In Sarmersbach war er in Quartier

Schauspieler Strack und sein Bruder Volkmar

Helmut Annen, Sarmersbach

Wer kannte ihn nicht, den berühmten und beliebten Schauspieler Günter Strack (*4.6.1929 in Darmstadt; † 18.1.1999 in Münchsteinach, Mittelfranken). Mit zahlreichen Theater-, Film- und Fernsehrollen spielte er sich in die Herzen des Publikums. Er, selbst ein evangelischer Christ, wusste so überzeugend den katholischen Pfarrer, Dr. Adam Kempfert, in der Fernsehserie „Mit Leib und Seele" darzustellen, dass ihm vom evangelischen Journalistenverband die höchste Auszeichnung überreicht wurde.

Weniger bekannt ist Günter Stracks Beziehung zur Eifel und zu Sarmersbach, die allerdings auf tragischen und traurigen familiären Erlebnissen fußt. Dass sie überhaupt bekannt wurde, ist nicht zuletzt dem Pfarrer in DreisBrück, Klaus Eich, und seiner Haushälterin Maria Schäfer aus Rengen zuzuschreiben. Und das kam so:

Pastor Eich besucht Familie Strack

Klaus Eich war von der Fernsehserie „Mit Leib und Seele" derart begeistert, dass er am 14.10.1989 an Schauspieler Günter Strack schrieb: „Lieber Mitbruder! (Anm.: eine Anrede, sonst nur unter Pastoren und Pfarrern üblich). „Ihre Darstellung des Pfarrers Kempfert in der Serie ,Mit Leib und Seele' ist derartig überzeugend, ich muss Ihnen einfach danken..."

Günter Strack schrieb zurück an Bruder Klaus, lud den Kollegen samt Haushälterin Maria Schäfer in sein Haus in Darmstadt ein, fuhr mit ihnen zu den Dreharbeiten von „Diese Drombuschs" und versprach einen Gegenbesuch in der Eifel.

Von diesem Besuch mehr als beeindruckt, erzählte die Haushälterin Maria Schäfer ihren Verwandten, Familie Annen in Sarmersbach, worauf diese sich erinnerten: „1944 waren bei uns für eine Woche zwei deutsche Soldaten einquartiert, von denen sich einer ebenfalls Strack nannte. Als er unser Haus verließ, sagte er mit Schwermut in der Stimme: Jetzt ziehe ich meine Stiefel an und werde sie nicht mehr ausziehen!' Ob da verwandtschaftliche Beziehungen bestehen?" Dies führte zu Nachforschungen und Günter Strack konnte aufklären:

Mit 18 Jahren gefallen

Ja, das war mein Bruder Volkmar. Gegen Ende des Krieges wurde er als Soldat eingezogen und sollte mit noch anderen Jugendlichen in der Eifel die Alliierten abwehren - welch ein Wahnsinn! Am 19. September 1944 wurde Volkmar 18 Jahre jung. Statt zu feiern, musste er - jetzt weiß ich, dass er in Sarmersbach in Quartier lag -, alles packen und feldmarschmäßig antreten. Seine Einheit (=Kampfgruppe Kühne) sollte in die Ardennen, nach Belgien. Fünf Tage später, am 24.9.1944, war sein Leben bereits vorbei. Gegen Abend kam sein Feldwebel von der Front nach Sarmersbach zurück und teilte ganz gedrückt Frau Annen mit: „Der junge Soldat Strack, den ich bei euch hier einquartiert hatte, der ist heute weit hinter Gerolstein gefallen. Während er andere Soldaten in Sicherheit schleppte, die schwer verwundet waren, ist er selbst getroffen worden. Er war gleich tot. Beerdigt wurde er in Büdesheim."

Am Grab von Volkmar

1945 erhielten wir von der amerikanischen Besatzungsmacht die schriftliche Genehmigung, in der Woche nach Ostern das Grab von Volkmar in Büdesheim zu besuchen. Für zwei Personen, hieß es. So fuhren meine Mutter Dorothea und ich als Sechzehnjähriger mit dem Zug von Darmstadt über Andernach bis Mayen. Die weitere Strecke war zerstört. Es regnete in Bindfäden auf unserem Weitermarsch zu Fuß. Irgendwann unterwegs war die Kraft meiner Mutter zu Ende. „Günter, das Gehen fällt mir immer schwerer, ich kann nicht mehr. Im nächsten Dorf wollen wir fragen, ob wir in einer Scheune schlafen dürfen."

