Wandel als Chance

Anja Saupe, Daun

„1.000 Ideen für die Zukunft - der demografische Wandel als Chance", als ich den Titel des Heimatjahrbuchs 2019 des Landkreises Vulkaneifel gelesen habe, dachte ich: .Moment mal, das ist ja genau mein Thema!'

Seit 2014 bin ich bei der Kreisverwaltung Vulkaneifel für „Demografie, Struktur- und Kreisentwicklung" tätig und während meine Stelle zunächst in die Zentralabteilung eingegliedert war, ich aber vorübergehend auch einige Zeit bei der Wirtschaftsförderungsge-sellschaft gesessen habe, bin ich seit Juni 2017 Teil der Abteilung „Struktur- und Kreisentwicklung". Hier sind nun alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung vereint, die sich mit ihrer Arbeit direkt oder indirekt mit der vorausschauenden Weiterentwicklung des Landkreises beschäftigen: Dorferneuerung, LAG-Geschäftsstelle, Breitband, Natur- und Artenschutz, Kreisstraßen und eben Demografie, Struktur- und Kreisentwicklung. Eine intensive Zusammenarbeit besteht zudem zu den Kolleginnen und Kollegen der Natur- und Geopark GmbH, mit denen wir eine Etage in unserem Bürogebäude in der Freiherr-vom-Stein-Straße 15a teilen und die seit Oktober 2017 einen Klimawandelmanager zu ihrem Team zählen können.

1.000 Ideen sind es wahrscheinlich nicht, die hier entwickelt werden, aber das Spektrum reicht enorm weit: Viele wichtige und vor allem strategisch relevante Themenfelder, wie z.B. Gesundheitsversorgung, Digitale Gesellschaft/ Gigabitausbau, Dorfinnenentwicklung/Soziale Dorfentwicklung, Ehrenamt, Elektromobilität, nachhaltige Energienutzung, Projektfinanzie-rung/Fördermittel, Natur-, Klima- und Artenschutz oder Regionalmarketing werden in unser Arbeit berücksichtigt oder sogar vollständig abgedeckt. An dieser Stelle ist es nun aber nicht meine Absicht, die vielen - beinahe unzähligen - Projekte und Vorhaben aufzuzählen, die bereits bearbeitet werden oder sich in konkreter Planung befinden. Ich möchte auch keine demografischen Zahlen referieren. Vielmehr interessiert mich die folgende Frage: Warum hat ausgerechnet die Vulkaneifel das Potenzial auch in Zukunft eine lebendige und lebenswerte Region zu sein?

Der im Buchtitel angesprochene demografische Wandel ist nicht die einzige Herausforderung, der wir uns heutzutage stellen müssen. Alles verändert sich. Ständig. Dies betrifft uns in jedem gesellschaftlich relevanten Kontext. Die Zeit des kalten Krieges, in der die Welt politisch und wirtschaftlich stabil zu sein schien, ist längst vorbei. Seither wird unser Alltag von Krisen und Wandel bestimmt: Wirtschaftskrise, Wachstumskrise, Flüchtlingskrise, Regierungskrise, Klimawandel, Terrorismus, Globalisierung, Turbokapitalismus und dazu ein technologischer Fortschritt, der geradezu atemberaubend ist. Wer hätte je gedacht, dass es einmal eine digitale Parallelwelt mit identitätsstiftendem Charakter geben würde? Unser Leben wird durch eine enorme Dynamik bestimmt. Die Anpassung an Neues und der Umgang mit Ungewohntem und Fremdem sind dadurch zur Alltagserfahrung geworden. Für viele Menschen gilt, was Alice Merton in ihrem Hit „No roots" besingt: Ich habe keine Wurzeln. Der Lebensmittelpunkt liegt dort, wo man sich gerade aufhält, der Lebensweg besteht aus zahlreichen aneinander gereihten oder sich überschneidenden Projekten - beruflich wie privat.

