„Der Krieg hat einen langen Arm. Noch lange, nachdem er vorbei ist, holt er sich seine Opfer."

(Martin Kessel)
Rebecca Umbach, Darscheid

Als ich dieses Zitat las, dachte ich mir, dass es perfekt zu meinem Aufsatz und zu dem, was ich ausdrücken möchte, passt. Anlass für meinen Aufsatz war eine Hand voll alter schwarz-weiß Fotografien, eine Postkarte, ein Brief und mein Geschichtslehrer. Wir beschäftigten uns im Rahmen des Geschichtsunterrichts mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen. Ich war fasziniert von den ganzen Quellen und der Vielseitigkeit der Geschichte. Diese Faszination nahm ich zum Anlass, über meine eigene Familie zu recherchieren. Im Mittelpunkt stand dabei mein Urgroßvater Andreas Gerhartz, aber auch drei weitere Familienangehörige werden erwähnt. Ich wollte wissen, in welcher Zeit diese Menschen lebten und welche Auswirkungen diese auf sie hatte. Natürlich wollte ich auch wissen, ob eines meiner Familienmitglieder ein Nationalsozialist war, aber das war auf der Prioritätenliste eher weit unten. Meine Recherche begann interessant, aber im Verlauf begriff ich immer mehr den Ernst dieser Thematik und kam schlussendlich zu einem vielleicht ungewöhnlichen Schluss: Auch Leute, die man in erster Linie als Täter bezeichnen würde, können selber zu Opfern werden.

Beginnen möchte ich mit einem Foto von der Volksschule in Darscheid. Diese befand sich in dem jetzigen Kindergartengebäude und der ehemaligen Sparkasse. Auf dem Bild sieht man mehrere Schüler aus verschiedenen Jahrgangsstufen mit ihren Lehrern. Links im Vordergrund und weiter in der Mitte sieht man Schüler, die eine primitivere und selbst gebastelte Version von Memory spielen. Im Hintergrund hängt mittig eine Schrifttafel in Sütterlinschrift. Weiter links ist ein Portrait von Paul von Hindenburg, dem Reichspräsidenten, der von 1925 bis 1934 dieses Amt bekleidete, angebracht worden. Aufgrund dieses Portraits und meiner recht jungen Urgroßmutter auf dem Bild, würde ich das Bild in den Zeitraum von 1930 bis 1934 einordnen. Meine Urgroßmutter Gertrud Gerhartz, geborene Rach, wurde 1924 geboren und, genauso wie heute, war es damals üblich, mit etwa sechs Jahren eingeschult zu werden. Während ich dieses Bild analysierte, stellte ich mir mehrfach die Frage, welche politischen Ansichten zu dieser Zeit den Schülern vermittelt wurden und wie sie die Schüler prägten. Dazu fand ich folgendes Zitat: „Weitgehende Ansätze zur Neugestaltung des Schulwesens [...] konnten auf Reichsebene nicht verwirklicht werden. In den Ländern wurden in der Folgezeit, je nach politischer Ausrichtung, unterschiedliche Regelungen getroffen [...]." Welche Leitbilder den Schülern weitergegeben werden sollten, war nicht genau festgelegt, also suchte ich nach Hinweisen auf dem Bild. Ein Anhaltspunkt war dabei das Hindenburg-Portrait, woraus ich schloss, dass eventuell eher konservative Werte vertreten wurden. Immerhin galt Hindenburg als Vertreter des Deutschen Kaiserreiches und war somit Symbol für die „gute alte Zeit". Allerdings war es damals nicht unüblich, ein Gemälde des Reichspräsidenten in der Schule aufzuhängen. Deshalb beschäftigte ich mich mit den Schulsystemen der Weimarer Republik und des nationalsozialistischen Deutschlands. Dabei lag mein Fokus aber eher auf Ersterem, da mein Urgroßvater drei Jahre älter als meine Urgroßmutter war und deshalb kaum bis gar keine Zeit in einer nationalsozialistisch geprägten Schule verbrachte.

Schulsystem der Weimarer Republik

1920 wurde das Reichsgrundschulgesetz verabschiedet, welches den vierjährigen Grundschulbesuch vorsah und somit die Vorschulen und den elterlichen Privatunterricht ablöste. Des Weiteren wurden die sogenannten „christlichen Simultanschulen" eingeführt, in denen katholische und evangelische Schüler zusammen unterrichtet werden sollten, außer eben im Fach Religion. Diese Schulform sollte den Normalfall darstellen, aber es gab Widerstand aus den konservativen Reihen, weshalb nur etwa 15% aller Volksschulen „christliche Simultanschulen" wurden.

