Durch das Tor der Eifel in ein goldenes Zeitalter

Bau der Eifelbahn Kall-Gerolstein vor 150 Jahren

Karl Josef Bales, Berndorf

Eisenbahnbaumeister Richter vollendet am 8. August 1867 mit drei Hammerschlägen auf den Schlussstein den Bau des ersten Eifelbahn-Tun-nels in Kall. Die Bauunternehmer Herren Gebrüder Spuhn aus Remagen hatten diesen Tag zum Festtage verwandelt, sämtliche Arbeiter, sämtliche bei dem Bau des Tunnels Betheiligten und Beamten der Strecke Mechernich-Call, sowie die Notabelsten des Kreises waren zur Mitfeier eingeladen", meldet das Unterhaltungsblatt für den Kreis Schleiden am 16.8.1867 und schließt seinen Beitrag mit den Wünschen: Möge er noch lange Jahre das Tor bilden durch welches ein goldenes Zeitalter für die Eifel einzieht, möge er uns noch lange in Frieden unser Kommen und Gehen und unseren Anschluß an die civilisirte Welt erleichtern". Die Eisenbahnlinie Düren-Euskirchen-Mechernich wird am 1. November 1867 bis zum BahnhofKall in Betrieb genommen und erreicht am 19. Juni 1868 mit der Güterhaltestelle Sötenich ihren vorläufigen Endpunkt. Für den Weiterbau der bereits 1866 konzessionierten Eifelbahn nach Trier ist wegen

zwischenzeitlich gestiegener Grund- und Bodenpreise noch eine Erweiterung der Zinsgarantie des Staates für das Anlagekapital des Bauherrn, der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (RhE) erforderlich, die per Gesetz vom 11. März 1868 erfolgt und damit die Finanzierung des Weiterbaus sichert.

Bahnpioniere schneiden im Urfttal den Römerkanal an

An der Eifelbahn-Neubaustrecke SötenichTrier starten im Herbst 1868 nach und nach die Bauarbeiten, sofern der Grunderwerb geklärt ist. Zunächst wird die Trasse gerodet und das Planum für die Strecke hergestellt. Hierzu errichtet man Kunstbauten, wie Brücken, Durchlässe, Dämme und Stützmauern, für einen zweigleisigen Betrieb. Im Frühjahr und Sommer 1869 beauftragt die RhE überwiegend an der Strecke ansässige Firmen mit den Brückenbau- und Tiefbaugewerken. So werden zwischen Sötenich und Gerolstein die Maurer- und Steinhauerarbeiten an Brücken

Vor dem Müncherather Hüttenwerk in Sötenich passiert die Bahn 1870 einen Bahnübergang sowie den 12 m tiefen Felseinschnitt „Auf den Hügeln" und gewährt durch den Charakter ihrer Umgebung einen wildromantischen Anblick. © Repro/Fotoar-chiv: Medienzentrum Kreis Euskirchen

und Durchlässen von den Firmen Johann Reitz aus Euskirchen und Schnitzer aus Morschenich bei Düren- und die Erd- und Felsarbeiten im Bauabschnitt bis Blankenheim vom Sötenicher Unternehmer H. Fein sowie der Firma B. Schnitzer aus Köln ausgeführt. Um die Flussschleifen auf den Hügeln in Sötenich und auf Rückbenden in Urft abzuschneiden, müssen 12m tiefe Einschnitte in die Kalksteinfelsen gesprengt werden. Knapp einen km hinter dem Felseinschnitt in Urft durchbrechen die Bahnpioniere eines der längsten Aquädukte des römischen Imperiums, die rund 100 km lange- und heute fast 2000 Jahre alte römische Wasserleitung. Dieser „Römerkanal" transportierte frisches Eifelwasser - in bester Qualität - aus der Hangsickerquelle Grüner Pütz" von Nettersheim nach Köln und wurde nach dem Anschnitt an seinem ursprünglichen Platz offengehalten. Ab Nettersheim führt die Bahntrasse weiterhin bergwärts durch das Urfttal, vorbei an Kalksteinbrüchen, Kalköfen und ausgedehnten Nadelholzwaldungen.

