Eisenindustrie in Birresborn

Ernst Becker, Mürlenbach

Wer von Eisenindustrie hört, denkt wohl spontan an das Ruhrgebiet, jedenfalls kaum an die Eifel - und schon gar nicht an Birresborn. Dennoch ist die Aussage der Überschrift zutreffend, denn hier stand vor Zeiten ein Eisenwerk, wie urkundlich nachgewiesen und durch weitere Belege bezeugt ist. Vornehmlich zu nennen ist ein im Landeshauptarchiv Koblenz befindliches Archivale, das eine Eisenschmiede und -hütte bei Birresborn dokumentiert, die auf das Jahr 1500 zurückgeht. Das Wissen um die Existenz dieses spätmittelalterlich/früh-neuzeitlichen Eisenwerkes ist dem kollektiven Gedächtnis der Ortsbewohner entfallen und im Nebel der Geschichte versunken. Dieser Eindruck veranlasste mich, weitere Nachforschungen hierüber anzustellen. Dabei lichtete sich der Schleier allmählich und nach und nach konkretisierte sich eine Vorstellung von dieser vergessenen Anlage, die nachfolgend beschrieben wird. Zum Verständnis der Zusammenhänge ist es aber angebracht, zunächst einen kurzen Blick zurück in die allgemeine Geschichte der Eisengewinnung zu werfen:

Die Entwicklung der Eisenverarbeitung in der Eifel

Bereits vor rund 6000 Jahren, somit schon vor der eigentlichen Eisenzeit, stellte man in Sumer und im Alten Ägypten Kultgegenstände, Schmuckstücke und Waffen aus Meteoriteneisen her. Dessen Preis lag bis zum Achtfachen über dem von Gold. Die Bearbeitung erfolgte mit steinzeitlichen Praktiken. Das so genannte „Eisen des Himmels" war nicht aus Eisenerz gewonnen, denn die technischen Möglichkeiten für eine Eisenschmelze reichten noch nicht aus. Erst die spätere Entwicklung von Verhüttungsöfen, welche die erforderlichen hohen Temperaturen erzeugten, machte die Gewinnung von Eisen aus Eisenerz möglich. Die Erde, insbesondere der Erdkern, besteht zu einem großen Teil aus Eisen. Dessen Gewinnung ist jedoch eine Kunst für sich. Erst in der Eisenzeit gelang es, aus Eisenerz verwendbares Eisen herauszusondern. Diese Technik war im Vorderen Orient, in Ägypten und China längst bekannt, bevor sie im 8. vorchristlichen Jahrhundert über den Balkan Mitteleuropa erreichte. Um 700 v. Chr. haben die Kelten ihr erstes Eisen gewonnen. Ganz in unserer Nähe, bei Hillesheim, wurden die Reste eines Rennofens1 aus dieser Zeit - der Epoche der so genannten Hunsrück-Eifel-Kultur - gefunden. Diese kleine Hüttenanlage gilt als älteste Eisenschmelze nördlich der Alpen! Die Eisenerzeugung in der Eifel hat also eine mehr als 2500-jährige Geschichte. Aus der Römerzeit sind zahlreiche Rennfeuer im Eifel-raum archäologisch belegt. Es folgten Jahrhunderte des Rückganges, bis sich die Eisengewinnung im Mittelalter wieder belebte. Der altertümliche Rennofen ist ein aus Lehm gefertigter - oder ein gemauerter und mit Lehm ummantelter - Schachtofen von etwa 50 bis 100 cm Durchmesser und 70 bis 150 cm Höhe. Vereinfacht beschrieben, füllte man zunächst eine Schicht Astzeug und Holzkohle von oben durch die Gichtöffnung in den Ofen ein. Nachdem das Feuer brannte, kam darauf eine Schicht vorgereinigtes und getrocknetes Eisenerz, das zuvor zerkleinert und mit dem Zuschlagstoff Kalk versetzt war, darauf wieder Holzkohle - und so fort, wechselweise Schicht auf Schicht. Indem das Feuer im Ofen brannte, wurde während des Prozesses mehrmals Holzkohle und Eisenerz nachgefüllt. Für den Luftzug sorgten Düsenlöcher im unteren Teil des röhrenartigen Ofens. Zwecks einer guten Luftzufuhr für das Feuer standen die Öfen ursprünglich auf Bergen oder an den Windseiten der Berge. Bei schwachem Wind musste das Feuer angefacht und „für frischen Wind" durch - natürlich mit Muskelkraft betriebene - Blasebälge gesorgt werden. Der Schmelzvorgang dauerte 8 bis 10 Stunden. Ein Rennofen brachte das Eisenerz auf eine Temperatur von bis zu etwa 1200 °C. Dies reichte lediglich aus, die im Eisenerz enthaltenen nichtmetallischen Schlacken zu verflüssigen und abzuleiten - und so den im Ofen übrig gebliebenen Rest, einen recht unreinen Eisenklumpen, die so genannte „Luppe", zu erzeugen. Die Ausbeute betrug etwa 10 zu 1 (aus 10 kg Eisenerz entstand 1 kg Eisenluppe). Rennöfen sind Einwegware gewesen, denn um nach dem Brennvorgang an das begehrte Material, den weißglühenden Klumpen Eisenluppe, heranzukommen, musste der Ofen zerschlagen werden. Der glühendheiße Klumpen wurde sogleich in kleinere Stücke zerteilt, die man noch mit den vorhandenen Mitteln weiter bearbeiten konnte. Durch mühsames Hämmern trieb der Schmied aus den Luppe-Stücken die darin enthaltenen Schlackenreste heraus und stellte letztlich Schmiedeeisen her. Die Technik des Rennofens blieb über Jahrtausende fast unverändert und hatte erst ausgedient, als Stücköfen und in der Neuzeit die noch leistungsfähigeren Hochöfen ihn verdrängten, welche die nötige Temperatur von 1539 °C für die Gewinnung von flüssigem Eisen lieferten.