Schulsystem im nationalsozialistischen Reich

Mit dem Machtwechsel 1933 rückte die Bildung dann immer weiter in den Hintergrund. In erster Linie wollte man kerngesunde Körper „heranzüchten" und sich anschließend der Förderung der geistigen Fähigkeiten in Form von Charakterbildung und Entschlusskraft widmen. Ab 1934 war samstags weitestgehend schulfrei wegen den Aktivitäten der Hitlerjugend und noch im selben Jahr wurden alle Schulen verstaatlicht. Auch der Stundenplan veränderte sich erheblich: in Geschichte gab es neue Lerninhalte wie Rasse- und Führerprinzip, in Biologie wurde die Rassenkunde eingeführt, in Deutsch wurden unerwünschte Bücher entfernt, das Fach Religion wurde komplett gestrichen und dem Sportunterricht wurde mehr Zeit eingeräumt. Diese Rechercheergebnisse führten mich zu dem Schluss, dass mein Urgroßvater nicht wie andere Kinder und Jugendliche die bedingungslose Befolgung von Befehlen in der Schule beigebracht bekommen hatte, oder dass ihm die Ideale des Nationalsozialismus regelrecht indoktriniert worden waren. Meine Urgroßeltern kannten beide noch die Weimarer Republik und deren Werte, auf deren Basis sie über das nationalsozialistische Regime urteilen und einsehen konnten, dass dieses System fehlerhaft war und moralisch fragwürdig. Kindern und Jugendlichen des nationalsozialistischen Reiches fehlte dieses konkrete Vergleichsmaterial und man lehrte sie, nichts zu hinterfragen, sodass sie die perfekten Untertanen wurden.

Uniformbild Andreas Gerhartz 1941

Die nächsten mir vorliegenden Materialien von Andreas Gerhartz stammen aus dem Jahr 1941. Es handelt sich dabei um ein Foto von ihm, was ihn als 20-Jährigen in einer einfachen Wehrmachtsuniform zeigt, was man an den sternlosen Schulterklappen und dem fehlenden Kragenspiegel erkennen kann. Kragenspiegel und Schulterstück waren und sind auch heute noch wesentliche Erkennungsmerkmale für den Rang, die Einheit und den Status eines Soldaten. Neben diesem Bild habe ich noch zwei weitere von anderen Familienangehörigen gefunden, die sich zum Vergleich eignen.

Uniformbild Johann Oellig 1944

Zunächst wäre da das Bild von Johann Oellig von 1944. Er gehörte der Luftwaffe an, was man an der Schirmmütze mit dem Emblem der Luftwaffe und dem Kragenspiegel mit den vier Schwingen festmachen kann. Seine Schulterklappen geben außerdem Auskunft darüber, dass er Feldwebel und Unteroffizier war und somit eine höhere Position als mein Urgroßvater innehatte.

Uniformbild von einem Unbekannten

Schließlich fand ich noch ein Foto von einem Familienmitglied, dessen Namen mir keiner mehr nennen konnte, weshalb ich ihn hier einfachheitshalber als „Unbekannter" bezeichnen werde. Auch der Unbekannte war ein einfacher Wehrmachtssoldat, was man an den Ähnlichkeiten zu der Uniform auf dem Foto von Andreas Gerhartz erkennen kann. Sein Schulterstück weist ihn als Teil des Heeres aus. Die Doppellitzen am Kragenspiegel signalisieren, dass er der Mannschaft angehörte und Schütze war. Eine Schiffchenmütze komplettiert seine Uniform.

