Aufgeweckt - Zukunft made im Dorf

Verena Welter, Daun

Was bewegt die Menschen in unseren Dörfern? Was ist schon oder noch gut, was sollte besser werden? Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Das sind alles Fragen, auf die ein außenstehender Betrachter keine passende allgemeingültige Antwort finden wird. Wer das aber kann, sind die Experten in unseren Dörfern. Solche Experten sind jede

Visionsphase bei der Zukunfiskonferenz in Darscheid, November 2017, © WEGE-Büro der Verbandsgemeindeverwaltung Daun

Bürgerin und jeder Bürger mit all ihren Erfahrungen und Interessen, egal ob jung oder alt. Wie gewinnt man diese Experten und begeistert sie davon, im Plural zu denken? In der Verbandsgemeinde Daun hat man erkannt, dass eine nachhaltige Entwicklung nur mit der Weisheit der Vielen gelingen kann. Diese Erkenntnis stammt aus dem im Jahr 2010 von Bürgermeister Werner Klöck-ner initiierten WEGE-Prozess. WEGE steht für Wandel erfolgreich gestalten. Hinter diesem Slogan verbirgt sich ein breit angelegter Bewusstseinsbildungsprozess, der es zum Ziel hat, die Verbandsgemeinde mit all ihren Orten im Hinblick auf den demografischen Wandel zukunftsfähig zu gestalten. Beteiligung wird in diesem Prozess großgeschrieben. Unter anderem neben den Aktivitäten in zahlreichen Arbeitsgruppen, die sich mit den verschiedensten Facetten des demografischen Wandels beschäftigen, bietet das WEGE-Team seit dem Jahr 2016 sogenannte Zukunftskonferenzen an. Dabei handelt es sich um eine von Marvin Weisbord (USA) entwickelte Methode, um in Großgruppen

Ziele zu erarbeiten, gemeinsame Werte zu entdecken und aus den Visionen bzw. Ideen einen konkreten Handlungsplan zu entwickeln. Das mag auf den ersten Blick vielleicht vom Ablauf recht starr klingen. Jede/r, der aber schon einmal in diesem Format gearbeitet hat, kann bestätigen, welch ein kreativer und mitreißender Schwung in den Orten entsteht. Zukunftskonferenzen gab es bisher in Sarmersbach, Schönbach, Mückeln, Strotzbüsch, Gillenfeld, Bleckhausen, Brockscheid, Dreis-Brück, Darscheid/Hörscheid und Mehren. Dort arbeiten nun insgesamt rund 80 Arbeitsgruppen äußerst motiviert, um ihr Dorf (noch) lebens- und liebenswerter zu gestalten.

Von gestern über heute zu morgen

In der Regel an einem ganzen Samstag und an einem Sonntagvormittag kommen die Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde auf Einladung des Ortsbürgermeisters zur Zukunftskonferenz zusammen. Vorbereitet und moderiert wird das Format durch Bürgermeister Werner Klöckner und das WEGE-Büro

der Verbandsgemeindeverwaltung, bei Bedarf unterstützt durch weitere Mitarbeiter/ -innen der Behörde.

Bevor man in die Zukunft schaut, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Was ist in der Welt geschehen? Welche Entwicklungen haben das Dorf und das Zusammenleben dort, aber auch das Leben jedes Einzelnen geprägt? Häufig genannt wird die Schließung der Dorfschule, das Wegbrechen dörflicher Infrastruktur, aber auch Veränderungen in der Kommunikation u. a. durch die Tatsache, dass man heute viel mobiler ist und daher das Miteinander im Dorf ein anderes ist, als es früher war. Schon hier wird deutlich, dass man im Dorf viele gemeinsame Themen hat und sich Entwicklungen trotz aller Individualität auch ähneln. Ein für den weiteren Verlauf einer Zukunftskonferenz bedeutsames Gemeinschaftsgefühl entsteht. Auch die Gegenwart wird im Rahmen der Zukunftskonferenz beleuchtet. Was hemmt das Dorf? Was sind die Stärken, die es auszeichnen? In dieser Phase wird deutlich, wo Handlungsbedarf und Entwicklungspotenzial

besteht. Dies verstehen wir als gegenwärtige Realität, nicht als eine Auflistung zu lösender Probleme. Es entsteht eine Energie für gemeinsames Handeln. Der Wunsch nach einem stärkeren Miteinander von Jung bis Alt, fehlende Infrastruktur, eingeschränkte Mobilität und eine ausbaufähige Kommunikation sind Punkte, die in vielen Dörfern auftauchen. Doch letztlich hat jedes Dorf seine besonderen Stärken, aber auch Herausforderungen, sei es beispielsweise durch die Lage, die Kultur des Zusammenlebens oder auch die Altersstruktur. Dann folgt der Blick in die Zukunft. Zunächst soll herumgesponnen werden. Alle Ideen werden aufgeschrieben. Geld oder sonstige Rahmenbedingungen mit ggfls. einschränkender Wirkung werden komplett ausgeblendet. Nur so kann der Blick geweitet werden und ein Bild einer idealen Zukunft entstehen. In einem weiteren Schritt gilt es dann, sich anhand dieser Visionen auf gemeinsame Ziele und konkrete Maßnahmen zu verständigen. Es bilden sich Arbeitsgruppen, die einen oder mehrere Aspekte aufgreifen und eigenver-

antwortlich angehen. Aus Resignation wird Zuversicht, aus Stillstand Bewegung.