Blankenheim - erster Bahnhof der Gebirgsbahn

Vier km von der Ahrquelle und dem historischen Burgort Blankenheim entfernt, entsteht am Kreuzungspunkt mit der Chaussee von Schleiden nach Blankenheim, auf den Gemarkungen Blankenheimerdorf und Schmidtheim, die im Wald liegende Station Blankenheim, der erste Bahnhof der Neubaustrecke, den die Preußische Staatsbahn später

in Blankenheim (Eifel) umbenennt und der 1913 mit Blankenheim (Wald) seine heutige Bezeichnung erhalten hat. Hinter Blankenheim verkleinern mehrere aufeinanderfolgende Gleisbögen im Schmidtheimer Berg Steigung und Neigung der Mittelgebirgsstrecke. In Schmidtheim wird die Überwindung der Wasserscheide zwischen Maas (Urft) und Mosel (Kyll) für die Bahnbauer zum Pionierwerk. Um die Steigung der Rampen zwischen Blankenheim und Jünkerath auf 17 °/oo zu reduzieren senkt man den höchsten Punkt der Eifel-bahn von 564 m durch einen 941 m langen Felseinschnitt - durch das mitteldevonische Kalkgebirge - um 11 m auf 553 m. Ausgeführt werden die Arbeiten zwischen Blankenheim und Dahlem vom Schmidtheimer Unternehmen A. Hildebrand und der Dahlemer Firma L. Murinoky. Der Abtrag des „wild wachsenden Kalksteinfelsen - halber Marmor", hat ein Volumen von 19.000 Schachtruten und würde heute 33 Güterzüge von 700 m Länge füllen. Er wird für die kolossalen Dammschüttungen bei Schmidtheim als Auftrag genutzt.

Talwärts durch Bachtäler und das Kylltal bis Ehrang

Von Schmidtheim bis Ehrang folgt die Trasse über Dahlem - mit dem naheliegenden Heidemoor sowie den Heidenköpfen I und III,

Beim Schmidtheimer Schloss wird die Bahntrasse 1869/70 über einen hohen Damm geführt, in den man nahe der Kirche eine gewölbte ChausseeUnterführung einbaut, die Unter- und Oberdorf verbindet. Zum Richtfest des Bauwerks werden auch die Dammschüttungsarbeiten für ein Foto unterbrochen. © Fotoarchiv/Repro: Medienzentrum Kreis Euskirchen

zwischen denen früher die Römerstraße Köln-Trier verlief - nun dem natürlichen Gefälle der Flusstäler von Kaucher- und Moorbach, erreicht mit dem Glaadtbach den Kreis Daun und erzwingt mit einem gewaltigen Felseinschnitt in Glaadt den Eintritt in das Kylltal. Der Einschnitt durch den Felssporn am Fuße des Witzenberges ist über 17 m tief und führt überwiegend durch Grauwacken-Sandgestein, welches zu den ältesten in der Eifel gehört und aus der Zeit des Unterdevons stammt, das vor etwa 400 Millionen Jahren begann.1 Mit dem Abtrag des 10.000 Schachtruten (44.517 m3) umfassenden Felsgesteins beauftragt der Bauherr ein Konsortium von drei Bau- bzw. Fuhrunternehmen, den Hillesheimer Johann Nolte, G. Schnitzer aus Moselweiß und L. Murinoky aus Dahlem. Durch die Schichtenschrägstel-lung des harten Grauwacken-Gesteins auf weichen Tonschichten, kommt es beim Abtrag zu bedeutenden Erdrutschungen, die schließlich durch Bermen und Stützmauern gestoppt werden. Die 15 m breite, gewölbte Steinbrücke mit einer Spannweite von fast 19 m über diesem Felseinschnitt nennt man noch heute wegen der Röhrenform „Glaadter Tunnel", sie dient nach wie vor als Wegüberführung vom Glaadtbach zum Sonnenberg.

