Der Tag meiner Kinderkommunion

Johanna Krämer, Bodenbach

Wenn es um das Brauchtum in der historisch überwiegend katholisch geprägten Eifel geht, fällt mir spontan meine Kinderkommunion ein. Um das Fest der ersten hl. Kommunion ranken sich allerlei Bräuche, die sich im Laufe der Zeit gewandelt haben. Traditionell wird das Fest am ersten Sonntag nach Ostern, dem sogenannten „Weißen Sonntag", begangen. Dieser Termin variiert teilweise je nach Ortschaft und ist von allerlei Gegebenheiten abhängig. Damals, im Jahr 1960, als ich meinem ersten eigenen Festtag entgegenfieberte, war der Weiße Sonntag in meinem Dorf Trierscheid jedoch der traditionelle Tag, an dem die Kinder erstmalig zum Tisch des Herrn geführt wurden. Dieser „Tisch" war damals die Kommunionbank, die inzwischen ganz aus den Kirchen verschwunden ist. Wie andächtig haben wir ganz vorn in den Kinderreihen gekniet und sehnsüchtig darauf gewartet, uns endlich mit den anderen Gläubigen vorne einreihen zu dürfen. Zuvor jedoch hatten wir viele Monate hindurch zweimal die Woche nachmittags Kommunionunterricht. Dieser wurde in der Schule vom Pfarrer der Gemeinde selbst abgehalten.

Wie andächtig haben wir zugehört, wenn er versuchte, uns auf kindgerechte Weise die Bedeutung des Sakraments zu erklären. Gewiss haben wir nicht alles verstanden, aber ich weiß noch ganz genau, dass wir gern zum Unterricht gingen, auch wenn der Fußweg weit war und bei schlechtem Wetter oft auch mühselig (der Unterricht fand damals in Nohn statt, wohin Trierscheid pfarreimäßig gehört). Ich erinnere mich noch lebhaft daran. Der Weg führte teilweise durch den Wald. Auf dem Rückweg war es oft schon dämmerig und das Rascheln im Unterholz ängstigte mich. Ich las gern Märchen, die bei der Gelegenheit sehr lebendig wurden. Ich befürchtete, nun käme gleich der „böse Wolf" aus dem Gebüsch. An der Nohner Brücke traf ich mich regelmäßig mit drei Kindern aus Senscheid, die auch den Unterricht besuchten. Aus meinem Dorf war ich im Jahr 1960 das einzige Kommunionkind. Erwartungsvoll harrten wir des großen Tages, aber furchtsam bebten wir unserer ersten Beichte entgegen, bei der wir kleine Sünderinnen und Sünder unsere gewiss nur geringen Verfehlungen gestehen sollten. Auch heute noch haben die Kinder Angst davor, sich einer Autoritätsperson vertrauensvoll zu öffnen. Damals saß der Priester noch verborgen unter einem Sichtschutz, obwohl wir genau wussten, wer dort saß. Heute findet diese erste Beichte nicht mehr in dem Beichtstuhl statt, den meine nicht praktizierende protestantische Tante Helene als „komischen Schrank" bezeichnet hatte. Ich weiß noch, dass wir unsere „Sünden" auf Zettel aufschrieben, um bloß nichts zu vergessen.

Als auch das Beichten vorbei war, waren wir erleichtert und konnten uns richtig auf unser Fest freuen. Und wenn ich ehrlich sein soll, so brav wie in den Wochen vor der Erstkommunion sind wir wohl nie wieder gewesen. Der Tag rückte näher, die Vorbereitungen im Haus begannen. Eingeladen wurden meiner Erinnerung nach nur die Paten und die engsten Verwandten.

Dann ging es aber richtig los. Von oben bis unten wurde das Haus geputzt und gebohnert. Es wurde gebacken, gesotten und gekocht, was Küche, Keller und Geldbeutel hergaben. Das Wohnzimmer wurde leer geräumt und ein großer Tisch eingedeckt mit dem besten Geschirr, das Mutter im Schrank hatte. Vater putzte unseren Trecker, einen roten McCormick, bis er blinkte, denn das war das Fahrzeug, mit dem wir zur Kirche fahren würden. Um des besseren Glanzes willen ölte Vater ihn auch noch ein. Schließlich sollte ja alles perfekt sein. Aber das sollte Folgen haben.