Wie das nächste Dorf hieß, weiß ich nicht. Am Ortseingang gab es — wie bei so vielen Dörfern im Kriegsgebiet — kein Ortsschild. In einem der ersten Häuser — es war ein Bauernhaus — fragten wir um ein Obdach für eine Nacht in der Scheune. Die Frau, die an die Türe kam, sah uns beide an, wie wir völlig durchnässt da standen, und schüttelte den Kopf. Enttäuscht wollten wir weitergehen. Die Frau aber winkte uns herein. Am warmen Ofen wurden unsere Sachen zum Trocknen aufgehangen. Dann brachte uns die gute Bauersfrau ein reiches Abendessen, wovon wir in der Stadt im Krieg nur hatten träumen können. Als wir schließlich fragten, ob wir in der Scheune schlafen dürften, schüttelte die Frau wieder den Kopf. Sie wies uns dann ihr eigenes Schlafzimmer an. Womöglich haben die guten Leute selbst in der Scheune geschlafen. Denn als wir am Morgen vom Hahnenschrei, dem Gackern der Hühner und dem Muhen der Kühe geweckt wurden, waren die Bauersleute schon fest an der Arbeit. Als frische Milch ins Haus gebracht wurde, gab es auch ein gutes Frühstück.

Die Sachen waren am Ofen in der Nacht trocken geworden. So konnten Mutter und ich gestärkt an Leib und Seele Abschied nehmen. Die freundlichen Menschen drückten uns sogar noch ein paar Butterbrote in die Hand. Bei trübem Wetter kamen wir durch weitere Dörfer. Hinter Gerolstein ging es immer mehr bergan. Aber auch immer zahlreicher wurden die liegengebliebenen Militärfahrzeuge von Freund und Feind. Deutsche und amerikanische Panzer, Bombentrichter und Granatlöcher zeugten von dem Krieg, der hier getobt hatte.

Endlich sahen wir das ersehnte Dorf Büdesheim im Nebeldunst. Über das ganze Tal lagen Kriegswaffen verstreut. Minenfelder waren mit Stacheldraht gekennzeichnet und Schilder mit Totenköpfen warnten vor dem Betreten. Ein alter Mann schob mit der Schaufel einen Granattrichter an der Straße zu. Den fragten wir, wo Soldatengräber seien. Er wies zunächst auf ein Minenfeld und sagte: „Dort liegen noch Soldaten, die noch nicht begraben sind." Dann zeigte er zur stark beschädigten Kirche hinüber und meinte: „Geht zu unserem Herrn Pastor. Der weiß über die Soldatengräber wohl am besten Bescheid." Meine Mutter meinte zu mir: „Günter, wir sind evangelisch und die Eifel ist katholisch. Wie wird uns der katholische Pfarrer empfangen?"

Als wir uns in dem zerstörten Dorf nach dem Pfarrhaus durchgefragt hatten, wurden wir dort mit herzlicher Anteilnahme und großer Liebenswürdigkeit begrüßt. Der Pastor stellte sich freundlich vor: „Pastor Alois Herrmann." Auch wir stellten uns vor und berichteten kurz, woher wir kamen, welchen Fußmarsch wir hinter uns hatten und was wir hier in Büdesheim vorhatten.

Der Pfarrer bat uns in sein Haus: „Kommt zuerst mal herein. Ruht euch nach so weiter Reise etwas aus und stärkt euch. Viel hab ich ja auch nicht, aber ich gebe euch gern von dem, was ich habe."

Zu Beginn des Essens kam die Rede auf unseren Sohn und meinen Bruder, den jungen Soldaten Volkmar. „Ja", sagte der Pastor, „er war der zweite Soldat, der hier gefallen ist. Hier auf unserem Friedhof habe ich ihn beerdigt. Einen evangelischen Geistlichen herbeizurufen war bei den Tieffliegerangriffen und den Kampfhandlungen unverantwortlich und auch unmöglich."

Wiedersehen bei der Auferstehung

Auf dem Weg zum Friedhof begann Mutter zu weinen. Ich legte meinen Arm um sie. Auf dem Grab stand ein Holzkreuz aus Birke mit Volkmars Namen. Darüber hing sein Stahlhelm. Mutter schluchzte tief erschüttert. Da kamen auch mir die Tränen. Als wir vom Grab weggingen, sagte die Mutter mit großem Schmerz: „Wir werden Volkmar nie wiedersehen."

Fest davon überzeugt, tröstete ich: „Doch, Mutter, wir werden ihn wiedersehen bei der Auferstehung."

Der gute Pastor Herrmann half uns später, den Wunsch meiner Mutter zu erfüllen, Volkmars Körper in seine Geburtsstadt Darmstadt umzubetten.