Große Hunde, hohe Beine...

Margret Heinzen, Feusdorf

Unsere betriebliche Weihnachtsfeier fand im letzten Jahr in einer tollen Lokalität statt, in einem zum Brauhaus umgebauten alten Bahnhofsgebäude. Den Charme des Gebäudes erhaltend und durch eine urige Gastronomie komplettiert, so würde ich das Konzept beschreiben. Auch das kulinarische Angebot: Vom selbst gebrauten Bier über Wasser, Limo, Saft bis zum edlen Moseltröpfchen und einfache, aber mit Pfiff zubereitete und garnierte Speisen. Alles in allem ein durchaus einer Weihnachtsfeier würdiger Ort. Und für mich als Rollstuhlfahrer außerdem nicht ganz uninteressant: Keine Stufen - Jippie! Wir saßen also in gemütlicher Runde nach einem leckeren Essen feiernd beisammen. Und wie das dann irgendwann halt so ist, meldet sich die Blase mit dem Appell ,He, mach mal Platz für Flüssigkeitsnachschub!'. Ein Kollege hat wohl den gleichen Aufruf vernommen, jedenfalls meinte er „Komm, wir suchen mal die Klos, ich brauchte auch mal eins!" und schob mich kurzerhand durch die Menge bis zum Tresen, wo sich gleich mehrere Bedienungen geschäftig tummelten. „Entschuldigen Sie, wo haben Sie denn die Behindertentoiletten?" - „Die Beeinträchtigtentoilette ist dort hinten, den Gang entlang." - „Äh, ja, Pardon, genau die suchen wir..." Ich spürte förmlich den Aaah-ja-wieder-was-gelernt-Blick meines Kollegen hinter mir und setzte meinerseits ebenfalls einen solchen Blick auf. Wir bedankten uns artig und entschwanden feixend in die genannte Richtung. Nachdem geklärt war, dass ich den Rückweg alleine finden würde, trennten sich unsere Wege. Meiner führte mich durch eine robuste alte Holztüre mit schweren Eisenbeschlägen in die heiligen Hallen namens Beeinträchtigtentoilette. Auch hier war die Mischung aus Antik und Modern geglückt. Hinter der besagten Tür erwartete mich ein Örtchen der Luxusklasse: Von der automatisch desinfizierenden Klobrille über herabklappbare Haltegriffe bis zum elektrischen

Händetrockner blieben keine Wünsche offen. Entsprechend verwirrt muss ich aus der Wäsche geguckt haben als ich die Tür abschließen wollte, aber zum riesigen eisernen Schloss weit und breit kein Schlüssel zu finden war. Suchend blickte ich am Türrahmen entlang in der Hoffnung auf ein eventuelles Häkchen mit dem Schüssel. In ca. 1,80m Höhe blieb mein fassungsloser Blick an einem Riegel hängen. Na, da hat sich ja jemand mal so richtig Gedanken gemacht! Kopfschüttelnd verzichtete ich auf eine Klettereinlage und stellte stattdessen meinen Rollstuhl mit dem Griff unter die Tür und zog die Bremse an. Nach getaner Arbeit begegnete ich auf dem Rückweg der jungen Bedienung, die uns vorhin so freundlich den Weg gewiesen hatte. Ich fragte sie höflich lächelnd, ob sie mich bitte an dem praktischen Gedankengang hinter der Riegelthematik in schwindelnder Höhe teilhaben lassen würde. Ihr fielen offensichtlich alle Sünden ein, denn sie entschuldigte sich tausendmal, dass sie vergessen hätte mir den Schlüssel mitzugeben. In dem Moment kam wohl die Chefin des Ladens und erklärte mir wortreich, dass der Riegel deshalb so hoch angebracht sei, da man, wenn dieser tiefer sitzen würde, zu Installation eines Notrufsystems verpflichtet sei. Häääh.? Welch eine Logik.! Aber letztlich ist es doch sehr, sehr beruhigend zu wissen, dass ein .Fußgänger' die Tür genau so fest verriegeln kann wie ein Rollifahrer mit passendem Schlüssel. Und egal wer von den beiden so gut gesichert einen Kreislaufkollaps auf der falschen Seite erleidet, die Tür kriegt von außen in beiden Fällen keiner auf...!!! Zurück am Tisch war das Gelächter groß und beim nächsten Mal wusste ich ja Bescheid. Mein Schwiegervater hätte die ganze bauliche Situation in nur einem seiner, zugegeben manchmal recht derben, Sprüche zusammen gefasst: „Joo joo, dat sinn die Löck, die mit dä jrussen Honne pisse joohn wolle, äwer et Been net houh jenooch kreije."