Zur Geschichte des spätmittelalterlichen Münzschatzes aus Auel

Peter May, Koblenz

Im Jahr 2015 jährte sich der Fund einer größeren Anzahl von Goldmünzen in einem Eifeler Bauernhaus zum sechzigsten Mal. Dieses kleine Jubiläum soll Anlass sein, an die Aufdeckung des Schatzes zu erinnern und über sein weiteres Schicksal zu berichten. Es handelt sich um insgesamt 90 Goldmünzen (74 Goldgulden, 9 Lion d'ors, 4 Ecus ä la couronne und 3 unbestimmte) aus der Zeit vom Beginn des 15. Jh. bis 1494 (Abb. 1). Der Münzschatz dürfte gegen Ende des 15. Jahrhunderts versteckt worden sein.

In den Wiederaufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg war in der landwirtschaftlich geprägten Eifel ein bescheidener Wohlstand angekommen, der es manchem Bewohner erlaubte, sein altes Wohneigentum zu modernisieren. So plante auch der damalige Besitzer des „Kellers-Hauses", einem alten Bauernhof in dem Dorf Auel in der westlichen Vulkaneifel, eine umfassende Renovierung und Erweiterung seines Wohnhauses nebst angebautem Stall und Scheune. Das Wohngebäude, ein großzügiges, zweigeschossiges Bruchsteinhaus (Abb. 2), ist im Jahr 1755 an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet worden, wie die Inschrift über der Haustür verrät (Abb. 3). Erbauer des Hauses war der durch glückliche Umstände zu Vermögen gekommene Oberst und spätere Priester Johann Michael Baur (1707 - 1779), ein Spross aus dem Stammhaus Kellers. Bis in die 1950er Jahre bestand das Erdgeschoss des Wohnhauses aus einer großen Wohnküche mit Backofen und offener Feuerstelle, dessen Boden mit Steinplatten belegt war. Einen Keller hatte das Haus noch nicht. Als im Zuge der Umbauarbeiten der Boden im Erdgeschoss ausgekoffert wurde, kam unvermittelt der Münzschatz zutage. Das Ausschachten erledigten zwei Arbeiter - ein Sohn der Familie und ein Mann aus der Nachbarschaft. Der Sohn berichtet:

„Der Fund wurde im Frühjahr 1955 beim Ausgraben des Kellers im Elternhaus meines Vaters entdeckt. An dem Tag des Fundes waren P. L. und ich unten im Keller. Während P. mit der Kreuzhacke Erde und Steine lockerte, brachte ich das Erdreich in einen Eimer, den E. anschließend mit einem Seil hochzog, um ihn in eine Schubkarre zu kippen. Wir waren schon wenigstens zehn Tage am Graben bei einer Tiefe von rund zwei Metern. Nicht weit von der Fundstelle fanden wir ebenfalls eine Feuerstelle mit Asche und Kohlen. Niemand außer uns beiden war unten. Ich hörte ein Scherbenbrechen und das Klingen von Münzen, die aus einer Tonvase auf den Boden fielen. Rasch sammelte ich alle Münzen auf und steckte sie in meine Hosentasche, bin auch sicher, dass P. keine Münzen genommen hat. Sofort rief ich E., dass er herunter kommen sollte. Die Scherben des Krügleins versteckte ich in einem Schlitz der Mauer von S.' Garten. Leider habe ich sie nie mehr gefunden."

Pflichtgemäß meldete der Studienrat J. K. aus der Verwandtschaft des Hausbesitzers den Schatzfund der zuständigen Denkmalbehörde, dem Rheinischen Landesmuseum in Trier. Nachdem die Fundmünzen durch die Bonner Numismatikerin Wilhelmine Hagen wissenschaftlich bearbeitet worden waren, wurde der Aueler Schatzfund im Jahr 1965 - zusammen mit weiteren rheinischen Münzschätzen - in der renommierten „Trierer Zeitschrift" publiziert. In den Jahren 1957 und 1960 verhandelte das Rheinische Landesmuseum in Trier mit dem Eigentümer über einen Ankauf des Münzschatzes. Der Besitzer des Schatzes und des Stammhauses zog es aber vor, die Münzen zu behalten und an seine zwölf Kinder zu verteilen - um so das Andenken an den Ahnherren und früheren Erbauer des Elternhauses, Johann Michael Baur, in der Familie zu erhalten. Im Jahr 1961, nachdem der alte Besitzer des Kellers-Hauses verstorben war, wurde der Münzschatz aufgeteilt und zu zwölf gleichen Teilen an die Kinder des Hausbesitzers verteilt; je eine Goldmünze erhielten der an der Entdeckung beteiligte Arbeiter und der genannte Studienrat J. K. Drei Münzen waren schon vor der wissenschaftlichen Bestimmung veräußert worden. Seitdem ist der Schatzfund in alle Winde zerstreut, teilweise bis nach Nord- und Südamerika. Soweit durch Recherchen in den Jahren 2010 - 2012 vom Verfasser ermittelt werden konnte, befinden sich aber noch alle Münzen (mit den genannten Ausnahmen) im Besitz der weitläufigen Familie.

