Tod auf Schloss Gerolstein

„Irrungen und Wirrungen" um den Tod des Schlosskommandanten Franz Simon Moll (1688)

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Es sind unruhige kriegerische Zeiten, die Jahre um 1690. Wenige Jahrzehnte zuvor hatte der Dreißigjährige Krieg auch unseren Raum heimgesucht. Einquartierung, Plünderung und Brandschatzung gehörten zum Tagesgeschäft einer umherziehenden Soldateska. Dann überzog der französische König Ludwig XIV. mit seinen „Raubkriegen" unseren Landstrich. Im dritten „Raubkrieg" (1688-1697) wurden viele Eifeldörfer in Mitleidenschaft gezogen. Angriffspunkte stellten auch die Burgen und Schlösser der Territorialherren dar. Diese verstärkten ihre Verteidigungsmannschaften, die unter dem Kommando der Burg- und Schlosskommandanten bei einem feindlichen Angriff in Aktion treten sollten. Somit besaß der Schlosskommandant, besonders in Kriegszeiten, eine wichtige Funktion bei der Verteidigung der Adelssitze. Hierzu gehörte auch die Kontrolle des Zustandes der Schlosspforten, insbesondere die Verantwortung darüber, ob diese auch vorschriftsmäßig abends oder nachts abgesperrt waren. In Friedenszeiten organisierte er den Tagesablauf des Schlosspersonals.

Bereits viele Jahre hatte im Gerolsteiner Schloss Franz Simon Moll den Kommandantendienst versehen, bevor er im Jahre 1688 unter ungeklärten Umständen zu Tode kam. Bezüglich seines Begräbnisses kam es zu Verwicklungen, die durch Molls Witwe verursacht wurden. Zu verdanken haben wir die Aufzeichnungen über das Geschehen dem Gerolsteiner Notar, dessen Name in der Archivalie unerwähnt bleibt. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um den Archivarius und Notar Peter Rheindorf, der auch in Strafprozessen in jener Zeit als Patron (= Verteidiger) auftrat. Im Namen des Römischen Deutschen Kaisers Leopold I. (1640 - 1705) hält er folgendes Geschehen im Zusam-

menhang mit dem Ableben und dem Begräbnis des Gerolsteiner Kommandanten Moll fest: Am 13. Mai 1688, morgens zwischen sieben und acht Uhr, erscheint in der Schreibstube des Notars der „wohledle und hochgeborene" Johann Friedrich Werner, Doktor beider Rechte, der das Amt des Kanzleidirektors des amtierenden Grafen Carl Ferdinand (reg. 1671-1697) ausübt. Grund seines Erscheinens ist der Tod des „mannhaften" Franz Simon Moll „zeitlebens auffdem Hochgrafflichen Residentz Schloss Gerholstein gewesener Commendant". Aus dem nachfolgenden Gespräch geht hervor, dass Moll am Abend des Mariä Verkündigungstages (25. März) „beweint und beraupft" vorgefunden wurde, als die „gnädige Herrschaft" gerade von Neunkirchen zurückgekommen sei. Dr. Werner gibt weiter zu Protokoll, dass Moll mit dem Hofmeister Gottfried von Wanchten-dunck wegen des Abschließens der Schlosspforten in Streit geraten sei. Die Aufgabe eines Hofmeisters bestand hauptsächlich in der Aufsicht über das Küchenpersonal, wobei er rangmäßig unter einem Kommandanten anzusiedeln ist. In welchem Zustand Moll vorgefunden wurde,

