Eine Hillich im Eifeldorf in den 1950er Jahren

Tamara Retterath, Lirstal

Mein Vater, Ernst Retterath, schilderte mir folgende Jugenderinnerung. Die Geschichte wird aus seiner Sicht erzählt:

In früheren Jahren, so auch in den 1950ern, wurde eine Hillich jeweils am Samstag vor einer standesamtlichen Hochzeit gefeiert. Eine Hillich ist so ähnlich wie der heutige Polterabend, doch gibt es bei beiden Festen unterschiedliche Bräuche und Gepflogenheiten. Nur die männliche Jugend, die die Volksschule absolviert und verlassen hatte, war berechtigt, bei der Hillich mitzuwirken. Das bedeutete also ein Mindestalter von 14 bis 15 Jahren. Zu dieser Zeit war es nicht üblich, dass sich ein unverheiratetes Pärchen an normalen Werktagen traf. Dies war nur am Wochenende, an Fest- oder Feiertagen oder anlässlich einer Kirmes üblich. Traf sich nun ein Liebespärchen unter der Woche, dann war das so ungewöhnlich, dass die Dorfjugendlichen hellhörig wurden und besonders darauf achteten, ob die beiden ein Aufgebot bestellten. Denn, wenn die Junggesellen das Aufgebot verpassten und der Samstag vor der Hochzeit ungenutzt verstrichen war, hatten sie Pech gehabt, weil eine Hillich nicht an einem anderen Tag gefeiert oder nachgeholt werden konnte. Und da die ganze Dorfjugend im heimischen Ackerbau beschäftigt war, niemand arbeitete außerhalb, waren damals auch alle im Dorf, so dass sie ein Treffen des Liebespärchens in der Woche mitbekamen. Dann wurde untereinander „gepispert" (= geflüstert): „Nicht, dass die (= sie) zum Standesamt gehen und wir verpassen die Hillich." Dann wäre die schöne Gelegenheit, auf Kosten des zukünftigen Bräutigams zu feiern, vorüber. Die Hillich bedeutete: Die Jungen des Ortes betrauern, dass das heimische Mädchen einen anderen heiratete. Das war der traditionelle Grund einer Hillich.

War jetzt jemand pfiffig und hatte herausgefunden, dass das Paar auf dem Standesamt ein Aufgebot bestellt hatte, das heißt sich zur Hochzeit angemeldet hatte, konnte er das Datum der Hochzeit aus dem Aushang in der Amtsbürgermeisterei der nächsten Kleinstadt entnehmen. Nun wurde untereinander abgeklärt, an welchem Samstag die Hillich stattfinden musste, denn samstags befand sich der Verlobte beim Besuch im Elternhaus des Mädchens. Was wurde bei der Hillich angestellt? Es wäre niemand auf die Idee gekommen, Porzellan zu zerdeppern, denn die Leute waren froh, dass sie Geschirr besaßen und hätten ihre Teller, Tassen und Schüsseln niemals absichtlich zerstört. War eine Hillich unter der männlichen Dorfjugend terminiert, wurde abgewartet, bis der zukünftige Bräutigam samstagabends zu Besuch bei seiner Verlobten war. Still und heimlich zogen sich dann alle männlichen Jugendlichen des Dorfes zusammen. Möglichst leise wurde eine zweirädrige Pferdekarre in den Hof des Elternhauses des Mädchens gefahren. Die Karre mit einer Kippvorrichtung musste um 135 Grad umgedreht und gegen die Hauswand gelehnt werden, so dass die Räder auf einer Höhe von 1,50 Meter frei nach oben standen und diese gedreht werden konnten.

Historische Aufnahme eines einachsigen Wagens mit Pferd. (Foto wurde von Friedhelm Stephani zur Verfügung gestellt.)

