Mit 100 Jahren immer noch fit

Rainer Leyendecker, Gerolstein


Das Datum 1. Mai 1919 liegt für viele von uns unendlich weit zurück. Und dennoch, wir sprechen vom 20. Jahrhundert. Deutschland stand nach Beendigung des 1. Weltkrieges unter Besatzung und in Gerolstein gehörten amerikanische Soldaten zum Ortsbild. Die wirtschaftlich nicht zu den Top-Adressen gehörende Eifellandschaft hatte besonders den Jugendlichen nicht viel zu bieten. Radio und Kino war in Gerolstein und Umgebung noch nicht verbreitet. Ein beliebter Treffpunkt für die Jungen waren die Bouschee-Anlagen, dem heutigen Brunnenplatz. Der „Gelbe Sack" war noch nicht geboren und so konnten die Jungs auch die ein oder andere leere Milchdose erhaschen, mit denen man zum Beispiel Fußballspielen konnte. Irgendwann gelang es dann auch einem geplagten Elternteil, einen Ball herzustellen, der das Schuhwerk schonte und den fußballerischen Teil förderte. Wie in vielen anderen Orten auch, fanden sich in Gerolstein ein paar junge Männer und gründeten am 1. Mai 1919 einen Verein. Leo und Oskar Dunsbach, Hans Hermann, Josef und Nikolaus Koch, Julius Levy, Josef und Hans Begass, Willy Maldener und Hubert Weidig hießen die Männer der ersten Stunde. Der Verein hieß „GEROLA Gerolstein" mit dem Vorsitzenden Leo Dunsbach. Im Oktober des gleichen Jahres erfolgte die Umbenennung in den heutigen Namen „Sportverein Gerolstein 1919". Die Begeisterung für den Fußballsport steckte zwar noch in den Kinderschuhen und mittels Mundpropaganda gelang es den Gründungsvätern, eine Mannschaft aufzustellen. Trikots und Fußballschuhe gab es noch nicht und so wurde in weißen Hemden und schwarzen Hosen gespielt. Einen Fußballplatz gab's auch nicht und so traf man sich zum ersten Spiel in Hillesheim.

Hier gab es eine ordentliche Packung. Den Spaß am Fußball ließen sich die jungen Gerolsteiner aber nicht nehmen. Für die damalige Gemeindeverwaltung war es auch keine leichte Aufgabe, dieser aufstrebenden Sportart ein geeignetes Gelände zur Verfügung zu stellen. Schließlich fand man ein Gelände auf der Gemarkung „Auf Lehmen", wo innerhalb kürzester Zeit ein bespielbarer Platz errichtet wurde. Zwei Jahre nach der Gründung schloss sich der SV Gerolstein mit der Turn- und Sportvereinigung Gerolstein zusammen, einem Verein, der sich verstärkt der Leichtathletik und dem Turnen widmete. Der neue Name des Vereins lautete „Turn- und Sportvereinigung 1919 Gerolstein". Die Fußballer nahmen erstmals 1921 an den Verbandsspielen des Süddeutschen Fußballverbandes teil. Sehr schnell erreichte die Mannschaft den Aufstieg von der C - in die A-Klasse und seit 1924 spielte man wieder unter dem alten Namen „Sportverein 1919 Gerolstein". Mit dem neuen Sportplatz in der Sarresdorfer Straße ging ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Das zentral gelegene Gelände brachte bessere Trainingsmöglichkeiten und es kamen auch mehr Zuschauer. Mit der DJK Gerolstein hatte man nicht nur die Konkurrenz im eigenen Ort; das Lokalderby Sportverein gegen DJK war natürlich der sportliche Höhepunkt. Der damalige Kaplan Freichel gründete 1924 die DJK, die sogar in Eigenleistung mit dem Bau eines zweiten Sportplatzes auf dem heutigen Berufsschulgelände begannen. Mit dem sich abzeichnenden Verbot der DJK durch die Nationalsozialisten löste sich der Verein 1936 auf. Neben dem Fußball gehörten zum Verein eine Leichtathletikabteilung und eine Damen-Abteilung für Handball, Faustball, Gymnastik und Tischtennis.

Der Zweite Weltkrieg unterbrach fast alle sportlichen Wettkämpfe. Der Neuanfang in der Nachkriegszeit verlief mühsam. Langsam wurden wieder Sportstätten hergerichtet und es entwickelte sich wieder ein geordneter Sportbetrieb.

Ein Ereignis wurde dennoch groß gefeiert. Das 30-jährige Vereinsjubiläum 1949 mit Kommers-Abend im damaligen Hotel Kaiserhof und mit Festgottesdiensten in beiden Kirchen. Sportliche Höhepunkte waren das Tourenfahrradrennen für Jugendliche und Senioren, Staffelläufe und Leichtathletikwettkämpfe und ein Fußballspiel gegen eine Mannschaft aus Euskirchen. Und obendrauf gab es einen Festumzug durch den Flecken. Heute würden wir von einem MegaEvent sprechen.