Der große Tag war gekommen. Am Abend vorher war das große Badefest gewesen, denn ich sollte nicht nur seelisch, sondern auch körperlich von strahlender Reinheit sein. Mutter kleidete mich an. Damals wie heute trugen die Mädchen weiße Kleider (bis auf die Pfarreien, wo Knaben wie Mädchen Kutten tragen) und die Jungen dunkle Anzüge (damals noch mit kurzen Hosen und weißen Kniestrümpfen). Die Kleider waren tailliert, etwas ausgestellt und knielang. Die langen Ärmel schlossen am Handgelenk mit einem Bündchen ab. Dazu trugen wir weiße Strumpfhosen und schwarze Lackschuhe. Das Haar war mit einem Kränzchen aus weißen Rosen geschmückt. Die bereits erwähnte Tante Helene aus Bonn-Duisdorf, die mich während meiner langen Krankheit in Bonn auf dem Venusberg oft besucht hatte, war auch gekommen. Sie nahm auf dem Sitz über dem linken Hinterrad des Traktors Platz. Mich stellte man auf das Trittbrett, und die Tante schlug den Mantel um mich, damit ich es warm haben sollte in meinem dünnen Kleid. An der Kirche angekommen, stellte sie fest, dass ihr Mantel auf der anderen Seite ganz voller Öl war. Sie schimpfte, dass man es wohl auch übertreiben könne mit der Sauberkeit eines Traktors. Mein Kleid war aber sauber geblieben. Der Vater sagte kein Wort, es zuckte nur ein wenig um seine Mundwinkel. Fast schien es, als ob er ein wenig schmunzelte. Aber beschwören könnte ich es nicht. In die eine Hand gab man mir die schön geschmückte Kommunionkerze, in die andere das neue Gebetbuch, dann reihte ich mich in die Prozession der Kommunionkinder ein. Mit Musikbegleitung wurden wir von der Schule zur Kirche geführt. Wir hatten alle kein Frühstück gehabt, weil man damals noch zum Kommunionempfang nüchtern sein musste. Wie oft sind Mädchen, aber auch Jungen, später während der Gottesdienste ohnmächtig geworden, bis nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil diese Nüchternvorschrift relativiert wurde.

Während der feierlichen Messe war ich sehr aufgeregt. Später konnte ich mich kaum noch an Details erinnern, auch nicht an die Glückwünsche und die Rückfahrt nach Hause. Ich erinnere mich aber noch, dass ich mittags kaum etwas essen konnte, weil ich immer noch sehr aufgewühlt war. Schon am frühen Nachmittag ging es wieder zurück in die Kirche zur Dankandacht. Ach ja, zum Kaffeetrinken am Nachmittag gab es Buttercremetorte, Frankfurter Kranz und Toard. Das sind flache Kuchen mit Obst und/oder Streuseln belegt. An ein Abendessen kann ich mich nicht mehr erinnern. Am Montagmorgen war noch eine Dankmesse, und dieser Tag war zum Glück noch schulfrei.

Ach ja, Geschenke gab es ja auch. Woran ich mich erinnere? Ja, zuerst wohl an die Hortensien! Das muss man sich vorstellen: Ein neun- oder zehnjähriges Kommunionkind bekommt zu seinem Festtag Hortensien, die sogenannten „Kommunionsblumen" geschenkt. Ich haben mich darüber kein bisschen gefreut, dass weiß ich noch ganz genau. Aber über das Poesiealbum, das ich später in der Schulklasse herumgehen ließ, damit meine Mitschülerinnen sich darin verewigen sollten. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Johann Wolfgang von Goethe" lautet einer dieser unvergänglichen Sprüche. An einen weißen Rosenkranz von meiner Mutter kann ich mich erinnern, an Pralinenschachteln aus der Nachbarschaft, an eine selbst gestrickte Weste von Tante Anna, an die Uhr von Tante Lenchen aus Duisdorf, an nagelneue Unterwäsche von der Oma, und nicht zu vergessen die dreiteilige, goldumrandete Sammeltasse mit meinem Namen und dem Aufdruck "Der lb. Johanna, Zum Andenken an die erste heilige Kommunion, 24. April 1960". Die bekam ich von der Patentante, und ich besitze sie noch heute.

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