Je ruhiger und stiller das vonstatten ging, um so besser. Jetzt nahm sich einer der Burschen einen Knüppel und drehte das Rad in einer unvorstellbar hohen Geschwindigkeit und ein anderer hielt eine Sense auf das Rad. Dies erzeugte einen solchen Höllenlärm, dass es einem kalt den Rücken herunterlief. Die lauten Geräusche sollten das Weinen und Wehklagen über den Verlust des Mädchens symbolisieren und zum Ausdruck bringen. Andere schlugen zusätzlich auf Töpfe und Zinkeimer, um möglichst viel Radau zu machen. Das wurde von den Burschen so lange durchgehalten, bis das zukünftige Ehepaar vor die Haustüre trat. Darunter gab es auch schon mal ein Pärchen, das ließ sich mit dem Herauskommen etwas Zeit, und die Jungs mussten sich ganz schön müde machen, ehe die Verlobten vor die Tür traten. Dann hörte man mit dem Krach auf und sang dem Paar schöne Heimatlieder vor. Darunter zum Beispiel „Hoch im Eifelland steht ein Bauernhaus, so schmuck und fein"; „Lustig ist das Zigeunerleben"; „Schön ist die Jugend". Daraufhin erschien der zukünftige Ehemann mit einer Flasche Schnaps und einem Tablett mit Gläsern und bot allen Beteiligten an. Jeder bekam ein Gläschen in die Hand gedrückt und es wurde kräftig Schnaps „gesüffelt" (= getrunken), bis die Flasche leer war. Nun sangen wir nochmals ein paar Lieder wie „Waldeslust, Waldeslust, oh wie einsam schlägt die Brust!"; „In einem Polenstädtchen, da wohnte einst ein Mädchen"; „Es scheint der Mond so hell auf dieser Welt". Jetzt erhielten wir von dem Verlobten 100 DM, was in den 1950er Jahren sehr viel Geld war. Damit gingen wir geschlossen zu Fuß in die Gastwirtschaft des Nachbarortes, da wir selbst in unserem Ort keine Dorfschänke hatten. Nur das Paar ging nicht mit, es blieb daheim im Elternhaus der Braut.

Zur damaligen Zeit war es üblich, dass jemand, der zum ersten Mal bei der Hillich mitmachte, eine Trinkprobe bestehen musste. Der Unerfahrene wurde erst einmal kräftig zur Brust genommen.

Der einachsige Wagen wurde in einem bestimmten Winkel umgedreht gegen die Hauswand gelehnt, so dass die Räder mit Schwung gedreht werden konnten.

Mir erging es folgendermaßen: Ein älterer Bursche, der schon seine Lehre beendet hatte und als fleißiger Wirtshausbesucher bekannt war und viel Geld dort vertrunken hatte, versuchte mich als Neuling herauszufordern. Ich wusste schon vorher, was auf mich zukommen würde und wusste auch, was man vor der Hillich an Nahrungsmitteln konsumieren musste, um während des Trinkgelages fit zu bleiben. Um gegen dieses Teufelszeug bestehen zu können, gab es verschiedene Möglichkeiten: Entweder man aß vorher ein Butterbrot mit Ölsardinen, trank zwei rohe Eier zu einem trockenen Stück Brot oder nahm mehrere Löffel Salatöl, meist Rapsöl, zu sich. Dadurch, so sagte man, sollte der Alkohol nicht so schnell in den Kopf ziehen. Denn während des Feierns und Trinkens gab es kein Essen. Das war nicht Sitte. Ich hatte mich mit Hilfe von Brot und Ölsardinen auf die Feier vorbereitet. Es kann auch sein, dass ich zusätzlich noch ein rohes Ei getrunken hatte, aber das war im Allgemeinen nicht so mein Fall.

Dieser Bursche versuchte mich jedenfalls unter den Tisch zu trinken, aber da hat er wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Das Feiern der Hillich im Gasthaus zog sich lange hin.Da wurde geredet und gesungen, wie das bei jungen Leuten so ist. Und hier noch Prost und da noch Prost. Und wiederum „Prost!" und „Trinken wir noch einen?"; „Auch noch einen Kurzen?"; „Nee, nee, das geht nicht, da wird keiner ausgesetzt. Da müssen dann alle den Kurzen trinken." Ein Kurzer war ein Schnaps. Aussetzen durfte man nicht.