Münzschatz Auel

Abgesehen von der geldgeschichtlichen Bedeutung des Münzschatzes, die von Wilhelmine Hagen bereits gewürdigt worden ist, stellt sich die Frage, warum vor gut fünfhundert Jahren die Münzen vergraben wurden. Zu denken wäre insbesondere an kriegerische Ereignisse, die sich oftmals in exakt datierbaren „Schatzfundhorizonten" widerspiegeln. Allerdings sind weder größere kriegerische Auseinandersetzungen noch sonstige Krisen oder Katastrophen an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert in der Eifel festzustellen, die konkret in Betracht zu ziehen wären. Das gilt auch für die großen europäischen Pestepidemien, die auch die Eifel schwer getroffen haben. Diese sind deutlich früher (1347/48) bzw. später (1604-37) als der hier interessierende Zeitpunkt anzusetzen. Es dürfte also andere, vielleicht ganz persönliche Gründe für die Vergrabung der Münzen gegeben haben.

Hierfür spricht auch die Zusammensetzung des Münzschatzes: Da ausschließlich Goldmünzen vorhanden sind, hingegen minderwertigeres Kleingeld fehlt, dürfte es sich nicht um schnell zusammengerafftes Bargeld, sondern eher um einen über längere Zeit zusammengetragenen Geldvorrat handeln. Auch scheint es wenig wahrscheinlich, dass der Münzschatz von einem Raubzug stammt oder hastig verstecktes Diebesgut ist. Man muss davon ausgehen, dass die Münzen nicht im freien Gelände versteckt wurden, sondern in aller Ruhe und gut geborgen innerhalb der eigenen vier Wände. Bei jüngeren Umbauarbeiten, die in den 1990er Jahren im Kellers-Haus stattfanden, konnte aus einem eingebauten Eichenbalken eine Holzprobe gewonnen werden. Die Probe wurde dendro-chronologisch untersucht und bestimmt. Demnach könnte der Balken - mit einigen Vorbehalten - aus dem späten 15. Jahrhundert stammen; der letzte gemessene Jahrring datiert in das Jahr 1445. Das Haus Kellers, das nach örtlicher Überlieferung zu den sieben „Stock-Häusern" gehörte, also zu den alteingesessenen Grundbesitzern des Dorfes Auel (erste urkundliche Erwähnung als „Ovele" im Jahr 1222), dürfte mithin schon an Ort und Stelle gestanden haben, als der Schatz im Boden vergraben wurde. Möglicherweise ist nach der Vergrabung des Schatzes bei einer Erneuerung des Hauses der Boden planiert und aufgehöht worden (wofür die von den Findern beobachtete „Feuerstelle mit Asche und Kohlen" sprechen würde; zu denken wäre hierbei auch an einen Brandhorizont) und das Wissen um die versteckte Barschaft - aus welchen Gründen auch immer - verloren gegangen. Ein anderer denkbarer Verbergungsgrund könnte die Einführung einer neuen Steuer zu damaliger Zeit gewesen sein. Der „Gemeine Pfennig" war eine Reichssteuer, die auf Betreiben Kaiser Maximilians I. im Jahr 1495 auf dem Reichstag zu Worms beschlossen wurde, um dem Kaiser die Mittel für die Kriege gegen Frankreich und das osmanische Reich zu verschaffen. Sie sollte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation von jedem Untertanen ab dem 15. Lebensjahr gezahlt werden. Ihre Einziehung stieß aber überall auf so große Schwierigkeiten, dass die Steuer 1505 ausgesetzt wurde. Das jüngste Gepräge im Aueler Münzschatz, ein Frankfurter Goldgulden auf König Maximilian I., ist 1494 geschlagen worden, also genau ein Jahr vor der Einführung der neuen Steuer. Oder anders formuliert: Kurze Zeit, nachdem die neue Steuer beschlossen worden war, ist der Münzschatz in den Boden gelangt. Ein Zufall? Wollte sich der Besitzer des Kellers-Hauses vielleicht der drohenden Abgabe entziehen, indem er sein beträchtliches Barvermögen sorgsam vor den Einnehmern versteckte?