Als wesentliche technische Verbesserung revolutionierte das Wasserrad etwa ab Beginn des 14. Jahrhunderts die Technik der Eisenerzeugung. Die Wasserkraft trieb nun große, aus stärkstem Rindsleder gefertigte Blasebälge an. Das ermöglichte wesentlich größere Schmelzöfen. Die Vorteile der Wasserkraft erwiesen sich als wichtiger als die Nähe zu den Erzlagern, daher wanderte die Eisenverhüttung in die wasserreichen Flusstäler. Die neue Technik erleichterte auch die schwere Arbeit der Schmiede: Wasserräder, an deren Achsen Zapfen befestigt waren, hoben die Schmiedehämmer an und ließen sie dann auf die darunter auf dem Amboss positionierten Werkstücke herabfallen. Mit Unterbrechungen blühte die Eisenindustrie vom 15. bis zum 19. Jahrhundert als ein bedeutender Wirtschaftszweig der Eifel. Diese wird wegen ihrer diesbezüglichen historischen Bedeutung auch als Wiege der europäischen Eisenindustrie bezeichnet. In „Eiflia illustrata" von Schannat/Bärsch, heißt es zur Herkunft der Bezeichnung Eifel: „Die Erklärung der Benennung Eifel durch Eisenfeld hat auch Manches für sich, denn bekanntlich ist die Eifel sehr reich an Eisenerz." Eisenerzgewinnung, Holzkohleherstellung, Verhüttung und Verarbeitung des Eisens, Handel mit demselben und den daraus hergestellten Produkten und nicht zuletzt das für alle diese Gewerbe unentbehrliche Transportwesen, prägten die Landschaft und die Menschen. Hier lagen beinahe ideale Voraussetzungen vor: Eisenerz-vorkommen an vielen Orten, ausgedehnte Wälder zur Kohlung, Wasserkraft von Bachläufen und Flüssen. Die Eifel, als ein reiches Eisenland, zählte zeitweise rund 50 Hüttenwerke. Im Spätmittelalter deckte Eisen aus der Eifel etwa 10 % des europäischen Bedarfs.