Und ich fühlte mich super. Ich wunderte mich selbst, denn ich hatte eine Hillich bisher ja noch nie mitgefeiert und hatte auch absolut keine Erfahrung mit Alkohol. Deshalb war ich auch so angetan und dachte: „Ach, was für eine schöne Sache. Ist doch prima, wenn man fast erwachsen ist, dann kann man alles mitmachen. Ist das nicht wunderbar?" Nun gab es wieder eine Runde und schließlich noch eine, den ganzen Abend lang. Der ältere Bursche hat sich auf mich festgelegt und wohl gedacht: „Den schaffe ich." Es gab abwechselnd eine Flasche Bier, ein Gläschen Schnaps, Flasche Bier, Gläschen Schnaps, so wurde das immer hin und her gereicht.

Es dauerte dann nicht mehr lange. Bumm, bumm, rumms! Es gab einen Krach, einen Knall und der ältere Bursche lag unter dem Tisch. Der gute Mann, der mich betrunken machen wollte, musste selbst dran glauben. Er musste heimgetragen werden. Dem wird das wohl vergangen sein, einen jungen Spund wie mich betrunken machen zu wollen. Zu Lebzeiten wird der daran gedacht haben, hoffe ich wohl. Vielleicht aber auch nicht, weil er eventuell so einen großen Gedächtnisaussetzer hatte, dass er einen Black-out hatte und sich an die ganze Sache gar nicht mehr erinnern konnte.

So eine Hillich war jedenfalls eine schöne Feier unter jungen Leuten, fand ich.

Als ich zwei Jahre älter war, musste ich bei der Hillich im Hof der zukünftigen Brautleute Folgendes miterleben: Das Rad der Einachskarre, die um 135 Grad umgedreht und gegen die Hauswand gelehnt war, wurde wie gewohnt mit ungeheurem Schwung gedreht. Die Standfestigkeit der Karre war aber nicht gegeben, diese kippte zur Seite und begrub den am Rad Drehenden unter sich. Jetzt war das Gelächter erst einmal groß. Das verging allen aber schnell, als festgestellt wurde, dass der Unglückliche schwer verletzt worden war. Der junge Mann wurde ins Krankenhaus gefahren, wo er stationär behandelt wurde. Diagnose: mehrere Knochenbrüche, Gehirnerschütterung und Hautabschürfungen im Gesicht. Natürlich wurde die Hillich sofort abgeblasen, aber nach der Genesung des Patienten zu einem späteren Zeitpunkt ausnahmsweise nachgeholt. In Zukunft wurde größter Wert auf Sicherheit gelegt, denn Gesundheit und Unversehrtheit der Person haben oberste Priorität.

Eifelheimatland

Oh Eifelland, mein Heimatland,
wie bist du mir vertraut.
Ob Berg, ob Tal, ob Wies, ob Wald,
soweit das Auge schaut.

In deinem Schoß bin ich geborgen,
nehm' an des Alltags Freud und Sorgen.

Weilte ich mal in der Ferne,
wo mir fehlte Berg und Tal,
so hielt ich es nicht lange aus,
kam schnell zurück ins Eifelheimathaus.

Ich liebe auch den Ginsterstrauch,
und wenn er steht in Blütenpracht,
wird er als Eifelgold betracht.

Und sollten uns drohen die Vulkane,
bitt' ich Gott, dass er sie lenkt in richtige Bahnen.

Ist auch als hart bekannt des Eifler ,s Art,
doch unter dieser rauen Schale'
verbergen sich auch gute Gaben

Nachbarschaft wird groß geschrieben,
und so wir unsere Mitmenschen lieben.

So wir alle glücklich sind, oh Eifel,
du musst sein ein Sonntagskind.

Agnes Neumann, Gillenfeld