Vergleich

Uniform Unbekannter, Uniform Johann Oellig 1944

In einem direkten Vergleich zwischen dem Unbekannten und Johann Oellig werden die Unterschiede der Ränge an den Uniformen deutlich: die Mützen unterscheiden sich und die Uniform von Herrn Oellig erscheint qualitativ hochwertiger als die von dem Unbekannten, zudem scheint sie eher repräsentativen Zwecken zu dienen. Die Umrandung von Johann Oelligs Schulterstück ist deutlich breiter als die von dem Unbekannten und es weist zusätzlich noch drei Sterne auf. Auch die Kragenspiegel unterscheiden sich stark von der Gestaltung, sodass auf den ersten Blick zu sehen ist, dass sie verschiedenen Einheiten angehörten; der eine der Mannschaft und der andere der Luftwaffe. Ein Symbol, das alle drei Uniformen gemeinsam hat, ist das Staatswappen: Ein Hakenkreuz mit einem Adler. Die Tatsache, dass mein Urgroßvater nur ein einfacher Wehrmachtssoldat war und keine höhere Position erlangt hatte im Verlauf seiner Dienstzeit, zeigt, dass er keinerlei Bestrebungen verfolgte, sich länger als nötig in der Wehrmacht aufzuhalten und dass er weder hinter dem System stand, noch für den Krieg sprach. Er wurde einfach wie die meisten anderen Jungen seines Alters für den Wehrdienst eingezogen. Der Jahrgang 1921 wurde vollständig erst 1941 eingezogen, aber bereits vorher wurden viele 16- und 17-Jährige angeworben und einberufen. So war mein Urgroßvater einer der ersten eingezogenen Wehrmachtssoldaten seines Jahrganges und das alles gegen seinen ausdrücklichen Willen. Als Hilfestellung zur Analyse der Uniformen habe ich folgende zwei Bilder verwendet: Unteroffiziersränge, Dienstgrade.

Wehrpass

Neben den ganzen Fotos stand mir noch eine Kopie des Wehrpasses von Johann Oellig zur Verfügung. Er gibt Auskunft über seinen vollen Namen, Geburtsort- und -tag, den dauerhaften Wohnsitz sowie der Firma, für die er damals gearbeitet hatte. Der Wehrpass wurde von der OT-Bauleitung Gotenhafen-Hexengrund abgestempelt. Auf der Rückseite sieht man ein Passfoto von ihm und eine Tabelle mit einem Feld für jeden Monat, die ebenfalls alle abgestempelt wurden. Vermutlich handelt es sich dabei um den Erhalt seines Soldes für den jeweiligen Monat.

Was an diesem Pass aber wirklich interessiert, ist die Information über die Firma und den Ort, wo er gearbeitet hatte. Wir wissen bereits, dass Johann Oellig Unteroffizier der Luftwaffe war, aber laut des Passes arbeitete er als Hochbauingenieur. Auf den ersten Blick scheint es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Tätigkeiten zu geben, also habe ich recherchiert, wo er genau als Hochbauingenieur gearbeitet hatte. Gotenhafen war eine Stadt in Polen in der Danziger Bucht bei Gdingen (damals Gotenhafen) und Hexengrund ein Stadtteil. Zwischen 1942 und 1945 war dort eine Testanlage für die Torpedowaffen der deutschen Luftwaffe. Das besagte Gebiet hatte man im Verlauf des Krieges erobert und übernommen. Heute kennt man den Ort unter dem Namen „Gdnyia Babie Dolly" und von der Testanlage sind nur noch Ruinen zu sehen.

Erstaunlich fand ich, was ein Wehrpass und Google einem alles über den Krieg und seine einzelnen Operationen und Unternehmungen erzählen können. Im Geschichtsunterricht hatte ich nie von dieser Testanlage gehört, wozu denn auch, es gibt schließlich wichtigere Themen, die im Unterricht behandelt werden müssen, aber interessant fand ich diese Information dennoch, weil gerade die kleineren und weniger verbreiteten Daten am spannendsten sind. Sie geben am meisten Auskunft darüber, was in dieser wichtigen Zeit passiert ist, was erobert wurde und was mit diesen Eroberungen geschah. Sie sind ein Puzzleteil im riesigen Komplex Geschichte. In diesem Fall berichtet die Information außerdem vom Leben der Person Johann Oellig. Sie hilft nach-zuvollziehen, welcher Arbeit er nachgegangen war, die bekanntlich ja den Großteil unseres Alltags und Lebens ausmacht und somit unter Umständen einiges über uns aussagen kann. Bei dieser Unternehmung in Gotenhafen Hexengrund war Johann Oellig wohl für den Bau dieser Testanlage verantwortlich und spielte somit eine etwas größere und wichtigere Rolle für das nationalsozialistische Deutschland als Andreas Gerhartz.

Andreas Gerhartz

Während meine bisherigen Themen weitestge-hend auf Fakten und leicht zu recherchierende und nachvollziehbare Umstände beruhten, verlangte mir mein nächster und mir persönlich wichtigster Beitrag mehr ab: anders als zuvor waren hier nicht nur reine Fakten, die man leicht recherchieren und (auch emotional) verarbeiten konnte. Für dieses Thema musste ich mich nicht nur in eine andere Zeit, sondern auch in eine andere Person hineinversetzen. Es geht darum, wie der Krieg die Menschen verändert. Ich habe bereits über Andreas militärische Laufbahn erzählt, aber jetzt möchte ich näher auf sein Leben während und nach dem Krieg und dessen Folgen eingehen.