Eifeler Eisenerz

Eisenerz (Eisenstein) wurde an vielen Orten der Eifel, oberirdisch oder in geringer Bodentiefe, gefunden und abgebaut. Besonders im 19. Jh. erwarben risikofreudige Unternehmer BergbauKonzessionen für quadratkilometergroße Gebiete, sozusagen „auf gut Glück". Alleine in Birresborn und in Mürlenbach waren jeweils gut ein halbes Dutzend solcher Bergbau-Distrikte ausgewiesen. Die Verleihung gab dem Konzessionär das Grundrecht, in dem festgelegten Bereich nach Eisenerz zu schürfen. Die Besitzer der Grundstücke erhielten eine jährliche „Rente" von wenigen Pfennigen pro Hektar, außerdem Entschädigung für durch den Bergbau verursachte Schäden an ihrem Eigentum. Infolge des Strukturwandels in der Eisenindustrie nutzten die Konzessionäre ihre erworbenen Abbaurechte jedoch in aller Regel nicht mehr. Orts- und Flurnamen bewahren historische Informationen; sie überliefern Anhalte zu deren früheren Bedeutung. So berechtigt der Mürlenbacher Flurname „Eisenkaul" zu der Annahme, dass sich hier vor alten Zeiten eine Abbaustelle für Eisenerz befand.

Energielieferant Holzkohle

Neben dem Eisenerz war Holzkohle für die Eisenverhüttung unentbehrlich. Die benötigte Holzkohle brannten Köhler vornehmlich aus Buchen- und Eichenholz aus den umliegenden Wäldern. Auf eine Einheit Eisenerz kam je nach dessen Qualität die bis zu 4-fache Menge an Holzkohle. Eine Quelle nennt sogar 10 Teile Holzkohle auf 1 Teil Erz. Und für die Herstellung einer Einheit Holzkohle benötigt man drei Einheiten Holz.

Zunächst stand genügend Holz zur Verfügung. Doch der enorme Verbrauch an Holzkohle lichtete mit der Zeit die Eifelwälder, besonders in der Nähe der Eisenindustrie, bedrohlich. Die benötigte Holzkohle musste zunehmend über - für die damaligen Verhältnisse - weite Entfernungen herangeschafft werden. Beispielsweise lieferten Mürlenbacher Köhler in der Zeit von 1708 bis 1715 zwischen 35 und 60 Karren Holzkohle (per Fuhrwerk) nach der 35 km entfernten Ahrhütte. Die Transportkosten überstiegen dabei den Wert des Transportgutes, der Holzkohle. Ein Mürlenbacher Fuhrmann erhielt um 1840 an Fracht für 11 Bütten Kohlen nach Malberg zu fahren je Bütte 3 Sgr (Silbergroschen) 3 Pfg (Pfennig). Als Rückladung durfte er Eisen mitbringen.

Die fatalen Auswirkungen des Raubbaues zwangen zum Umdenken und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder.

Erzeugnisse der heimischen Eisenindustrie um 1500

Die heute von Sammlern begehrten Herd- und Takenplatten sind frühe Produkte der Eisengießkunst, vor allem auch aus der Eifel, wo im Jahre 1497 die erste bekannte Herdgussplatte produziert wurde. Erste Eisenverhüttung zu Jünkerath im Jahre 1368 ist nachgewiesen. Sebastian Münster (welcher auf den 100 DM-Banknoten von 1962 abgebildet ist) schreibt 1541 über die Eifel: Hier „macht man fürbündig gut Schmiedeeysen, man geußt auch Eysen-Oefen"8. Weitere Produkte sind Werkzeuge (Spaten, Hämmer u. a.), Hufeisen und Gebrauchsgegenstände. Die Eisenhändler verkauften ihre Erzeugnisse beispielsweise in die Städte der Niederlande sowie bis nach Franken und Schwaben.