Die Zeiten wurden besser und das Wirtschaftswunder machte selbst vor der Eifel nicht halt. Der Verein wurde nach wie vor durch den Fußball dominiert, aber der Weg zum Breitensport zeichnete sich schon ab. In den Jahren 1955/56 zählte der Verein knapp 200 Mitglieder und bot auch die Sportarten Tischtennis, Leichtathletik, Schwimmen, Skifahren, Kegeln und Modell-Segelfliegen an. Anfang der Sechzigerjahre bekam der Sportverein eine neue Sportanlage. Das Areal „ Am Mühlenwäldchen" mit Rasenplatz, Lauf-, Sprung- und Wurfbahnen ist bis heute der Anlauftreff für die Blau-Weiße Vereinsfamilie. Die Mitgliederzahl und das Sportangebot wurden weiter ausgebaut. Mit den neuen Schulgebäuden kamen auch moderne Sporthallen hinzu. Seit 1977 besteht die Gymnastikabteilung mit fast ausschließlich weiblicher Beteiligung. Der Verein gründete eine Handballabteilung im Jahre 1980 und ein Jahr später wurde als eine der ersten Gruppen in Rheinland-Pfalz die Herzsportgruppe ins Leben gerufen. Eine Pionierleistung gelang 1982 mit der Gründung der Triathlon-Abteilung. Noch im selben Jahr startete der erste Wettkampf über die Distanz von 2 Kilometer Schwimmen, 54 Kilometer Radfahren und 15 Kilometer Laufen. Niemand von den 44 Startern und den Organisatoren konnte die rasante Entwicklung voraussehen, die diese Sportart in Gerolstein und darüber hinaus nehmen sollte.

Aufstieg 1938: Diese Mannschaft stieg damals in die dritthöchste Deutsche Spielklasse auf, eine tolle sportliche Leistung für ein Team aus der Eifelregion.

Stadtmeister 1941: Die Stadtmeisterschaft wurde damals u.a. gegen zahlreiche Militärmannschaften durchgeführt. In diesen Teams spielten u.a. der österreichische Nationalspieler Bimbo Binder und die Nürnberger Fußballgrößen Friedel und Fischer. U.a. auch die Gründung einer Basketball-Abteilung im Jahre 1986. Der erste Stadtlauf fand im Jahre 1986 statt und ist bis heute ein fester Termin für viele Läuferinnen und Läufer. Die Selbstverteidigungssportart Mu-Sa-Do kam 1991 hinzu und im Jahre 2009 half man dem Boxsport in Gerolstein ein Zuhause zu geben. In den letzten Jahren wurde das Sportangebot um eine Cheerleader-Gruppe und eine Turnabteilung erweitert.

Wie in jedem Verein gibt es Höhen und Tiefen.Der SV Gerolstein war immer offen für eine Erweiterung des sportlichen Angebotes. Dazu zähfen. Erfolge, an die man sich besonders gern erinnert oder Veranstaltungen, die besondere Beachtung gefunden haben. Sportliche Niederlagen und Abstiege aus einer höheren Spielklasse gehören dazu. Die demographische Entwicklung hinterlässt auch ihre Spuren in unserem Verein. Dureins „die Förderung des Sportes und der sportlichen Jugendarbeit" an erster Stelle. Regelmäßige Begegnungen mit der Partnerstadt Digoin (Frankreich) und der Stadt Gilze-Rijen (Niederlande) wech die Bildung von Spielgemeinschaften mit den Nachbarvereinen versucht man das Problem zu lösen.

Der Blau-Weiße Sportkalender ist Jahr für Jahr gut gefüllt mit Wettkämpfen und Veranstaltungen für Jung und Alt. Der Verein ist damals wie heute ein wichtiger Bestandteil des sportlichen und kulturellen Lebens in der Brunnenstadt. Damals wie heute gilt der satzungsgemäße Zweck des Verrden besonders gefördert. Neben dem Sport ist es gerade für die Jugendlichen wichtig, andere Kulturen und Länder kennen zu lernen. Mit seinen über 800 Mitgliedern hat sich der Sportverein zu einem kleinen Unternehmen entwickelt. Die Vorstandspositionen haben sich in 100 Jahren nicht wesentlich verändert. Die Struktur schon. Heute braucht man immer mehr Spezialisten, um den gesetzlichen Anforderungen und den Bestimmungen der einzelnen Verbände gerecht zu werden.

Mit viel Stolz blicken wir auf die vielen Menschen unserer „blau-weißen"-Vereinsfamilie zurück, die den Verein geprägt und weiterentwickelt haben. Dank gebührt den Menschen, die seit nun 100 Jahren mit Ihrem Engagement Sportbegeisterte aller Altersstufen gefördert und begleitet haben. In der sozialen Entwicklung ist der Sport gerade für die Jugendlichen ein wichtiger Baustein. Die Jugendarbeit genießt nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert in unserer Vereinsarbeit. Der SV Gerolstein 1919 e.V. ist gut aufgestellt und startet zuversichtlich in die nächsten hundert Jahre. Wir freuen uns jetzt auf ein tolles „Blau-Weißes" Jahr 2019.

SV Gerolstein 1919 e.V.

Rainer Leyendecker

Referent für Öffentlichkeitsarbeit

Sportplatzbau 1959/60: Das Foto zeigt die neu erbaute Sportstätte „Am Mühlenwäldchen".

Bücherkiste aus dem Jahre 1957: Der Fußballverband Rheinland stellte den Vereinen eine solche Kiste mit 25 Büchern zur Verfügung. Die Kinder und Jugendlichen konnten sich den Lesestoff im Verein ausleihen. Die Kiste wurde vor einigen Jahren bei einer Hausräumung wiederentdeckt.


Quellennachweis: Chronik 30 Jahre SV Gerolstein Chronik 75 Jahre SV Gerolstein Archiv SV Gerolstein

Sportverein Gerolstein 1919 e.V. Postfach 1251 54562 Gerolstein

Telefon (Vereinsheim am Sportplatz): 06591 3091

E-Mail: sv-gerolstein@t-online.de Internet:

www. sv-gerolstein.de

Gründungsdatum: 1. Mai 1919

Vereinsfarben: Blau-Weiß

Mitgliederzahl: 830 (davon 343 Kinder und Jugendliche) Abteilungen:

Fußball, Handball, Triathlon, Leichtathletik, Turnen, Herzsport, Gymnastik, Basketball, Gesundheit und Ältere.