1848 - Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland

mit dabei als Abgeordneter in der Paulskirche Christoph Becker aus Daun

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Christoph Becker aus Daun

Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, waren die Jahre ab 1840 gekennzeichnet von Missernten, wirtschaftlichen Krisen und Massenarmut. Zudem regierten die Preußen absolutistisch und förderten so das Klima einer politischen Unzufriedenheit, die letztlich in zahlreichen europäischen Staaten und in Deutschland zu revolutionären Aufständen führte, mit den Forderungen nach Grund- und Freiheitsrechten und einer deutschen Einheit. Ihren Höhepunkt erreichten die Protestaktionen in der sogenannten „Märzrevolution" am 18. März 1848 in Berlin, wo der dortige Barrikadenaufstand über zweihundert Tote und weit über tausend Verletzte forderte. Dies führte zu Zugeständnissen und Versprechen der königlich-preußischen Regierung und der Regierenden in den deutschen Einzelstaaten, wie die Gewährung der Presse- und Vereinsfreiheit und Wahlen zu einem deutschen Nationalparlament. Ende März 1848 wurde entschieden, die Mitglieder zu dieser Nationalversammlung von „selbständigen" Männern (ein Frauenwahlrecht existierte noch nicht) wählen zu lassen. Dieses erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament, das u.a. eine Verfassung auszuarbeiten hatte, tagte vom 18. Mai 18481 bis zum 29. Mai 1849 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main und ging unter dem Begriff „Frankfurter Nationalversammlung" in die Geschichte ein. Diese bestand aus 585 Abgeordneten2. Unter diesen befand sich auch Christoph Becker aus Daun, der vom Landrat des Kreises Daun, Heinrich Friedrich von Selasinsky (18391851), für den 1. Wahlkreis Rheinland in Schönecken vorgeschlagen worden war. Christoph Becker wurde am 15. Juni 1814 als letzter Sohn von sieben Kindern des Dauner Bürgermeisters, Gutsbesitzers und Friedensrichters Ägidius Becker (* 21.09.1764 in Rockeskyll; + 31.03.1843 in Daun) und dessen Ehefrau Maria Anna Theresia Johanna Palland (* 02.08.1774 in Wildenburg; + 23.04.1838 in Daun) geboren.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Trier, wo er 1834 das Abitur bestand, studierte Christoph bis 1836 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn - dort trat er auch der Studentenvereinigung Corps Palatia Bonn bei - und anschließend bis 1838 in Berlin Rechtswissenschaften. Im gleichen Jahr wurde er „zum Auscultator (= Jurist, der seine erste Staatsprüfung bestanden hat) ernannt und am 14.11.1838 beim Königlichen Landgericht in Trier verpflichtet"3, wo er ebenfalls 1846 die Assessorenstelle übernahm. Im Mai 1848 wurde er als Kandidat für die Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt a.M. aufgestellt und zum Abgeordneten in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt, wo er die Eifelkreise Bitburg, Daun und Prüm vertrat (Wahlkreis I der Rheinprovinz). Er schloss sich der linksliberalen Fraktion „Württemberger Hof'4 an und stimmte für die Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum Erbkaiser der Deutschen.

Als dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 das Amt „Kaiser der Deutschen' angetragen wurde, lehnte dieser die Kaiserkrone ab und schrieb: „Die Krone, die ein Hohenzoller nehmen dürfte, ist eine, die den Stempel Gottes trägt, die den, dem sie aufgesetzt wird, nach der heiligen Salbung, von Gottes Gnaden macht... Diese Krone aber ist verunehrt mit dem Ludergeruch der Revolution von 1848. Eine solche, aus Dreck und Letten5 gebacken, kann ein legitimer König von Gottes Gnaden und nun gar der König von Preußen sich nicht geben lassen". Damit waren die Bemühungen der Nationalversammlung um eine Verfassung und die Errichtung eines deutschen Nationalstaats gescheitert. Christoph Becker verließ Frankfurt, trat 1851 die Stelle eines Gerichtsassessors in Elberfeld und 1853 in Köln an. Die Stelle eines Friedensrichters in Elberfeld bekleidete er lediglich ein Jahr (1858-59), da er 1859 (bis 1861) zum Landgerichtsrat und Instruktionsrat in Simmern und Koblenz6 berufen wurde. Von 1862 bis 1866 war Becker für den Wahlkreis Simmern-Zell-Kreuznach erneut als Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses für das "Linke Zentrum" politisch aktiv. Mit 65 Jahren wurde er dann 1879 zum Landgerichtspräsidenten in Düsseldorf ernannt und erhielt den Ehrentitel „Geheimer Justizrat". „Die Jahre unter Landgerichtspräsident Becker waren angefüllt mit stiller Arbeit zur Anpassung der Rechtspflege an die neuen Aufgaben, die der wirtschaftliche Aufschwung nach dem gewonnenen Kriege von 1870/71 und die Gründung des Deutschen Reiches mit sich brachten... Die Friedensgerichte des Landgerichtsbezirkes wurden neu geordnet, zu Amtsgerichten umgestaltet und ihre Zuständigkeit wesentlich erweitert... Das Landgericht Düsseldorf war damit zuständig für mehr als 426 600 Bewohner..."

Bekanntmachung der Wahlen zur deutschen Nationalversammlung

Totenzettel von Christoph Becker

Christoph Becker blieb sein Leben lang unverheiratet. Nach seiner Pensionierung 1883 zog er in seinen Geburtsort Daun zurück, wo er am 24. April 1886 bei einem Spaziergang durch die Wiesen seines Familiengutes „Eischeiderhof" an einem Schlaganfall verstarb und am Mittwoch, dem 28.4. im Familiengrab auf dem Friedhof an der St. Nikolauskirche Daun beigesetzt wurde.

Quellen:

Böse Heinz-Günther, in: Monz, Heinz (Hrsg.): Trierer Biographisches Lexikon. Trier 2000

Conrad Horst / Haunfelder Bernd: Preußische Parlamentarier, 1986

Verein für Düsseldorfer Rechtsgeschichte (Hrsg): Düsseldorf und sein Landgericht 1820-1970

Anmerkungen:

1 gilt für Deutsche als Geburtsstunde der Demokratie

2 Die meisten waren Vertreter akademischer Berufe, Staats- und Gemeindediener, höhere Verwaltungsbeamte, Richter, Rechtsanwälte sowie Universitätsprofessoren, 38 Kaufleute und Industrielle, 4 Handwerksmeister, ein Bauer, kein Arbeiter; deswegen auch „Professorenparlament" genannt.

3 Amtsblatt der Königl. Preuß. Regierung Nr. 54 von 1838

4 Fraktion, auch „linke Mitte" genannt, die sich nach ihrem Versammlungslokal „Württemberger Hof" in der Altstadt von Frankfurt benannte und das Ziel einer parlamentarischen Monarchie mit starker Volksvertretung verfolgte.

5 Ludergeruch und Letten: Luder bedeutet in der Jägersprache Aas; Letten meist ein schluffiger bis sandiger Ton; hier in der Bedeutung: unbrauchbares Gestein

6 Berlin, 22.12.1858: „Seine königl. Hoheit, der Prinz Regent haben, im Namen Sr. Majestät des Königs, allergnädigst geruht, den Landgerichts-Assessor und Friedensrichter Christoph Becker zu Elberfeld zum Landgerichtsrat in Coblentz, und zwar bei dem Untersuchungsamte in Simmern, zu ernennen"; Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen: 1858,1 1/12