Dokumentation der Birresborner Eisenhütte und Eisenschmiede an der Kyll

Das Metall Eisen hat die Welt und das Leben der Menschheit verändert und der Geschichte der Eifel seinen Stempel aufgedrückt. Ein, wenn auch nur bescheidener, Standort der Eifeler Eisenindustrie war Birresborn, mit seinem im Laufe der Zeit in Vergessenheit geratenen Eisenwerk. Dessen Existenz ist bestätigt und nachgewiesen durch folgende Belege: Die von Dr. Peter Neu in „Eisenindustrie in der Eifel" angeführte Urkunde belegt die Gründung einer spätmittelalterlichen Eisenschmiede und -hütte zu Birresborn. Ein früheres Eisenwerk in Birresborn!? Eine total überraschende und außergewöhnliche Information, denn davon war im Ort gar nichts mehr bekannt. Die Hoffnung, mehr zu dem vergessenen Eisenwerk zu erfahren, führte in das Landeshauptarchiv Koblenz, wo sich die Abschrift der betreffenden Urkunde in dem Kopiar des Johann II. von Baden, 14961503 Kurfürst und Erzbischof von Trier, befindet. Das in feiner, säuberlicher Schrift verfasste Dokument legt es an den Tag: Erzbischof Johann verpachtete und verlieh im Jahre 1500 dem Reidemeister Wilhelm aus Eisenschmitt (einem Sohn des gleichnamigen Schultheißen und Hüttenmeisters) und seiner Frau Nese „eynen Isenberge gelegen by Walmerßheym"2. Zur Verarbeitung des Wallersheimer Eisenerzes übertrug der Erzbischof den Eheleuten zudem „ein platze under der Kirchen zu Beresber uff der Kiele gelegen zu eyner Isenschmitten und hutten".

Die Abbildung zeigt den betreffenden Ausschnitt aus der Urkunde, der die Verleihung des Platzes „under der Kirchen zu Beresber" betrifft. Die Urkunde ist gegeben „zu Ehrenbreitstein am Mitwoch nah Sant Remigius tag im Jare tusent Funffhondert" (am 7. Oktober 1500). (Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 1 C, Kopiar Nr. 17, Nr. 1719)

Als Pacht hatte der Hüttenbetreiberjährlich 13 Zentner gerecktes Eisen3 bis spätestens 14 Tage nach Pfingsten zu liefern. Die Lieferung erfolgte an den Kellner von Schönecken, der das Eisen an der Waage der Burgschmiede entgegennahm. Der Pachtvertrag weist dem Hüttenbetreiber ferner einen fest umschriebenen Kohlbezirk in „jenseits der Kyll" gelegenen Wäldern zu. Hier darf er zur „noitturfft" (Notdurft = im notwendigen Umfange) Holz für die benötigte Holzkohle hauen. Außerdem wird ihm Land zugewiesen, um Wiesen und Äcker daraus zu machen. Der Vertrag beruht auf „solicher Smitten und Hutten Recht und Gewonheit".

Ein weiterer Beleg findet sich bei Wilfried Rosenberger, der in seiner „Beschreibung rheinland-pfälzischer Bergamtsbezirke" erwähnt: „Eine weitere Hütte ist um 1500 bei Birresborn uf der Kiehle (auf der Kyll) nachgewiesen." Zudem erhalten wir eine klare Bestätigung für eine industrielle Anlage an dem dokumentierten Standort („an der Kyll, unter der Kirche") in Notizen des Birresborner Lehrers Johann Jakob Schaefgen (1862-1937). Dieser hat handschriftliche Aufzeichnungen zur Geschichte der 1831 am Ortsausgang Richtung Lissingen erbauten Kyllmühle hinterlassen. Darin beschreibt er auch eine seinerzeit (um 1930) noch lebendige mündliche Überlieferung: Vor mehr als 150 Jahren (Anmerkung: also vor dem Jahre 1780) soll ein Stück weiter flussabwärts eine „Kyllmühle" gestanden haben, und zwar an der Linksbiegung des Flusses vor der Kyllbrücke, am rechten Kyllufer, in Höhe der Kirche. Wie Lehrer Schaefgen ergänzend notierte, stand die mutmaßliche Mühle auf der zum so genannten „Dingelshaus" (Haus Nr. 172)4, sowie zum später erbauten Nachbarhaus (Nr. 173) gehörigen Wiese an der Kyll. Dort seien Balken und Bohlen, Überreste von Wasserrinnen, gefunden worden. Ein konkretes Wissen über Bestand und Geschichte einer Mühle an dieser Stelle hätten allerdings selbst die ältesten Leute nicht mehr gehabt.