Andreas Gerhartz 1941 Foto

Auf dem Foto vom 5. November 1941 ist Andreas Gerhartz 20 Jahre alt, also noch sehr jung. Dennoch war er zu diesem Zeitpunkt bereits Soldat bei der Wehrmacht.

Brief vom 8. August 1944

Mein nächster Anhaltspunkt ist ein handgeschriebener Brief vom 8. August 1944, adressiert an die Familie Gerhartz. Er stammt von Andreas' Oberstleutnant. Dieser teilt der Familie mit, dass Andreas am 8. Juli 1944 nach dem Kampf um die Stadt Caen in Nordfrankreich nicht zur Truppe zurückgekehrt war, weshalb er annahm, dass er entweder in Gefangenschaft geriet oder tot sei. Ich schaute mir den im Brief erwähnten Ort und auch das Datum genauer an, weil ich wissen wollte, was genau an diesem Tag geschah. Es handelte sich dabei um das sogenannte „Unternehmen Overlord". Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie und das Gebiet von Caen wurde von der Wehrmacht sowie von der Waffen SS verteidigt. Dies ist vermutlich auf ihre verkehrsstrategische Wichtigkeit zurückzuführen.

Mein Urgroßvater war also gerade in Caen, da er ein Teil der Wehrmacht war, und verteidigte die Stadt, wobei er verschwand.

Eine Postkarte vom 11. August 1944 bestätigte schließlich eine der Vermutungen des Oberstleutnants. Andreas war in Kriegsgefangenschaft geraten.

In der Postkarte grüßt er seine Schwester ganz unverfänglich und teilt ihr mit, dass es ihm gut ginge und er hoffe, dass selbiges für sie gelte. Dann kommt er auf das Thema Geld zu sprechen. Sollten sie seinen Sold noch nicht erhalten haben, so schreibt Andreas, solle sich ihr Vater darum sorgen. Geld war für die Familie Gerhartz kein unwichtiges Thema, denn sie waren relativ arm, sodass sie Andreas jüngeren Bruder auch in die Obhut eines Onkels gegeben hatten. Auffällig ist, dass der Brief oberflächlich gehalten wurde und auch nicht ganz der Wahrheit entspricht, denn späteren Berichten zufolge waren die Lebensumstände in diesen Gefangenenlagern alles andere als gut und einfach. Der Grund für die Unverfänglichkeit seiner Karte liegt wohl darin, dass Andreas geahnt haben musste, welch langen Weg diese haben würde und durch wie viele Hände sie gehen würde, bevor sie letztendlich bei seiner Schwester landen würde.

Die Reise der Karte begann im Post Office vom Camp Joseph Taylor Robinson, kurz Camp Jos.T. Robinson, in Arkansas am 12. August 1944 mit einem lilafarbigen Stempel markiert. Dieses Camp war hauptsächlich ein Trainingscenter für amerikanische Soldaten, aber im Verlauf des Zweiten Weltkrieges beherbergte es auch deutsche Kriegsgefangene mit einer Kapazität von bis zu 4.000 Kriegsgefangenen.

"With the start of World War II, the post took on a new role as a replacement training center. Initially, there were two centers, one for basic training and the other for medics. In 1944, the two were combined into the Infan-try Replacement Training Center. In addition to its role in training soldiers, Camp Robinson also housed a large German prisoner of war facility, with a capacity of 4,000 prisoners."

(Quelle:http://www.encyclopediaofar-kansas.net/encyclopedia/entry-detail. aspx?entryID=2262)

Postkarte vom 11. August 1944

Am 25. August 1944 erreichte sie dann New York und wurde dort nochmals abgestempelt, diesmal in grauer Farbe. Die Fortsetzung ihrer Reise nach Deutschland war genehmigt worden. Wann genau sie Deutschland erreichte, ist unklar, aber auch dort wurde sie mit einem weiteren Stempel in roter Farbe versehen. Der Stempel zeigt einen Adler mit Hakenkreuz und dem Schriftzug „Prüfstelle geprüft". Erst jetzt wurde er weiter an die Familie Gehartz geleitet. Der Absender der Karte gibt uns aber auch noch Aufschluss über Andreas weiteren militärischen Werdegang, denn inzwischen ist er Obergefreiter. Diesen Rang erhielt man nach sechs Jahren Dienstzeit in der Wehrmacht, was wiederum bestätigt, dass er bereits früher als seine Jahrgangsgenossen einberufen wurde. Um diesen Dienstgrad zu erreichen, müsste er spätestens 1938, also im Alter von 17 Jahren, Soldat der Wehrmacht geworden sein.

