Verhängnisvoller Osterbrauch

Günter Schenk, Gillenfeld

In früheren Zeiten glaubten die Gillenfelder Bauern, dass derjenige, der am Ostersonntag als Erster sein Vieh am Peleboar tränkte, das ganze Jahr über das beste und schönste Vieh besaß. Der Peleboar war die öffentliche Brunnenanlage und Viehtränke des Oberdorfes, an der heutigen Vulkanstraße gelegen. Am Ostersonntag 1887 wollten die Gebrüder Thomas den Bonus des konkurrierenden Brauches für sich und ihr Vieh in Anspruch nehmen. So waren sie in aller Herrgottsfrühe in ihrem Gehöft im Oberdorf auf den Beinen. Vor der kalten Tränke am Peleboar wurde das Vieh gefüttert, damit der fromme Wunsch den Tieren nicht auf den Magen schlagen sollte. Eifrig wurde auf dem Scheunenboden Heu gerupft und in die Tenne geworfen. In der Hektik fiel Heu auf das dort aufgestellte offene Licht und fing Feuer. Die sofort lichterloh brennende Scheune vermochten die Brüder Thomas nicht mehr zu löschen. Schnell hatte sich der „Rote Hahn" einen Weg durch das Stroh gedeckte Dach gebahnt und sandte mit den „Fahrmöschen"1 das Verderben auf die eng stehenden Strohdächer der Nachbarn aus. Der direkte Nachbar war Matthias Teusch. Dieser, nicht auf schönes Ostervieh bedacht, schlief noch und wurde durch seine Magd alarmiert. Nur mit dem Nachthemd bekleidet, rannte Matthias Teusch in den Stall um Kühe und Rinder loszubinden und aus dem brennenden Gebäude zu treiben. Als die letzte Kuh nach draußen lief, stürzte der vordere Teil des Stalles ein. Matthias war in den Flammen eingeschlossen und glaubte sich schon verloren. Da nahm er all seine Kraft und seinen Mut zusammen und sprang durch die Feuerwand nach draußen. Zwar trug er etliche Verbrennungen davon, hatte jedoch sein Leben gerettet.2

Schnell stand das ganze Oberdorf in Flammen und die Flammen leckten hinunter bis zum Gasthaus Kohla, wo damals das Anwesen Sartoris und die Zehntscheune standen. Genau bis dort hin hatte 11 Jahre vorher, also 1876, der Brand gewütet, der das gesamte Unterdorf zerstörte.3 Dass der Brand sich 1887 nicht weiter ausdehnte und auch einige Hofstellen im Oberdorf gelöscht werden konnten, war sicherlich ein Verdienst der 1880 gegründeten Gillenfelder Feuerwehr. Auch gab es entgegen dem Brand von 1876 keine Toten zu beklagen. Trotzdem war das Leid der abgebrannten Familien groß. Denn zu der ohnehin herrschenden Armut kamen neue Schulden für den Wiederaufbau der Gehöfte hinzu. Ob die Thomas-Brüder, die aufgrund ihrer Unvernunft und ihrer Fahrlässigkeit die Katastrophe ausgelöste hatten, unter Repressalien der geschädigten Familien zu leiden hatten? Wurden sie strafrechtlich belangt?4 Wie kamen sie selbst mit ihrer Schuld zurecht? Einfach war dies sicher nicht, denn einer der Brüder legte das Gelübde ab, dass er zeitlebens jeden Sonntag in die Frühmesse und in das Hochamt gehe. Und das soll er auch gehalten haben.

Anmerkungen:
1 Funken
2 Überlieferung der Familie Teusch / Mohr
3 Die beiden Brände sind ausführlich in der Chronik „Gillenfeld 1016 - 2016" beschrieben
4 Seit 1837 waren „vollständig geschlossene" Laternen vorgeschrieben