Der Standort der „Isenschmitten und Hutten" (unter der Kirche, an der Kyll). Ein gut gewählter Platz, an der wasserreichen Kyll als Energielieferant für den Antrieb der Wasserräder, in waldreichem Gebiet zur Versorgung mit Holzkohle auf kurzen Wegen, zudem nicht allzu weit entfernt von den Erzgruben gelegen. Die Örtlichkeit, wo nach dieser alten Birresborner Überlieferung Reste ehemaliger Wasserrinnen gefunden wurden, deckt sich exakt mit dem urkundlich belegten Standort der zu Beginn des 16. Jahrhunderts errichteten Eisenhütte und Eisenschmiede! Die Wasserrinnen gehörten demgemäß zum Antriebssystem dieses Eisenwerkes und nicht zu einer Mühle. Der Betrieb einer Mahlmühle an dieser Stelle ist auch deswegen nicht anzunehmen, weil das Mühlenrecht dem Grundherrn gehörte (bis zum Jahre 1576 dem Prümer Abt, danach bis zum Ende des Alten Reiches dem Kurfürsten und Erzbischof von Trier). Es bestand aber bereits eine grundherrliche Mühle am Fischbach.5 Solche Mühlen hatten eine monopolartige Stellung, die ihnen der Mahlzwang verschaffte. Die Bauern waren an die Mühle ihres Grundherrn gebannt, somit verpflichtet, ihr Getreide nur hierin mahlen zu lassen.

Versuch einer Beschreibung des Werkes

Ein besonders günstiger Standort zum Betrieb einer Eisenhütte fand sich also an der Kyll - an der oben beschriebenen Stelle, wo die Strömung des Flusses besonders stark ist. Wie darf man sich indessen die Größe, Ausrichtung, Arbeitsweise sowie die Organisation der Betriebsabläufe des Birresborner Eisenwerkes vorstellen? Welchen technischen Stand hatte die Verhüttungs- und Eisenschmiedekunst in der Eifel um das Jahr 1500, die Gründungszeit des Werkes? Antworten können aus den überlieferten Angaben kaum entnommen, hingegen aus Beschreibungen und Zeichnungen vergleichbarer Hütten dieser Zeit entworfen werden. Das zusammengefügte Puzzle ergibt folgendes Bild: Eine kleine Wehranlage regulierte die Wasserzufuhr, wahrscheinlich über ein rechts der Kyll verlaufendes aufgeständertes Gerinne, auf oberschlächtige Wasserräder. Die später aufgefundenen Überreste von Wasserrinnen, die Lehrer Schaefgen benannt hat, können als Beleg für diese Annahme dienen. Die Wasserkraft der Strömung trieb mehrere hintereinander angeordnete handfeste Wasserräder an. Diese bewegten zwei alternierend arbeitende Blasebälge für die Gebläse des etwa 3 bis 4 m hohen Stückofens und trieben den wuchtigen Hammer der Eisenschmiede an. Ob bereits ein Pochwerk (zum Zerkleinern des Eisenerzes in kleine Stücke) hier gearbeitet hat, ist fraglich, da diese Technik seinerzeit recht neu war - sie ist erstmalig 1492 (in der Schweiz) nachgewiesen. In strengen Wintern fror die Kyll, beziehungsweise das zum Werk gehörende Fließgewässer, zu. Wenn es nicht gelang, das Eis wegzuhacken, drehte sich kein Rad mehr. Der witterungsbedingt fehlende Wasserantrieb hatte natürlich den Stillstand des gesamten Eisenwerkes zur Folge.