Jünkerath wird der wichtigste Bahnhof der Eifelbahn

Auf Jünkerather Gebiet errichtet die RhE den größten Bahnhof der Neubaustrecke, obwohl dort 1870 nur drei Häuser mit insgesamt 20 Einwohnern vorgefunden werden2 und man daher die Post noch nach „Jünkerath bei Stadtkyll" adressiert. Die Gründe für diese Standortwahl liefert der Bauherr mit dem Bahnhofsnamen „Jünkerath (Stadtkyll)". Obwohl sich die vier Gemeindebezirke Glaadt, Schüller, Feusdorf und Gönnersdorf den Landbesitz des Jünkerather Gebiets teilen, berücksichtigt sie der Bauherr bei der Namensgebung nicht. Selbst Glaadt, mit dem größten Anteil am Bahnhofsgelände und auch das damals zur Bürgermeisterei Steffeln im Kreis Prüm gehörende Schüller, mit zwei kleinen Parzellen im mittleren Bahnhofsbereich, geht leer aus.3 Stattdessen übernehmen der potenzielle Güter-Großkunde, die Jünkerather Hütte mit dem

einwohnerstarken Nachbarort und Bürgermeistereisitz Stadtkyll die Namenspatenschaft. Außerdem ist für die RhE „der am Fusse der Wasserscheide und fast in der Mitte zwischen Köln und Trier liegende Bahnhof Jünkerath, der wichtigste Bahnhof der Eifelbahn, welcher sich am zweckmässigsten zum Maschinenwechsel und zur Stationierung von Vorspann-und Reserve-Maschinen eignet"4

Auf Jünkerather Gebiet entsteht zwischen dem „Königlichen Wald Tiergarten" und dem Kyllufer auf der „Grünen Wiese" der größte Bahnhof der Neubaustrecke. Im Mai 1870 ist der Lokomotivschuppen (Bildmitte im Hintergrund) fast bezugsfertig, doch für das Stationsgebäude (Baustelle am linken Bildrand) wartet die RhE noch auf die Baugenehmigung. ©Repro/Fotoarchiv: Medienzentrum Kreis Euskirchen

Durch die Vulkaneifel zu den Gerolsteiner Dolomiten

Hinter dem Jünkerather Bahnhof führt die Trasse mit einer eisernen Brücke auf das rechte Kyllufer, lässt Birgel links, Lissendorf rechts liegen, erreicht an der Crumpsmühle die Gemarkung Oberbettingen und tritt in das Gebiet der Vulkaneifel ein. Nahe bei dem Ausläufer eines vom Ruderbüsch kommenden Lavastroms, der den Bahndamm berührt, kürzen die Bahnbauer eine Kyllschleife durch einen 10 m tiefen Einschnitt auf Hillesheimer Terrain ab. Hier wird die Strecke durch den Sandsteinbruch „Auf dem Heidchen" geführt und gelangt so zum Bahnhof des etwa eine halbe Fußstunde entfernten Marktortes Hillesheim, dem Nizza der Eifel und heutigen

Krimihauptstadt. Die Gleistrasse verlegt man nun bis Gerolstein vollständig zwischen Vulkanen, rechts Roßbüsch und im Kylltal Niederbettingen, links die Erhebung der Kyller Höhe und an ihrem Fusse im Tale der Kyll Bolsdorf und Dohm. Bei Bewingen treten links der Vulkankomplex Rockeskyller Kopf und rechts der Kasselburger Hahn, so nah aneinander, dass das Tal einen neuen Abschluss erhält. Um dann die Bahn in einem weiten Bogen um den Basaltstock mit der Kasselburg zu führen,

