Die Deisselder (Deudesfelder) Klapperjungen - Einst und heute

Gisela Bender, Deudesfeld

In frühester Kindheit wurde uns von den „Wosen" (alte Frauen) immer wieder erzählt, dass in der Karwoche alle Kirchenglocken nach Rom fliegen und erst am Ostersonntag wieder zurückkämen.

Damit die Dorfleute an die Morgen-, Abend sowie an die Gottesdienstzeiten erinnert werden sollten, wurde das Klappern konzipiert oder besser gesagt ins Leben gerufen!

In meinem kindlichen Vorstellungsvermögen war das „Klappern" eine riesige Aufgabe. Aber warum waren das nur die Jungen, die den Auftrag hatten? Das war wohl immer so, eine andere Erklärung gab es nicht. Aber nach langem Hin und Her stand mein Entschluss fest, ich würde in diesem Jahr mit „klappern" gehen. Mein Vater sagte: „Die werden dich nicht mitgehen lassen, probier es halt!"

So stand ich beim alten Küster (Jacob Becker) auf dem Sammelplatz und sofort fingen die Ersten an zu meckern, erst einzelne Stimmen, dann mehrten sich die Stimmen. „Klappern ass Jungensaach, do honn Frahleiit neist zo seeken!" Als die Angelegenheit zu eskalieren drohte, mischte sich der alte Küster ein: „Waaht ass hei loohss?" Mehrstimmig wurde ihm die Sache erläutert. Derweil stand ich ganz alleine da und machte wohl auf den alten Mann einen hilfsbedürftigen Eindruck. Er bot den Jungen Einhalt und sagte laut und unmissverständlich: „Wann daaht Mäadchen matt gohn weell, dann doarf daaht Mäadchen matt gönn, on dir looht häät aan Rooh!"

Neben mir standen zwei Jungen, denen ich ansah, dass ihnen die ganze Diskussion über meine Teilnahme nicht geheuer war. Es waren zwei Jungen aus Daun, die auch im vergangenen Jahr hier mit klappern gegangen waren. Ihre Mutter stammte aus Deudesfeld und sie wohnten an diesen Tagen bei ihren Verwandten. Zu Hause hatten sie eine große Familie, deshalb waren dort die Eier, die sie hier beim Klappern verdienten, sehr willkommen. Aber sie wurden in Ruhe gelassen, was mir sehr recht war. So klapperten wir:

Am Karfreitag: morgens: „Klappert Bäht gloog", mittags: „Klappert Meettisch", abends wieder: „Klappert Bähtgloog". Karsamstags, morgens: Klappert Bähtgloog", mittags: „ Meetisch Hohnekraach, morjen ahss dän Oosterdaach."

Vor der Messe wurde noch geklappert, beim Anläuten der Glocken: „Klappert oohn dir Leit maacht Fiiroon"; beim Hauptläuten: „Klappert zosoohmen, weehn zo spooht keennt, mooss sich schooahmen."

Ostersonntagmorgen: „Steait oop dir Leit, steait oop, soos aas den Herrgott für eich oop". Damit war ich mit dabei, aber es wurde eine harte Zeit. Immer wieder musste ich Rempler und Schubser, so wie unschöne Benennungen im Bezug auf „Frahleit" aushalten. Obwohl mir die Verhaltensweise der Jungen zusetzte, umso entschlos sener wurde ich, die begonnene Sache bis zum Ende durchzustehen. Und so riefen wir mit unseren Klappersprüchen die Leute in die Kirche. Am Ostersamstag gingen wir mit einem Weidenkorb, unten eine Lage Heu drin, im Dorf die Eier einsammeln. Dabei wurde die Haustür aufgemacht und ins Haus reingerufen: „Klapperjungen, Klapper jungen!" Darauf erschien meist die Hausfrau und entlohnte die Klapperjun gen für ihren Dienst mit Eiern. Als alle eingesam melt waren, traf man sich wieder beim Küster. Unter dessen Aufsicht wurden die Eier gezählt, eben so die Teilnehmer. „Wie dääk woarst dau matt?" Für jedes Fehlen gab es Abzug. Dieselben Jungen, die mich von vorneherein nicht mitnehmen wollten, verweigerten mir jetzt meine verdienten Eier. Mit allem mir nötigen Mitteln verteidigte ich meinen Anspruch auf die Eier. Das ganze drohte wieder zu eskalieren, dann schaltete sich der Küster wieder ein. Er fragte mich: „Wie dääk woarst dau matt?" Ich sagte: „Emmer". Darauf sagte er zu den Rädelsführern: „Dahn kräet häät och de voll Zoal oon Äijaan." Nur widerwillig fügte sich die Führungsriege diesem Machtwort eines alten Mannes. Ich war ihm dankbar, er hatte mir zu meinem Recht verholfen. Aus heutiger Sicht war es zwar mein erster Interessenskonflikt mit dem Machtgehabe der Männlichkeit mit Blick auf die Gleichstellung der Frauen, aber es sollten in meinem weiteren Leben noch viele folgen. Ich hielt die Schürze auf und die Eier wurden rein gelegt. Die Jungen hielten ihre Mützen dazu parat, auch die Dauner Jungen. Danach liefen diese so schnell sie konnten die Dorfstraße hinab. Oh, sie hatten es zu eilig, denn in ihrem Eifer fiel einer hin und die mühsam verdienten Eier waren alle kaputt. Es tat mir wirklich leid für den Jungen, aber ihm von meinen Eiern ein paar abzugeben, so weit reichte mein Mitgefühl dann doch nicht. Weil ich die Klappertage selbst erlebt hatte, blieb mein Interesse an dieser Tradition bis zum heutigen Tage wachsam. Dabei habe ich in den vergangenen Jahren Erstaunliches fest stellen können, denn die Klapperjungen haben sich der neuen Zeit gestellt; in jedem Jahr sind es mehr Mädchen (Frahleiit), die mitgehen. Eine wirklich erfreuliche Entwicklung.