Das Birresborner Eisenwerk hatte einen gemauerten Stückofen - eine Weiterentwicklung des Rennofens. Stücköfen waren größer und leistungsfähiger und vor allem über mehrere Monate hinweg wieder verwendbar. Denn für die Entnahme der beim Schmelzvorgang gewonnenen Eisenluppe genügte es, an der vorgesehenen Stelle eine Öffnung in den Ofen zu schlagen, ohne ihn, wie es beim Rennofen nötig war, zu zerstören. Aus der Luppe entstand schließlich durch Ausschmieden und verschiedene weitere Arbeitsprozesse gebrauchsfähiges Eisen. Aus 3 Zentnern Roheisen stellten die Schmiede 2 Zentner gerecktes Eisen (schmiedbares Schieneneisen) her. Dabei dröhnte der schwere, vom Wasserrad angetriebene Schmiedehammer ohrenbetäubend durch das ganze Dorf. Das Eisenwerk beschäftigte 5 bis 8 kräftige Männer, die, verschmutzt, in Holzschuhen und dürftig bekleidet, rackerten. Einige Frauen und Kinder gingen ihnen für geringen Lohn zur Hand und übernahmen leichtere Aufgaben. Hier arbeiteten, unter fachkundiger Anleitung eines erfahrenen Reidemeisters6 oder Hüttenmeisters, Bauern im Nebenerwerb und Tagelöhner. Eine strenge Trennung der Arbeitsgänge der Eisenproduktion und der Weiterverarbeitung kannte man nicht; Jeder beherrschte und verrichtete fast alle anfallenden Tätigkeiten. Daneben brachte das Werk Lohn und Brot für etliche Erzgräber, Köhler, Fuhrleute, Schmiede und Händler. Das Werk war nicht ganzjährig durchgehend, sondern vorwiegend im Winter, wenn keine landwirtschaftlichen Arbeiten anstanden, in Betrieb. Bestimmt hielten sich im Werk dann gerne Dorfbewohner und Fuhrleute auf, die den „modernen" technischen Abläufen zuschauten, sich wärmten und ihre durchnässten Kleider trockneten. Allzu romantisch sollte man sich die Situation jedoch nicht vorstellen. Der gesundheitsschädliche Hüttenqualm zog natürlich ungefiltert ab - das sorgte, je nach Wetterlage, für „dicke Luft" im Dorf. Da keine weiteren schriftlichen Unterlagen über das Birresborner Eisenwerk erhalten sind, fehlen jegliche Angaben zu dessen Betrieb, Produktionsmengen, Sortiment, Kunden und Absatzgebiete. Jedenfalls fand zumindest eine Teilmenge des Roheisens eine Weiterverarbeitung zu dem seinerzeit üblichen Schieneneisen (gerecktem Eisen), da man solches bekanntlich als Pachtabgabe zu liefern hatte.

Das Ende der Birresborner Eisenhütte

Wie lange die im Jahre 1500 gegründete Eisenhütte in Betrieb blieb, ist nicht überliefert. Die heute vollständig verschwundene Eifeler Eisenindustrie hatte eine Blütezeit vom 15. bis in das 17. Jahrhundert. Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) und dessen Folgen führten jedoch zu riesigen Bevölkerungsverlusten, Verwüstung, Verarmung und gewaltigen Störungen in der gewerblichen Produktion, verbunden mit sinkender Nachfrage nach Eisen. An vielen Standorten wurden die Eisenhütten stillgelegt. Falls unser Werk bis zu dieser Zeit bestand, wäre es von der unseligen Entwicklung nicht verschont geblieben. Wahrscheinlich ist das Feuer des Hüttenofens im 17. Jahrhundert ausgegangen. Es sind keine Nachrichten bekannt, die uns wissen lassen, aus welchen Gründen und wann genau das erfolgte.

Beabsichtigte Neugründung einer Eisenschmelze im Jahre 1836

Die 1831 am Ortsausgang Richtung Lissingen erbaute Mahlmühle an der Kyll hatte erst wenige Jahre ihren Dienst versehen, als bereits Pläne geschmiedet wurden, die Mühle in eine Eisenschmelze umzuwandeln. Die Anlage sollte nach den vorgelegten Plänen umfassen: 1 Hochofen von 20 Fuß (rund 6 Meter Höhe) mit 2 Blasebälgen, dazu ein Pochwerk mit 2 Stempeln. Die Genehmigung beantragte der Müller Christian Etten als Eigentümer der Mühle 1836 bei der Bezirksregierung Trier. Als Teilhaber an dem neuen Projekt trat Peter Lambert Klein auf, der in Birresborn wohnhafte gemeinsame Bürgermeister der Ämter Büdesheim und Mürlenbach. Der betätigte sich bereits im Eisengeschäft als Konzessionär des Eisenstein-Bergwerks „Clara" bei Duppach. Die beiden - Etten und Klein - veranschlagten in einer vorläufigen Berechnung die jährlich benötigte Rohstoffmenge an Eisenerz auf 20.000 Zentner = 1.400 Karren (rund 1.000 Tonnen). Den Bedarf an Holzkohle gaben sie an mit jährlich 46.800 Kubikfuß = 312 Wagen (rund 1.450 Kubikmeter). Trotz verschiedener Einsprüche gegen das Vorhaben erhielten sie die Erlaubnis, „eine Eisenhütte neben der dem Christian Etten zugehörigen Mühle bei Birresborn erbauen und betreiben zu dürfen." Die Erlaubnis erteilte das Königlich Preußische Oberbergamt für die Niederrheinischen Provinzen in Bonn am 30. Januar 1838. Dabei verfügte es verschiedene Auflagen: Die viergängige Mahlmühle solle auf zwei Gänge reduziert werden. Dadurch würde Wasserkraft-Energie frei für die Antriebe des Eisenwerkes. Weitere auferlegte Verpflichtungen regelten beispielsweise, dass Höhe und Gefälle des vorhandenen Wehrs unverändert bleiben müssten.