Mit Schwung in die Zukunft

Jeder sieht zunächst nur einen Teil des Ganzen. Das Gesamtbild kann allerdings nur dann entstehen, wenn alle ihre Erfahrungen teilen und gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Im Laufe einer Zukunftskonferenz entsteht über die verschiedenen Phasen hinweg ein Schwung, ja sogar eine Aufbruchstimmung, die es zu nutzen gilt. Menschen, die sonst unter Umständen nicht regelmäßig miteinander in Kontakt stehen, kommen zusammen und arbeiten gemeinsam an der Umsetzung einer Vision für ihr Dorf. Alle Teilnehmer erfahren, dass sie als Experten für verschiedene Bereiche einen Beitrag zum Leben im Dorf leisten können. Sei es in Form von Handarbeitskursen, indem sie ihr Talent zum Texte schreiben für eine Dorfzeitung einbringen, das Ortsbild durch Maßnahmen wie einen Dorfgarten verschönern oder beispielsweise ihr Organisationstalent bei der Planung von Veranstaltungen einbringen.

Die Teilnehmer der Zukunfiskonferenz in Mehren, Mai 2018 © WEGE-Büro der Verbandsgemeindeverwaltung Daun

Dabei spielt das Alter keine Rolle und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Eine wesentliche Erkenntnis in den Zukunftskonferenzen ist auch, dass nicht alles Geld kosten muss. Oft sind es kleine Dinge wie Begegnungsangebote für Kinder, Jugendliche, aber auch für Jung bis Alt, die das Leben im Dorf bereichern. Hierbei ist der Zeiteinsatz oftmals höher als der finanzielle Bedarf und der Gewinn dabei so groß. Das Gemeinschaftsgefühl wächst und alle im Ort haben die Gelegenheit ihre Potenziale zu entfalten.

Der Vorteil eines solchen Formates liegt darin, dass die Ideen von den Teilnehmern selbst erarbeitet und entwickelt werden, keiner stülpt von oben etwas über. Positiver Effekt dieser Herangehensweise ist, dass die Menschen für ihre Ideen brennen und hochmotiviert sind, diese umzusetzen. Vieles kann innerhalb der Arbeitsgruppe eigenständig getan werden. Das WEGE-Team steht bei den übrigen Anliegen unterstützend zur Seite.

Den demografischen Wandel als Chance verstehen

Wir werden weniger, älter und bunter. Der demografische Wandel ist eine Herausforderung für die Bevölkerung. Wir sehen das in unseren Nachbarschaften beispielsweise an leerstehenden Häusern, zum Teil vereinsamten alten Menschen oder auch der überwiegend schlechten finanziellen Ausstattung unserer Gemeinden. Das sind alles Entwicklungen, die uns als Vulkaneifeler betreffen und Auswirkungen auf unser Leben hier haben. Dabei müssen wir aber nicht machtlos zusehen und darauf warten, dass „Ehmes" kommt und alles für uns regelt. Das Potenzial und die Chance, etwas zu verändern, steckt in jedem von uns. Ein neues Altersbild, eine erfüllende Gestaltung der längeren Lebenszeit und auch das gewinnbringende Miteinander von Jung und Alt bieten eine Chance für eine zukunftsweisende Entwicklung. Wir alle sind Experten mit unseren individuellen Potenzialen und benötigen Ermöglichungs-räume, wie z. B. Zukunftskonferenzen und die daraus entstehenden Arbeitsgruppen, um diese einzubringen.

Von der Vision zur konkreten Idee. Hier entsteht der Plan für einen Entspannungspfad, Mehren, Mai 2018, © WEGE-Büro der Verbandsgemeindeverwaltung Daun

Insbesondere auch die Meinung der jungen Mitbürger/-innen ist gefragt, Dreis-Brück, April 2017, © WEGE-Büro der Verbandsgemeindeverwaltung Daun

Neue WEGE

Wer neue WEGE geht, braucht Mut und Beharrlichkeit. Manchmal liegen auch Steine im WEG, die zum Teil nur mit großer Kraft beseitigt werden können. Doch dieser Einsatz lohnt sich. Es lohnt sich alleine dann, wenn wir Selbstwirksamkeit erfahren und erleben, dass wir etwas beWEGEn und unsere eigene Zukunft sowie die unserer Familienmitglieder, Nachbarn, Mitmenschen etc. mitgestalten können.