Adventliche Herbergssuche in Bodenbach

Mathilde Pitzen, Bodenbach

Als ich vom Jahresthema 2018 des Heimatjahrbuchs unseres Landkreises zu alten Bräuchen und Traditionen erfuhr, fiel mir spontan ein alter Brauch ein, den die jungen Mädchen in meiner Jugendzeit im Advent in Bodenbach ausübten. Leider ist diese Sitte inzwischen vergessen und wird nicht mehr praktiziert. Dieser sehr katholische Brauch der Marienverehrung stammt eigentlich aus dem alpenländischen und auch aus dem östlichen Raum, wo er auch „Frauentragen" genannt wird. Die Tradition betrifft die Herbergssuche, die in der Bibel in Lukas 2, 7 wie folgt lautet: „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge."

In der Zeit vom ersten bis zum vierundzwanzigsten Dezember trugen wir jungen Mädchen eine Statue der schwangeren Maria jeweils für einen Tag in das Haus einer anderen Familie, wo sie Aufnahme finden sollte. Es gab ein festes Ritual. Schon vor Beginn des Advents trafen wir uns und planten die Abläufe. Diejenigen Mädchen, die der Muttergottes Aufnahme in ihrem Zuhause gewähren wollten, konnten sich melden. Hatten wir vierundzwanzig Häuser beisammen, konnte mit der Herbergssuche begonnen werden. Am Abend des ersten Dezembers gingen wir alle miteinander zur ersten Herberge. Dort angekommen, begann eines der Mädchen wie folgt: „Maria geht wieder nach Bethlehem, der Weg ist weit und unbequem. Maria klopft heute an deine Tür und fragt, ob sie wohl finde Herberge bei dir." Das Mädchen, in dessen Haus Maria gebracht wurde, antwortete:

„Maria soll herzlich willkommen sein. Ich will

teilen mit ihr mein Kämmerlein. Was immer mein Eigen ist, das ist auch für sie, die Gottesgebärerin, die Jungfrau Marie."

Die Antwort lautete:

„So kehrt sie denn ein und
bringt Segen ins Haus für alle,
die da gehen ein und aus.
Bewahre dir den Segen ein Leben lang,
von nun an bis zum letzten Gang."

Danach sangen wir alle gemeinsam einige Strophen, die an ein altes Volkslied aus dem 19. Jahrhundert angelehnt sind:

Es blühen drei Rosen auf einem Zweig, o Maria.
Sie blühen alle drei ins Himmelreich, o Maria.
O Maria, o Maria überall,
Wir grüßen dich viel tausendmal.

Was trägt Maria unter ihrem Schoß, o Maria.
Ein kleines Kindlein nackt und bloß, o Maria.
O Maria, o Maria überall,
Wir grüßen dich viel tausendmal.

Was trägt Maria auf ihrem Arm, o Maria.
Ein kleines Kind, das sich unser erbarm', o Maria.
O Maria, o Maria überall,
Wir grüßen dich viel tausendmal.

Was trägt Maria in ihrer Hand, o Maria.
Ein Zepter hat ihr Gott, der Sohn, erlangt, o Maria.
O Maria, o Maria überall,
Wir grüßen dich viel tausendmal.

Was trägt Maria auf ihrem Haupt, o Maria.
Die Krone, die hat ihr Gott, der Herr, erlaubt, o Maria.
O Maria, o Maria überall,
Wir grüßen dich viel tausendmal.

Am nächsten Abend holten wir die Muttergottes wieder ab und brachten sie ins nächste Haus. Das ging so fort bis zum 24. Dezember. An diesem Tag wurde sie in die Kirche gebracht, wo eine kleine Schlussandacht gehalten wurde. Wir jungen Mädchen sahen es als große Ehre an, wenn die Muttergottes in unserem Zuhause Aufnahme finden konnte, und wir bereiteten ihr einen besonderen Platz, den wir schmückten und an dem wir Kerzen aufstellten.

Aus dem Zupfgeigenhansl (10. Auflage, 1913), www.volksliederarchiv.de