auf Pamberg, Kulmbach, Eger, Carlsbadt, Prag. Bleibt also Maintz undt Coblentz rechte Handt Liegen.

* Bemerkenswert, dass der Vater ihm nicht empfiehlt, die Begräbnisstätte seiner Großeltern und Vorfahren in der Nikolauskirche Daun, oder seinen Geburtsort, die Dauner Burg, aufzusuchen. Aber Heinrich Josef wird sie, wenn er schon durch Daun fuhr, mit Sicherheit kurz besichtigt haben. Ich gehe davon aus, dass er eine Nacht dort geschlafen hatte, denn von Blankenheim nach Daun sind es rund 50 Kilometer, für Heinrichs Pferdekutsche etwa sieben bis acht Stunden Fahrzeit benötigte. Viel zu sehen gab es in Daun allerdings nichts mehr. Von der Familie wohnte keiner mehr in dem „zerfallenen Gehäuss", das neun Jahre vorher von den Franzosen stark zerstört worden war. Wahrscheinlich hat er dem trierischen Amtmann auf der Burg kurz „Guten Tag" gesagt, der ja immerhin noch Güter für die Familie betreute. Dass der Eifel im Allgemeinen nur wenig Interesse gewidmet ist, zeigt, dass die Loslösungsbestrebungen vom Heimatland bereits vollzogen sind und die Interessen der Familie Daun sich ganz auf Österreich und das Habsburger Land konzentrieren.

29. Solle der Cammerdiener oder Pague, wie Mein Sohn Ihn zu gebrauchen Vonnöthen hat, ebenfahls Verbunden seyn, nit allein Treu undt eyfrig seinen gnädig Herrn Meinen Sohn in allen Zu Bedienen, sondern auch dessen Befelch aufs genaueste nach Zueleben, so soll Er auch in Allen Verschwiegen seyn, mit andern wenig gemeinschafft halten, noch auf keinerley Weyse in Händel sich einlassen, damit sein gnädiger Herr weder auch der Hoffmeister in keine widerwertigkeith seinetwegen gerathen mögen. In Ermangelung dessen, der Hoffmeister hiermit Be Vollmächtiget ist, einen Andern auf guettdüncken meines Sohns auf Zuenehmen, undt Ihn es seye wo es wolle Zu Rukh Zu Lassen (= zu entlassen, nicht mehr mit nach Prag zurückzunehmen). Undt weilen nun Sie alle drey, mein Sohn, sein Hoffmeister undt Bedienter, dieses alles Vorgesezter massen fest Zu halten sich Verbinden undt Versprechen, So Thuen Sie Zue dem Ende diese meine gegebene Instruction aigenhändig unterschreiben undt fertigen. Also würdt Ihnen Hiermit Erstlich, meinem Sohn der Vätterliche Seegen, wie auch dem Hoffmeister, undt Bedienten der hauß Vätterliche Seegen gegeben, undt Ihnen mit meiner eigenen Handt Unterschrifft gleichförmiges Original Zuegestellet.

Prag, den 26. May Anno 1698 (Siegel und Unterschriften)

Schlussbemerkungen

Heinrich Josef Martin Diederich war pünktlich zu Hause. Er hat dem Ruf und der Ehre seiner Familie nicht geschadet und infolgedessen weder die väterliche Gnade noch dessen Segen verloren. Ein Liebesversprechen ist er auch nicht eingegangen, denn er heiratete 16 Jahre später die Gräfin Wlassin, die nach zwanzigjähriger Ehe 1734 starb. 1724 erwarb er die Herrschaft Daleschitz und 1735 das Gut Slowetitz (beide heute in Tschechei). Nach Ablauf des Trauerjahres heiratete er erneut. Wie sein Vater, wurde er kaiserlicher Feldmarschall und Inhaber eines Regiments, das den Namen „Heinrich Daun" trug. Er war Stadtkommandant von Wien und leitete 1744 die Untersuchung der Übergabe von Freiburg an die Franzosen. Als alter Herr, der zu seinem Lebensende eine nicht allzu verantwortungsvolle Stelle eines Kommandanten der Trabantengarde am kaiserlichen Hof in Wien innehatte, starb er am 31. Januar 1761 im 83. Lebensjahr. Als einziger „Dauner" hatte er sechs Herrscher des Hauses Habsburg kennen gelernt.

Dank gebührt dem Stadtarchiv Frankfurt (Dr. Fischer), dem Historischen Archiv Köln (Dr. Huiskes) und dem Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Frau Dr. Preuß).