Fronleichnam auf dem Dorf

Alois Krämer, Bodenbach

Zum katholischen Brauchtum gehört auch das Fronleichnamsfest. Im Jahr 2017 fällt es auf den 15. Juni. Es ist ein Hochfest im Kirchenjahr, dazu noch ein gesetzlicher Feiertag in vielen Bundesländern. Fronleichnam bedeutet so viel wie Fest des Leibes Christi. Erstmals wurde es im Jahre 1246 begangen und zwar im Bistum Lüttich. Die Reformation stand dem Fest jedoch negativ gegenüber.

In allen katholischen Gemeinden wird das Fest sehr würdevoll begangen, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise. Traditionell ist ein feierlicher Gottesdienst mit anschließender Prozession. Dabei trägt der Geistliche den Leib Christi in Form der Hostie in einer Monstranz durch die Straßen der Städte oder Dörfer. Er geht unter einem Traghimmel, der von vier Männern gehalten wird. Die Gemeinde folgt dem Priester, betet und singt und hält an verschiedenen Stationen. Den Schlusssegen gibt es dann in der Kirche. Weiter kennt man auch Prozessionen, die zu Pferde abgehalten werden, oder auch See- oder Schiffsprozessionen, wie zum Beispiel in Köln die sogenannte „Mülheimer Gottestracht".

Fronleichnamsaltar an Bauersch Eck' im Jahr 1930

Fronleichnamsaltar an Bauersch Eck' im Jahr 2016

Auch in meinem Dorf Bodenbach wird das Fest sehr festlich begangen. Schon viele Tage vorher setzt man sich zusammen und überlegt und plant diesen Tag. Vier Altäre werden im Dorf aufgestellt an bestimmten, jedes Jahr gleichen Plätzen. Verantwortlich dafür ist jeweils eine „Rott'", also eine Gruppe von Menschen, die sich aus den Bewohnern der Häuser rund um die jeweiligen Standplätze der Altäre rekrutiert.

Im Oberdorf steht an „Bauersch Eck" traditionell ein Altar. Im Unterdorf steht einer an der Hauptstraße in Höhe der Kirche, ein dritter auf dem freien Platz neben der Bushaltestelle. Auf der „Kaul" wird ein Altar im Heiligenhäusehen errichtet. Die Arbeiten zur Errichtung dieser Altäre sind genau verteilt: Die Männer bauen die Holzkonstruktionen auf und holen das Grün zum Schmücken der Straßen und der Altäre. Die Frauen kümmern sich um die Gestaltung, die Dekoration, binden die Girlanden und fertigen die Blumenteppiche. Die Kinder helfen mit, indem sie Blüten sammeln und den Frauen zur Hand gehen. Ganz gewiss steckt insgesamt mehr als eine Woche Arbeit in allen Vorbereitungen. An dieser traditionellen Ordnung hat sich bis zum heutigen Tag kaum etwas geändert.