Genau hier liegt die Stärke der Vulkaneifel: Sie bietet eine Heimat, hier kann man Wurzeln schlagen. Die Menschen hier erlebe ich als sehr bodenständig, und ich meine dies im positiven Wortsinn. Sie sind verantwortungsvoll, zuverlässig und haben viel Gemeinschaftssinn. Sie reden Klartext und sie sind authentisch, was ich persönlich besonders schätze. Noch niemals war Selbstvermarktung so einfach und so unentbehrlich, wie es in den sogenannten „sozialen" Medien im Internet der Fall ist, wo die Kommunikation vor allem durch ein hohes Maß an Anonymität und Unverbindlichkeit geprägt ist. Ein Trend, der sich auch in der Realität oft beobachten lässt. Die Direktheit meiner Vulkaneifeler Kolleginnen und Kollegen finde ich daher meist sehr erfrischend! Diese Bodenständigkeit bietet aber mehr als ein angenehmes Gesprächsklima. Sie bietet eine gute Lebensgrundlage, weil das soziale Umfeld wahrhaftig ist und Kontakte von echtem Interesse und Hilfsbereitschaft getragen werden. Welche Region, welcher Standort könnte bessere Voraussetzungen für die Existenz- und Familiengründung bieten?

Es gibt eine weitere Eigenschaft, die mich an den Menschen in der Vulkaneifel sehr begeistert und die mich zu der Annahme veranlasst, dass sie für die Zukunft gut gerüstet sind: Es ist die Fähigkeit zum lösungsorientierten Denken. Sehr oft in meiner täglichen Arbeit, im Umgang mit Kollegen und Kolleginnen, aber auch - und besonders - im Kontakt mit aktiven Menschen vor Ort fällt mir diese besondere Fähigkeit auf. Oft habe ich bei kniffeligen Problemen oder in scheinbar verfahrenen Situationen den Satz gehört: „Das kriegen wir schon hin." Ich liebe diesen Satz, weil in ihm ein unerschütterlicher Optimismus steckt und ich wünsche mir, ich würde ihn überall in Deutschland hören können. Wer diesen Satz ausspricht, trifft die Entscheidung, sich auf Handlungsmöglichkeiten zu konzentrieren und bewusst nicht auf die Dinge, die einer Problemlösung im Wege stehen. Damit ist man zwar noch nicht am Ziel, aber eben auch nicht in eine „Schockstarre" verfallen. Denn wer diesen Satz ausspricht entscheidet sich auch dazu, keine Angst vor einem Problem zu haben. Das ist wichtig, denn ohne Angst kann man entspannter denken und man ist kreativer. Auf diese Weise ergeben sich Auswege und Alternativen häufig fast wie von selbst. Dabei ist es egal, ob es sich um eine banale Panne im Arbeitsalltag oder um gravierende Veränderungen wie die demografische Überalterung und den Bevölkerungsrückgang handelt. Entscheidend ist die Betrachtung eines Problems als eine Herausforderung, die nicht nur grundsätzlich zu meistern ist, sondern unter Umständen sogar auch neue Ideen und Verbesserungen hervorbringen kann.

Meine Antwort auf die oben gestellte Frage lautet also: Die Vulkaneifel bietet die notwendige Stabilität und Festigkeit zum „Verwurzeln", gleichzeitig besitzt sie ein hohes Maß an Flexibilität und ist dadurch in der Lage die Zukunft konstruktiv zu gestalten. Wenn sich die Menschen in der Vulkaneifel dieser Stärken bewusst sind und sie gemeinsam einsetzen, wird die Zukunft voller Möglichkeiten stecken. Dass dies bereits der Fall ist, könnte durch die steigenden Geburtenzahlen belegt werden: Laut Bundesinstitut für Bevölkerung liegt die Geburtenrate aktuell bei durchschnittlich 1,83 Kindern pro Frau. Damit belegt unser kleiner Landkreis Platz 10 der insgesamt 402 Landkreise und Städte in Deutschland!