Burg und Flecken Gerolstein, Ansicht von 1834 Litografie von N. Ponsart

ob und welche Verletzungen er erlitt, verrät das Protokoll nicht. Tatsache ist jedenfalls, dass Moll am „heyligen Palmtag", also am Palmsonntag, verstarb. Molls Todestag lag demnach zeitnah zu seinem Auffinden am 25. März. Weiter erfahren wir, was Molls „hinterlassene Hausfraw" Anna von den Vorkommnissen hält. Sie habe, so Dr. Werner, die Todesursache ihres Mannes in der Person des Hofmeisters gesehen. Doch dagegen steht die Aussage Dr. Werners: [...] doch der Hofmeister [habe] an des Commendant toidt im geringsten kein Ursach [...]. Molls Witwe erhebt einen weiteren Vorwurf, der aber von Dr. Werner als unbegründet und falsch abgetan wird. Ihr seliger „Ehewirt" sei wie ein Kind begraben worden. Das bedeutet nichts anderes, als dass Moll ohne jedwede kirchliche Zeremonien zur letzten Ruhe gebettet worden sei. Nun hat Rheinberg die Aufgabe, diesen dubiosen Vorfällen und Vorwürfen nachzugehen und für Aufklärung zu sorgen. Was steckt hinter dem Vorwurf der Witwe, ihr Mann sei durch den Hofmeister zu Tode gekommen? Gab es zwischen dem Kommandanten und dem Hofmeister ein Kompetenzgerangel?

Die Untersuchung

Rheinberg erhält nun den Auftrag, alle Personen zu befragen, die eine bestimmte Auseinandersetzung zwischen Moll und Wachtendunck bezeugen können. Ihre Aussagen sollen zu Protokoll genommen werden. So unterwirft er noch am gleichen Tag die in Frage kommenden Personen einem Verhör. Diese Personen sind:

Am gleichen Tag lässt sich auf Befragung der gräfliche Sekretarius und Landschreiber Caspar Linden über den Vorfall folgendermaßen aus: Ihm habe der Kommandant mitgeteilt, dass Herr Hofmeister Wachtendunck zu ihm in die Küche gekommen sei und ihn gefragt habe, ob die Schlosspforten abgeschlossen seien, worauf er Wachtendunck zur Antwort gegeben hätte, was er überhaupt danach zu fragen habe. Er selbst habe einen Eid geleistet und wisse sehr wohl, was er zu tun hätte. Wachtendunck solle gehen und sehen, ob die Teller auf der Tafel richtig stehen. Moll wolle lieber seinen „Abschied" haben als sich von einem solch jungen Menschen kommandieren zu lassen. An Weiteres wisse er sich nicht mehr zu erinnern. Ebenso am gleichen Tag vernimmt Rheinberg den Kammerdiener Johannes Frings, der sich wie folgt äußert: Als er in die Küche gekommen sei, fand er Exzellenz Carl Caspar, den Hofmeister und den Kommandanten vor. Dann habe er die Frage von Wachtendunck gehört, ob die Pforten abgesperrt seien, worauf der Kommandant zu Wachtendunck gesagt habe: „Was hast du danach zu fragen?" Anschließend habe er Wachtendunck auf Französisch einen „Hundsfott" gescholten und geflucht. Daraufhin sei der Kommandant aus der Küche gestürmt und zum Grafen gerannt, wobei ihm Wachtendunck gefolgt sei. Was sich dann zugetragen habe, hätte er weder gesehen noch gehört, weil er den beiden nicht bis zur Tafel gefolgt sei. Später habe sich Moll abermals zum gnädigen Herrn begeben, wobei er gehört habe, dass Moll lieber seinen Abschied begehrte als sich vom Hofmeister kommandieren zu lassen. Wachtendunck habe dem Kommandanten den Vorschlag unterbreitet, den Streit am nächsten Morgen unter sich ausmachen zu wollen. Wohl dreimal habe Moll seine Entlassung begehrt, nicht allein beim Grafen, sondern auch von der Frau Gräfin (Maria Katharina von Königsegg-Rotenfels). Der Graf habe ihm entgegnet, er hielte ihn für einen ehrlichen Mann, der ihm redlich gedient habe. Damit endet die Aussage des Kammerdieners. Als letzter Zeuge wird Hofkaplan Matthäus Erasmi vernommen. Auch er bestätigt die Forderung Molls, seinen Abschied nehmen zu dürfen. Der Graf jedoch habe geantwortet, er solle sich schlafen legen und am Morgen werde er Satisfaktion erhalten.