Man wird in Betracht ziehen müssen, dass es damals noch keine Bankschließfächer, Sparbücher und Girokonten gab. Für die einfache Landbevölkerung war es naheliegend, etwaiges Geldvermögen einem geheimen Versteck anzuvertrauen, um es vor Raub, Diebstahl, Beschlagnahme oder sonstigem unerwünschten Zugriff zu bewahren. So mag auch die Verbergung der Münzen in Auel seinerzeit eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen sein. Hierzu würde gut ein anderes Datum passen: Im Jahr 1498 starb Graf Dietrich III. von Manderscheid-Blankenheim, zu dessen Herrschaftsbereich auch das Dorf Auel gehörte. Graf Dietrich, der seit 1469 regierte, war vermögend und angesehen. Zudem stand er an der Spitze eines Bündnisses unter Eifeler Dynasten zur Bekämpfung des damals grassierenden Räuber- und Raubrittertums. Vor seinem Tode teilte er seinen Besitz auf und vermachte ihn seinen drei Söhnen. Erbstreitigkeiten waren zu erwarten, vielleicht auch höhere Zwangsabgaben durch den neuen Landesherrn. So mag die Angst vor unsicheren Zeiten den Besitzer der Münzen veranlasst haben, sein Geld gut zu verstecken und im Erdboden zu vergraben. Wie aber war es überhaupt möglich, dass ein Bauer, ein gemeiner Untertan in den Besitz einer solchen Menge Goldes kommen konnte? Ein möglicher Erklärungsansatz für die Herkunft des Geldes ergibt sich aus der Tatsache, dass das Dorf Auel direkt an die einstmals überregional bedeutsame Fernhandelsstraße Koblenz-Lüttich angebunden war; die Straßentrasse verlief nur wenige Hundert Meter vom Kellers-Haus entfernt. Auf dem Fernhandelsweg, der die reichen Städte in Brabant und Flandern mit dem Rhein und den Handelsmetropolen Frankfurt und Köln verband, wurden neben Moselwein, Eisen und Salz auch lokale landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Wolle, Getreide, Holz und Holzkohle transportiert bzw. gehandelt. Möglicherweise konnte der Besitzer des Kellers-Hauses die Erzeugnisse seines Bauernhofs gewinnbringend an durchreisende Händler verkaufen. Immerhin ließe sich der relativ hohe Anteil von niederländischen Münzen in dem Münzschatz - mit immerhin 25 Exemplaren mehr als ein Viertel des gesamten Fundes - mit Verkaufsgeschäften in ebendieses Gebiet erklären. Wobei W. Hagen, a. a. O., allerdings darauf hinweist, dass rheinische Münzschätze vom Ende des 15. Jahrhunderts und Anfang des 16. Jahrhunderts regelmäßig einen höheren Anteil an niederländischen Münzen aufweisen.

Schließlich wäre noch an eine weitere lokale Verdienstmöglichkeit zu denken, die zur Anhäufung des Münzschatzes geführt haben könnte. Auf dem erloschenen Vulkan „Killenberg" nördlich von Auel ist wahrscheinlich schon seit der Römerzeit, sicher aber seit dem Mittelalter und noch bis in das 19. Jahrhundert hinein der anstehende Palagonittuff abgebaut und verhandelt worden. Aufgrund seiner Hitzebeständigkeit war der Tuff ein gesuchter Rohstoff für Backofensteine, aber auch Bau- und Werksteine wurden in großen Mengen gewonnen, wie die heute noch sichtbaren mächtigen Abraumhalden am Killenberg belegen. Das Kellers-Haus liegt nur einen halben Kilometer von dem Steinbruch entfernt und es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sein ehemaliger Besitzer dort Grundbesitz oder Abbaurechte hatte und die gebrochenen Steine mit Gewinn verkaufte.

Kellers-Haus um 1955

Türinschrift am Kellers-Haus

In der Familie aus dem Kellers-Haus gibt es noch eine ganz eigene Deutung des Münzschatzes. Es wird erzählt, dass der Goldschatz aus dem Besitz einer unehelichen Tochter eines deutschen Königs oder Kaisers stammen soll. Nach einer anderen Meinung soll das Gold aufgrund blutsverwandtschaftlicher Verbindungen von Philipp dem Guten (13961467, Herzog von Burgund) herkommen, der als Münzherr auf einigen Geprägen des Schatzfundes auftritt. Eine schöne Geschichte, die allerdings kaum zu belegen sein dürfte. Bemerkenswert bleibt auf jeden Fall der seinerzeit erhebliche Wert der verborgenen Münzen, der für einen einfachen Eifeler Bauernhof am Ende des Mittelalters zumindest ungewöhnlich ist. Annäherungsweise lässt sich der damalige Wert des versteckten Geldes erahnen, wenn man folgende Kaufkraft eines Goldguldens im Rheinland um das Jahr 1500 annimmt:

1 Pferd

10 Gulden

Jahreslohn eines

Knechts / einer Magd

5 Gulden

1 Rind / Kuh

2 Gulden

30-40 Kilogramm Rindfleisch

1 Gulden

Auch im Vergleich zu anderen, ungefähr zeitgleichen Münzschatzfunden aus dem Rheinland sticht der Aueler Schatz mit 90 Goldmünzen sowohl quantitativ als auch qualitativ hervor. So bleibt auch die plausibelste aller Deutungen, nämlich dass es sich bei dem Münzschatz um nichts anderes handelt, als um die langjährigen Ersparnisse eines zu seiner Zeit wohlhabenden Bauern, letztendlich fragwürdig. Unserer Fantasie ist bei der Frage, wer denn und warum so viel Gold im Boden vergraben hat, nach wie vor keine Schranke gesetzt.