Mit Spitzhacke und Schaufel tragen Bahnpioniere 1869 die Deckschicht des Hangsporns am Fuße des Kasselburger Hahns für einen Felsanschnitt ab und transportieren den Abtrag per Kipploren-Feldbahn in Richtung Pelm. © Fotoarchiv/Repro: Medienzentrum Kreis Euskirchen

ist im Pelmer Hahn, gegenüber des Schlossbrunnens, ein großflächiger Hanganschnitt erforderlich. Den Eintritt ins mittlere Kylltal verschafft gegenüber Pelm ein fast 16 m tiefer Einschnitt, der durch das harte Dolomitgestein der Gerolsteiner Kalkmulde gesprengt wird und so erneut eine Kyllschleife abkürzt. In Gerolstein versperrt der Sarresdorfer Lavastrom 1869 noch die Eisenbahntrasse. Er stammt vom Vulkan Hagelskaule, der sich zwischen den Dolomitfelsen Munterley und Auberg ins Kylltal ergossen hat. Mit einem bis zu 8 m tiefen Anschnitt,5 den Bauarbeiter des Lissinger Unternehmens Bachmann in die feste Basaltlava einsprengen, wird endlich der Fahrwegunterbau für den Bahnhof Gerolstein geebnet.

Erste Hochbauten in Blankenheim und Schmidtheim

Während im Sommer 1869 in Jünkerath und Hillesheim ein Güterschuppen und ein Beamtenwohnhaus unter Leitung des Abteilungsbaumeisters Güntzer gebaut werden und man im Herbst in Schmidtheim, Jünkerath sowie Gerolstein einen Lokomotivschuppen mit Wasserstation und Drehscheibe anlegt, sind in Blankenheim und Schmidtheim fast alle Bahnhofsgebäude im Rohbau fertig gestellt. Die Planungsarbeiten der kyllabwärts gelegenen Stationsgebäude dauert noch bis1870 an. Für das Gerolsteiner Empfangsgebäude überzeugt erst der6. Entwurf des Architekten Raschdorff den Neubaustrecken-Bauleiter, Ober-Ingenieur Menne, der ihn am 14. Januar 1870 in Köln abzeichnet und vom RhE-Bau-Dirigenten Hartwig sowie dem Königlichen Eisenbahn-Kommissariat Köln, der staatlichen Privatbahn-Aufsicht, revidieren lässt.7 Doch, „die Erbauung der Stationsgebäude konnte noch nicht in Angriff genommen werden, weil im Königlichen Handels-Ministerium eine Abänderung der Projecte verlangt wurde und dadurch eine Verzögerung eintrat."8

Deutsch-französischer Feldzug beschleunigt die Fertigstellung der Fahrbahn

Knapp drei Jahre nach Eröffnung der Strecke Düren-Eusklirchen-Kall unterbricht der deutsch-französische Krieg den zivilen Personen- und Güterverkehr sowie die Hochbauarbeiten an der Eifelbahn. In der Zeit vom 24. bis 30. Juli 1870 rollen 56 Sonder- und 15 Dispositionszüge mit 24.000 Soldaten, über die noch eingleisige Strecke durch das Tor der Eifel nach Kall. Zur Traktion der bis zu 150 Achsen starken Züge, zusammen beladen mit 6.500 Pferden und 800 Fahrzeugen,9 sind bis zu vier „Dampfrösser" erforderlich (Vorspann- und Zuglokomotive sowie zwei Schubloks). In Kall werden Pferde, Fahrzeuge, Geschütze und Pontons der Pioniere entladen. Mit dem Ziel Saarbrücken, erfolgt der weitere Aufmarsch über Landstraßen. Die einzige Eisenbahnverbindung aus dem Rheinland nach Saarbrücken und Trier führt 1870 über die eingleisige Rhein-Nahebahn ab Bingerbrück. Um die Truppentransporte zu beschleunigen