Dann verrät der Hofkaplan den Inhalt eines Gespräches, das er mit dem Kommandanten geführt habe. Handelte es sich vielleicht um die Beichte des Kommandanten? Nahm man das Beichtgeheimnis damals nicht so ernst? Demnach sagt Erasmi bei seinen „priesterlichen Worten" nach Treu und Glauben Folgendes aus: Einige Tage nach dem vorangegangenen Streit in der Küche habe Moll seinen begangenen „Unfug" bereut. Er habe, so Moll, einen guten und gnädigen Herrn und er glaube und hoffe, wenn er ihn ersuche und anspreche, dass er ihn wiederum in seinen Dienst befehle. Zumal er seinen Exzess zutiefst bereue. Daraufhin habe der Hofkaplan ihm zugesprochen und guten Mut gemacht, dass, wenn er sich gebührend unterwerfe, ihn die gnädige Herrschaft wieder annehmen würde.

Ob es dazu gekommen ist, verrät die Archivalie nicht. Jedenfalls verstirbt Moll kurz nach dieser Auseinandersetzung. Auch die Frage nach der Satisfaktion bleibt im Unklaren. Unter Satisfaktion verstand man damals die Wiedergutmachung eines Ehrendeliktes. In diesem Fall lag eine Beleidigung eines untergebenen Schlossbediensteten vor, indem Wachtendunck den Kommandanten nach dem Absperren gefragt hatte, was ihm nicht zustand. Ob am nächsten Morgen eine Satisfaktion erfolgte, ist nicht mehr nachweisbar. Sie hätte in einem „Duell durch Worte" bestehen können, um die Ehrverletzung aus der Welt zu schaffen. Ein „Duell durch Waffen" erfolgte sicherlich nicht, da dies mit größter Wahrscheinlichkeit im Protokoll Erwähnung gefunden hätte. So lässt sich der Tod des Kommandanten in einem Duell ausschließen. Im Raum stand der Vorwurf von Molls Witwe, ihr Ehemann sei nicht standesgemäß, sondern wie ein Kind beerdigt worden. Am Schluss seiner Auslassungen über die abendliche Auseinandersetzung zwischen Kommandant und Hofmeister spricht der Hofkaplan den Ablauf des Begräbnisses an. Im Gegensatz zur Ansicht der Witwe Moll sei dieser wie ein Oberoffizier mit christlichen Zeremonien in der Hofkapelle beigesetzt worden. Das beweist auch die Stellungnahme des Hohen Gerichtes in einem Original-Attest. Dieses Attest verrät ebenso die Umstände der Todesstunde des Kommandanten:

„Wir, Landschultheiß, Bürgermeister und Scheffen des hohen gerichts alhier zu Gerholstein zeugen hiemit manniglich zu wißen, demnach der hochgebohrene Graff, Herr Carll Ferdinandt etc. an unß gnadig gesonnen in beglaubter Form schrifflich Urkundt außzustellen wie undt auf waß weiß der unlängst toidts verbleicherner Resindentz Schloß Gerholstein Frantz Simon Moll alhier zur erden bestattet worden sey undt wir dan zu Steuer der warheits pflichtschuldig hierin hochgedacht seiner Hochgrff. Excellenz unßeren gnädigen graffen undt herren dießpfalß unterthänig nach unserer habender wißenschafft zu wilpfaren einiges bedenken nicht tragen zu wollen noch sollen, alß Urkunden und bezeugen wir [...] zum worth der warheit, daß wolgedachter Commendanten sälig Verbleichen leichnamb /: alß er kurtz vor seinem Endt in gegenwart der gnädiger Herrschafft undt allen hofbedienten mit den heyligen Sacramenten Christlich Versehen :/ christloblichen Gebrauch nach mit gewohnlichen Ceremonien wie seine persohn moritirt (= verstarb, d. Verf.) undt also sehr Ehrlich zur Erden bestattiget undt in hiesige HofCapell, wo dieses hochgraffliche Hauß Angehöhrige graffliche Standespersonen selbsten beygesetzt zu werden pflegen, undt biß dato niemand anderst von einigen bedienten bey [.] diesem leich Conduct (= Leichenzug, d. Verf.) erschienen, nit allein die gnädige Herrschaft selber [...]auch wohl fremden alß einheimischer vornehmen geist- und weltlichen Standtspersonen begraben [worden sei]." Kurz vor seinem Tod empfing Moll demnach im Beisein der Herrschaft und allen Bediensteten das Sakrament der letzten Ölung und die „gewöhnlichen Zeremonien" in der Sterbestunde. Hierbei wird es sich um Gebete gehandelt haben. Die Beisetzung fand somit in der Hofkapelle statt, wo eigentlich nur Mitglieder der Grafenfamilie zur letzten Ruhe gebettet wurden. Somit laufen die Anschuldigungen von Molls Witwe bezüglich der Beisetzung ins Leere, zumal auch geist- und weltliche Standespersonen der Beisetzung beiwohnten. Leider hofft man im Attest auf irgendwelche

Andeutungen über die Todesursache vergebens. Starb Moll eines natürlichen Todes? Hatte eine mögliche schwache körperliche Konstitution, die durch den Ärger und den Zwist mit dem Hofmeister verstärkt wurde, zum Ableben geführt? War Moll vom Grafen doch nicht mehr angestellt worden, worauf er gehofft hatte? War sogar Suizid „im Spiel"? Oder litt er an einer letalen Erkrankung? Dies sind Vermutungen! Die Todesursache bleibt ungeklärt.

Weitere Entwicklungen

Nach Molls Tod folgt Maximilian Krantz von der Lytt im Amt des Schlosskommandanten, der eine Verteidigungsmannschaft von 19 Soldaten befehligt. Am 5. September 1689, also ein gutes Jahr nach Molls Tod, erreicht eine Nachricht Schloss Kronenburg, wo sich Graf Carl Ferdinand gerade aufhält. Diese Nachricht besagt, dass der neue Schlosskommandant wider den gräflichen Befehl 200 Dragoner eines brandenburgischen Regimentes in das Gerolsteiner Schloss eingelassen habe, obwohl die Generäle Flordorff und Schönig bei einer Konferenz in Bolsdorf Neutralität zugesichert hatten. Nachdem der Graf sich an höheren Stellen für den Abzug der Brandenburger stark gemacht hat, verlassen die Soldaten am 11. September 1689 das Schloss. Die um Gerolstein lagernden Franzosen unter dem Befehl von General Boufflers fordern den Grafen auf, die Festungsanlagen unter den Befehl französischer Offiziere zu stellen. Der Graf willigt ein, um nicht noch weitere Zerstörungen erdulden zu müssen. Noch einmal sind Graf und Schloss glimpflich davongekommen. Doch in den weiteren Kriegswirren erleidet das Schloss am 5. August 1691 durch Beschuss Jülicher Truppen so viele Treffer durch „Bomben und Feuerkugeln", dass es größtenteils in Trümmer fällt. Stellt sich zum Schluss noch die hypothetische Frage: Wäre das Schloss Gerolstein möglicherweise verschont geblieben, wenn der Kommandant Moll geheißen hätte?

Archivalie:

LHA Koblenz, Best. 29 ((Grafschaft Gerolstein), Nr. 199 Quelle:

Horsch P., Burg Gerhardstein „Löwenburg", in: HJB Kreis Daun, 1984, S. 250 ff.