Mit Städtepartnerschaften den europäischen Bürgersinn stärken

Clara Zins-Grohe, Gerolstein

Städtepartnerschaft Gerolstein - Digoin

Über Jahrzehnte wurde politische Integration vorangetrieben. Jetzt droht sie zum Spielball populistischer Gruppierungen zu werden. Deshalb ist es wichtig, einen europäischen Bürgersinn zu entwickeln.

Europa im Alltag der Bürger und Bürgerinnen des Landkreises Vulkaneifel „greifbar machen" und allen Bevölkerungsaltersgruppen einen Zugang zu europäischen Nachbarländern bieten, ist wichtigste Hausaufgabe der Organisatoren von städtepartnerschaftlichen Beziehungen im Gerolsteiner Land.

Es gibt 20.000 Städtepartnerschaften in Europa, allein 2.200 zwischen Deutschland und Frankreich. Eine davon besteht zwischen Gerolstein und Digoin. Auf kommunaler Ebene genießt diese Städtepartnerschaft einen hohen Stellenwert und wird auch von vielen Bewohnern der Brunnenstadt als sehr wichtig erachtet. Seit ihrer Gründung vor 30 Jahren ist sie lebendig und im Zeitverlauf stabil. Damit sie in Zukunft noch an Intensität gewinnt, wurde der „Verein zur Förderung der Städtepartnerschaften der Stadt Gerolstein e.V." ins Leben gerufen. Anliegen ist: Die Städtepartnerschaften/Freundschaften sollen alle Bevölkerungsgruppen erreichen. Sie wecken Interesse - auch bei Menschen,

die sich vielleicht im Alltag nicht so sehr von einem „ Europa der Bürger" angesprochen fühlen. Ein inhaltlicher Zugang über Sport, Musik, Küche, Freizeitaktivitäten ist daher hilfreich. Auch wenn die Partnerschaft seit Jahren über feste Austauschformen, wie zum Beispiel durch Präsentation des „Gerolsteiner Landes" auf der Agrar-und Touristikmesse „Foire" in Digoin oder durch das Angebot von Wein und Speckkuchen der Bruderschaft „eponge de grattons" auf Gerolsteiner Kirmes- und Stadtfesten verfügt, gibt es interessante Pläne für die Zukunft. Hierzu zählen Projekte wie Praktikantenaustausch, Klassenreisen, Bildungsurlaub und weitere. Im Förderverein sind zwar die älteren Menschen überrepräsentiert (Nachwuchsprobleme beklagen viele Vereine), doch wird ein Schwerpunkt der Aktivitäten auf Jugend gelegt. Schul- und Jugendbegegnungen werden zukünftig verstärkt unterstützt. Bildungsträger sind wichtige Vektoren, denn nicht nur im Französischunterricht, sondern auch im Geschichts- und Kunstunterricht und in Gemeinschaftskunde werden deutschfranzösische Beziehungen thematisiert. Engagierte Erzieher/innen der Kita „Unter den Dolomiten" ermöglichten bereits den Kleinsten einen Einblick in französische Lebenskultur im Rahmen einer Projektwoche. Gemeinsam mit kreativen Schülern und Lehrern der Realschule plus gestalteten sie außerdem eine originelle Ausstellung zum Thema „Deutsch-französische Freundschaft", die mehrere Wochen lang von Einheimischen und Gästen bewundert wurde. Die Einbindung von Vereinen spielt bei der Breitenwirkung eine zentrale Rolle. Ein Highlight war 2017 die Begegnung der Jugendfeuerwehr Gerolstein mit der Jugendabteilung „Sapeurs pompiers de Digoin" bei einem fröhlichen Wettkampf um den „Pierre-Sefer-Gedächtnis-Pokal". Sicherlich wird ein Gegenbesuch in Digoin folgen. Erstmalig organisierte Evi Linnerth als die Vorsitzende des Fördervereins eine mehrtägige Bürgerreise zum Kennenlernen der Partnerstadt. Es wird nicht die letzte sein, denn neben den persönlichen Begegnungen ist auch das Erleben der Kultur und Besonderheiten des Städtepartners vor Ort ein zentraler Bestandteil des Austausches. Die Erfahrung der Gastfreundschaft und des Willkommenseins wurden und werden von beiden Seiten sehr emotional empfunden.

Feierliche Widmung des Platz „Digoin" im neuen Kurpark Gerolstein

Zeichen der Freundschaft

Damit die Städtepartnerschaft zwischen Gerolstein und Digoin auch auf lokaler Ebene an Sichtbarkeit gewinnt, erinnern Ortshinweisschilder, Flaggen, Fahnen und auch die Namens-Widmung der reizvollsten Plätze an die Beziehungen: 2017 Einweihung des Square Gerolstein durch maire

de digoin Fabien Genet und Widmung des „Platz Digoin" durch Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz. Planungsvorschlag: Zur physischen Präsenz von Digoin in Gerolstein und umgekehrt könnte auch die Gestaltung eines Kreisverkehrs durch den Städtepartner beitragen.

Keine Angst vor (Sprach-) Barrieren

Auch mit geringen Sprachkenntnissen gelingt der Austausch. Die Verständigung wird zwar etwas erschwert, aber Dank Übersetzer gelingt die Kommunikation. Jugendliche überwinden Sprachbarrieren mittels Übersetzungshilfen wie Google, oder sie weichen auf Englisch aus. Die Kommunikation über die Distanz von 609 Kilometern wird dank der Digitalisierung und das in Kontaktbleiben über die sozialen Medien einfacher als in der Vergangenheit. Überzeugen Sie sich: www.partnerstadt-gerolstein.de und www. youtube.de (Suchbegriff: Gerolstein, Digoin). Auch über Facebook bestehen Vernetzungen der internationalen Freundschaften. Das Bestreben, die Städtepartnerschaft zukunftsfest zu machen, ist vorhanden. Es ist notwendig sie vor Ort, bei der Bevölkerung und in der Politik breit aufzustellen.

Die positiven Erfahrungen, die wir gewinnen, helfen Schwellenängste vor dem Fremden zu überwinden und den vereinfachten Freund-FeindSchemata, mit denen populistische Bewegungen arbeiten, entgegen zu treten. Die Städtepartnerschaften sind Brücken zu unseren europäischen Nachbarn.

Schüler der Realschule Plus: Kunstwerke Ausstellung zur Deutsch-Französischen Städtepartnerschaft 30 Jahre Gerolstein - Digoin