Hochzeit 1950

Das genaue Datum seiner Heimkehr ist mir unbekannt, aber es muss spätestens 1949 gewesen sein, denn am 13. April 1950 heiratete er meine Urgroßmutter Gertrud Gerhartz, geborene Rach, und mir wurde gesagt, dass er erst etwa ein Jahr zu diesem Zeitpunkt wieder in Deutschland und somit aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war.

Führerschein vom 4. Juli 1953

Wie sehr der Krieg selbst und dessen Folgen physisch an einem Menschen nagen können, kann man auf dem Foto seines Führerscheins vom 4. Juli 1953 sehen. Er ist zu diesem Zeitpunkt erst 32 Jahre alt, aber ist bereits schwer gealtert. Seine Wangen sind eingefallen, die Gesichtszüge erscheinen härter und er sieht abgemagert aus. Seit dem ersten Foto sind gerade einmal zwölf Jahre vergangen. Doch auch psychisch betrachtet, hinterließ der Krieg seine Spuren an ihm. Er erzählte nur wenig über seine Zeit im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft, unter anderem berichtete er, dass im Krieg einer seiner Kameraden erschossen wurde und dieser auf ihn fiel, so-dass er durch dessen Leichnam bedeckt und somit ungesehen blieb und somit überlebte. Aber teilweise sah man es auch an seinem Verhalten. So verschlang er beispielsweise sein Essen und als er darauf angesprochen wurde, erklärte er, dass man schnell essen musste im Gefangenenlager, damit niemand anderes es einem wegaß. Bei einer seiner Töchter im Haus wühlte er in einer Eckbank und behauptete, dort nach Toten zu suchen. Ein anderes Mal erzählte er einer anderen Tochter, dass das Haus verwanzt sei oder zog sie hinter große Pflanzen, um in Deckung zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits dement und litt unter starkem Verfolgungswahn. Dieser Zustand prägte vor allem sein Lebensende, denn mir wurde berichtet, dass er kurz vor seinem Tod den Krieg noch einmal durchlebte, er folglich in seinen Erinnerungen gefangen war. Schließlich starb er am 12. Juli 2000 in Darscheid.

Schlussteil

Die Schuldfrage für den Zweiten Weltkrieg ist unbestreitbar, aber wenn ich etwas durch meine Recherchen gelernt habe, dann, dass es auch unter den Deutschen Opfer gab. Zum Beispiel diejenigen, die keine Wahl hatten, weil sie als Soldaten einberufen wurden und Befehlsverweigerung einem Selbstmord nahekam. Keine Frage, Deutschland als Nation war schuld und ich will auf keinen Fall diese Schuld mindern, denn sie liegt bei den Deutschen, der eine war mehr schuld, der andere weniger. Wer schon nur tatenlos zugesehen hatte, war bereits schuldig. Wie bereits erwähnt, sprach mein Urgroßvater nur selten vom Krieg, aber wenn er es tat, dann betonte er immer wieder vehement, dass er der Wehrmacht nicht hatte beitreten wollen und dass er den Krieg genauso wenig wollte wie den Umstand, fremde Menschen erschießen zu müssen, mit denen er unter anderen Umständen vielleicht ein Bier getrunken hätte. Diese Einstellung gegenüber der Wehrmacht und zum Krieg veranlasst mich zu der Annahme, dass er kein Nationalsozialist war. Er hat für sein Vaterland gekämpft und litt sein Leben lang unter den Folgen des Krieges. Der Krieg hatte meinen Urgroßvater gebrochen und verfolgte ihn bis in den Tod. Aufgrund dessen empfinde ich das Zitat Martin Kessels passend für die Situation meines Urgroßvaters. In diesem Fall reichte der Arm des Krieges bis in seinen Tod.

Quellen

Verwandte befragt

http://www.encyclopediaofarkansas.net/encyclopedia/ entry-detail.aspx?entryID=2262# http://arngmuseum.com/wp-content/uploads/2016/11/ CampRobinsonWWII.pdf

http://www.wehrmacht-lexikon.de/heer/index.php

http://www.wehrmacht-lexikon.de/luftwaffe/

http://www.panzer-modell.de/

http://www.schulmuseum-dresden.de/weimar%20schulsystem.htm

https://www.bochum.de/C125708500379A31/vwContentBy-Key/W28C6CQE563BOLDDE

https://liberationroute.de/france/pois/t/the-battle-for-caen-poi205