Und dann wird es auf einmal sehr betriebsam im Dorf. Jede Rott hat natürlich das Bestreben, den schönsten und ehrenvollsten Altar zu gestalten. Ein Kreuz, weiße Tücher, Blumenschmuck und Kerzen verwandeln das rohe Holzgerüst in einen weihevollen Altar, mit frischem Grün und Fahnen wird er geradezu erhaben werden. Das Prachtvollste sind natürlich die Blumenteppiche, deren Design bis zum letzten Tag geheim bleibt. Die Größe wird festgelegt und ein Entwurf mit Kreide auf dem Boden gezeichnet. In jedem Dorf gibt es besonders begabte Leute, welche die jährlich wechselnden Motive entwerfen. Dann werden eifrig Blumen und Blüten gesammelt und nach Farben sortiert. Bei guter Witterung macht das sogar Freude, aber wehe, es regnet. Da sucht und pflückt selbst eine wettergewohnte Bodenbacherin auch nicht gern Margeriten und anderes blühendes Kraut. Dann werden die Hausgärten mit Pfingstrosen und anderen Blütenblättern auch schon einmal aushelfen müssen. Aus diesem blumigen Reichtum an Farben und Formen entstehen wahre Kunstwerke voll bildhafter Symbolik, figürlicher Darstellungen und farbenreicher Kompositionen. Und nur der Priester mit dem Allerheiligsten darf sie betreten. Das ganze Dorf ist mit Fahnen geschmückt. In den vergangenen Jahren kam noch eine Besonderheit dazu. Abwechselnd wurde Fronleichnam entweder im Dorf oder auf Heyerberg begangen. Heyerberg ist eine waldreiche Anhöhe in der Nähe von Borler mit einer Kapelle, die von vierzehn Kreuzwegstationen umgeben ist. Im Jahre 2016 wurde die feierliche Prozession rund um die Kapelle und den Hügel geführt. An vier Stationen wurden jeweils von Bewohnern der Dörfer Borler, Gelenberg, Bongard und Bodenbach Altäre errichtet und die schönsten Blumenteppiche gelegt. Oft hatten wir großes Glück mit dem Wetter, und es wurden wunderschöne, sonnige Feiertage. Ich erinnere mich, dass in einem Jahr genau in dem Moment des Schlusssegens ein Gewitter losbrach. Unser Pfarrer meinte damals, da habe Petrus ein Einsehen gehabt und den wichtigsten Teil des Festes vom Regen verschont. Aus dem Kaffeetrinken im Freien wurde dann aber nichts. Betrachtet man die beiden Altäre aus den Jahren 2016 und 1930, die an der gleichen Stelle aufgebaut sind, sieht man, dass sich am Erscheinungsbild vieles geändert hat. Stolz präsentierten sich am Altar aus 1930 einige Damen und Herren, die wohl für die Ausgestaltung verantwortlich waren. Man erkennt Girlanden, die Triumphbögen gleich die Straße überspannen. Die Straßenränder sind mit Tannen und frischem Grün geschmückt, deren Beschaffung der Jugend oblag. Auch die Front von Bauersch Haus ist mit einer Girlande umspannt. Der Altar, vor einem Wald von Fichten, besitzt sogar noch einen hohen Aufsatz, auf den dann noch ein Tabernakel aufgesetzt wurde. Altar und Tabernakel sind mit schneeweiß gebleichtem Leinen und mit zarter Spitze ausgekleidet. Und ein duftiger Vorhang verhüllt das Allerheiligste, wenn die Gemeinde betend vor ihm kniet. Ich weiß noch aus meiner frühesten Jugend, dass sämtliche Dorfstraßen lückenlos mit Grün geschmückt wurden. Die Häuser hissten alle verfügbaren Fahnen, die Hausfrauen stellten Hausaltärchen in Nischen, Fenstern oder Hauseingängen auf, die mit Heiligenfiguren oder Kruzifixen, Kerzen und Blumen geschmückt waren. Der Prozessionsweg war abends vorher noch sorgsam von allem Unrat, insbesondere den Spuren, die das Vieh, das zweimal täglich hindurch getrieben wurde, hinterlassen hatte, gesäubert. Die Straßen sollten an diesem besonderen Tag auch ganz besonders sauber sein. Und dann ist es früher wie heute das gleiche: Kaum verklingen die letzten Orgeltöne nach dem feierlichen Hochamt, stellt sich die Gemeinde zur Prozession auf. Vornweg die Fahnenträger, dahinter die Musikkapelle (die es früher jedoch nicht gab), gefolgt von den Weihrauch schwenkenden Messdiener. Vor dem Priester mit dem Allerheiligsten unter dem Baldachin, dem sog. „Himmel", dürfen die Kommunionkinder gehen. Der Himmel wurde früher von vier frischgebackenen Ehemännern getragen, heutzutage teilen sich Mitglieder des Gesangvereins diese Ehre. Dahinter reiht sich die Gemeinde ein, Schulkinder und Erwachsene, diese in früheren Zeiten aber streng getrennt nach Geschlechtern, geradeso wie man in der Kirche auch getrennt in den Seitenschiffen saß. An den Altären wird jeweils ein Evangelium verlesen, Fürbitten vorgetragen und der Segen über den Ort erteilt, die Schlussfeier mit sakramentalem Segen findet in der Kirche statt. Und ganz gewiss ist es heute auch noch so, dass manche, die eifrig an den Altären mitgearbeitet haben, über ihre Gebetbücher hinweg zu den anderen Altären schielen, immer in der Hoffnung, dass der eigene doch am besten abschneiden könnte. Und ganz gewiss ist dies auch ein viel besprochenes Thema unter der Dorfbevölkerung. Und vielleicht hat der Pfarrer ja am Ende auch noch ein lobendes Wort übrig gehabt für all die Mühe und Plage.