Der Gang zu den sieben Kreuzen in Gillenfeld

Günter Schenk, Gillenfeld

Ein weitgehend in Vergessenheit geratener Brauch ist der Gang zu den sieben Kreuzen; ein religiöser Brauch, erwachsen aus den „Sieben Fuß- oder Kniefällen", einer Urform des Kreuzweges.

Seit dem späten Mittelalter von Jerusalempilgern ins Rheinland übertragen, stellte der Gang zu den sieben Fuß- oder Kniefällen eine Prozession durch den Ort oder die Flur dar, wobei an sieben Wegekreuzen, Kapellen oder Heiligenhäuschen jeweils einer Station aus der Passion Jesu betend gedacht wurde. Den Namen erhielt der Bittgang von dem Ritus, sich an den Stationen mit beiden Knien gleichzeitig zu Boden zu werfen.

Das Kreuz am Glockenturm. Eine der Stationen der „Sieben Kreuze" in Gillenfeld

Vielerorts, besonders im Rheinland, finden sich noch heute Prozessionswege, an denen sich die Fußfälle mit Darstellung der Leidensszenen Jesu auf Reliefs in Bildstöcken außerhalb der Orte aneinanderreihen und in lebendiger Tradition auch jetzt noch betend und bittend gegangen werden.

Diese Ursprungsform der Leidenserinnerung Jesu Christi hat sich später in unserem Raum mit dem „Gang zu den sieben Kreuzen" in einen Sterbebrauch gewandelt.

Lag ein Mensch hoffnungslos danieder und wurde nicht vom Tod von seinem Leid erlöst, oder hatte der Sterbende einen schweren Todeskampf auszustehen, so wurden die sieben Kreuze betend aufgesucht.

Zunächst war es die Aufgabe der Kinder: Knaben bei männlichen Schwerkranken und Mädchen bei einer weiblichen Person.

Gebetet wurde der schmerzhafte Rosenkranz, der mit der Schlussbitte endete: „Herr gibt dem Kranken, was ihn selig macht!" Damit wurde Gott angefleht, er möge den Kranken entweder von seinem schweren Leiden erlösen und ihm eine gute Sterbestunde schenken oder ihn wieder gesundmachen.

Der Ablauf der Bittgänge unterlag festen Ritualen. In einigen Orten - wie in Gillenfeld - war selbst die Arm- und Händehaltung der Betenden vorgegeben.1

Überliefert von den ältesten Gillenfeldern ist der Gang zu den sieben Kreuzen bis in die Zeiten des Zweiten Weltkrieges; allerdings nicht mehr durch Kinder, sondern durch Erwachsene bzw. gemischte Gruppen. Dabei ergriff ein Familienangehöriger oder eine Person aus der Nachbarschaft die Initiative und versammelte aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis des Schwerkranken eine Prozession, die die sieben Kreuze aufsuchte. In Gillenfeld befanden sich diese: Das erste am Kirchberg - an der Zufahrt zum Pfarrhaus, drei weitere in der Friedhofsmauer hinter der Kirche, dann das äußere Kreuz am Glockenturm, der Bildstock am Hoff und als Letztes das Berger Heiligenhäuschen.

Es existieren noch alle 7 Kreuze bzw. Stationen in Gillenfeld, allerdings finden wir nicht mehr alle an den alten Standorten.2 Jedoch ist die Erinnerung an den Sterbebrauch verblasst und den jüngeren Generationen ist der Brauch überhaupt nicht bekannt.

Bis fast in die Gegenwart, d.h. bis in die 1960er Jahre, hielt sich der Brauch, für die Verstorbenen während des Trauerjahres zur Dreifaltigkeitskapelle bei Immerath zu pilgern. Verwandte, Nachbarn, Freunde des Toten zogen bei schönem Wetter, den Rosenkranz und die Aller-Heiligen-Litanei betend, durch Felder und Wiesen, des Verstorbenen gedenkend, zu der kleinen Kapelle auf der Höhe über dem Immerather Tal. Auch viele Kinder nahmen an den Prozessionen zur Dreifaltigkeitskapelle teil. Aber auch diesen Bittgang gibt es nicht mehr. Heute müssen wir den Weg ins Jenseits ohne die Hilfe der traditionellen Bet- und Bittgänge finden.

Anmerkungen:
1 Georg Jakob Meyer und Klaus Freckmann „Wegekreuze und Bildstöcke in der Eifel, an der Mosel und im Hunsrück"
2 Siehe „Gillenfeld 1016 - 2016", Seite 522 ff.