Hervorgehoben ist die Bedingung, „die Gicht des Hochofens7 mit einem Mantel zu versehen, damit das ausströmende Feuer und der Rauch dem auf einige hundert Ruthen entfernt gelegenen Dorfe Birresborn nicht nachtheilig werden kann." Es kam jedoch offenbar weder zum Umbau der Mühle, noch zum Bau und Betrieb einer Eisenhütte. Vielmehr stand 1842 die Zwangsversteigerung der Mühle an; sie ging an Etten's Schwager Matthias Simon, den Hauptgläubiger.

Fazit

Bergbau und Eisenverhüttung „vor unserer Haustür" sind derart in Vergessenheit geraten, dass ich zunächst von allen Seiten nur skeptische Verwunderung bei der Erwähnung dieses Themas erfuhr. Umso mehr freut es mich in aller Bescheidenheit, mit dieser Abhandlung ein wenig zur geschichtlichen Erforschung der diesbezüglichen Vergangenheit meines Geburtsortes Birresborn beitragen zu dürfen.

Erläuterungen:
1 Der Rennofen ist ein kleiner, einfacher Verhüttungsofen. Er verdankt seinen Namen der bei der Eisenerzeugung herausrinnenden Schlacke.
2 Gemeint sind Eisenerzgruben zu Wallersheim. Anmerkung: Gut 300 Jahre später, am 27. September 1827, erhielt die Firma Gebr. Schruff die Konzession, dort Eisenerz abzubauen, zur Verarbeitung in deren Eisenhütte am Oosbach in Müllenborn.
3 gerecktes Eisen = unter dem Schmiedehammer „gerecktes" Stabeisen, auch „Schienen-eisen" genannt. Gerecktes Eisen diente für den Hufbeschlag der Pferde und allerlei Bedarf der Schmiede in den Dörfern und Burgen.
4 Seinerzeit waren die Häuser des Ortes durchgehend nummeriert. Haus Nr. 172 ist jetzt „Gerolsteiner Straße Nr. 6".
5 Wann die grundherrliche Mühle am Fischbach erbaut wurde, ist nicht bekannt. Ihre Grün-dung dürfte weit ins Mittelalter zurückreichen. Die im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Mühle wurde 1660 neu errichtet.
6 Reidemeister ist eine Berufsbezeichnung: Leiter (Unternehmer) einer Eisenhütte.
7 Die „Gicht des Hochofens" ist die Öffnung am oberen Schachtende des Ofens.
8 „fürbündig" = ausgesucht, ausgezeichnet. „geußt" = gießt (Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm von 1854).
Literatur:
Neu, Peter: Eisenindustrie in der Eifel - Aufstieg, Blüte und Niedergang, 1988
Rosenberger, Wilfried: Beschreibung rheinland-pfälzischer Bergamtsbezirke, Band 4 Schannat/Bärsch: Eiflia illustrata, 1824 Verkehrs- und Gewerbeverein Birresborn: Birresborn im Wandel der Zeiten, 1986
Brockhaus: Conversations-Lexikon, Leipzig 1830 http://www.birresborn.com/de/historisch/show.asp?DOC=1.1.(1 - 5)
Wikipedia und GenWiki