und beschwerliche Fußmärsche von Kall nach Trier zu vermeiden, „wurde der Weiterbau der Bahn von Call nach Trier mit aller Macht beschleunigt, sodaß viele Sonderzüge mit Schienen und Schwellen in Call für die neue Strecke auch noch eintrafen", berichtet der Kaller Oberbahnhofs-Vorsteher J. Hartung.10 Bereits im August 1870 dient die Strecke von Kall bis Schmidtheim deutschen Truppentransporten. „Im Oktober wurde die Strecke bis Gerolstein als fahrbar dem Betriebe übergeben und durch den Transport von ppr. 80,000 Kriegsgefangenen inauguriert. Dieselben wurden in der Zeit vom 5. bis incl. 14. November expediert in 40 beladenen und 40 leeren, in Summa 80 Zügen.11 Zusammen mit 13.167 Soldaten legen sie in Abteilungen von 10.000 Mann die Etappe von Trier bis Gerolstein per Fußmarsch zurück, weil dieser Streckenabschnitt - kriegsbedingt - noch nicht fertig gestellt ist. Am 15. November 1870 übergibt die RhE die Strecke Kall-Gerolstein mit täglich zwei Reisezugpaaren und einem Güterzug, der einmal täglich zwischen Gerolstein und Kall pendelt, dem zivilen Verkehr. Die Hochbauarbeiten an den Empfangsgebäuden können jedoch erst nach Kriegsende, am 10. Mai 1871 wieder vollständig aufgenommen werden.

Vom Eisenbahnstyl zu repräsentativen Stationsbauten

Die ersten beiden Empfangsgebäude der Sötenich-Trierer Bahn sind Typenbauten. Sie werden von Eisenbahningenieuren geplant und im damals üblichen „Eisenbahnstyl" in Blankenheim und Schmidtheim 1868-1870 als Putzbzw. verschieferte Fachwerkbauten errichtet. Für die Stationsgebäude von Jünkerath bis Ehrang ändert die RhE den Baustil gleich aus mehreren Gründen: Es sollen mustergültige Bauten aus heimischem Material, dem roten Sandstein der Eifel, erstellt werden, die als Anschauungsobjekte neue Absatzmärkte für die Sandsteinindustrie des Kylltals erschließen und gleichzeitig mit künstlerisch bearbeitetem Sandstein die Leistungsfähigkeit der Eifler Steinmetzindustrie bewerben. Die Nutzung von nächst liegendem Material für die Hochbauten erspart lange und beschwerliche Anfahrwege zudem erfordern Sandsteingebäude

Erster Fahrplan der Neubaustrecke Kall-Gerolstein. Eine Reise von Gerolstein nach Köln führt 1870 noch über Düren und dauert rund 4 V2 Stunden. Die Stationen Blankenheim und Hillesheim heißen heute Blankenheim (Wald) und Oberbettingen-Hillesheim. ©Echo der Gegenwart, Slg. Zeitpunkt.NRW

weniger Reparaturen als herkömmliche Putzbauten. Statt reiner Zweckbauten werden nun repräsentative, kunsthandwerklich gestaltete, Stationshäuser im Kylltal geplant. Mit der Planung dieser Prestigeobjekte beauftragt die RhE daher Ende der 1860er Jahre die prominenten Privat-Architekten Kyllmann ÖHeyden, Heinrich Johann Wiethase und Carl Julius Raschdorff, die zum Teil Kirchen- und schlossähnliche Musterentwürfe für die Bahnhofsgebäude im neugotischen Stil fertigen.12

Renommierte Architekten entwerfen die Hochbauten

Prof. Dr.-Ing. Raschdorff arbeitet von 1854 bis 1872 in Köln als Stadtbaumeister und schafft mit dem Domneubau in Berlin die größte evangelische Kirche Deutschlands. Für die RhE fertigt er 1869-1871 Musterentwürfe für Stationsgebäude der Eifelbahn, die teilweise im Architektonischen Skizzenbuch Jg. 1871, Heft IV und VI publiziert werden. (vgl. Centralblatt der Bauverwaltung v. 29.08.1914, S. 500 ff.) Zu den bekanntesten Bauten der Architektengemeinschaft Kyllman & Heyden gehört die Kaisergalerie in Berlin. Sie veröffentlichen im

Architektonischen Skizzenbuch Jg. 1970, Heft IV den Musterentwurf Stationsgebäude der Eifelbahn, der als Vorlage für das Hillesheimer- und hinsichtlich der Schwebegiebel auch für das Jünkerather Empfangsgebäude dient. Wiethase errichtet als Diözesanbaumeister des Erzbistums Köln 22 Kirchenneubauten im neugotischen Stil. Eines der Hauptwerke Wie-thases ist der Schwalmtal-Dom in Waldniel. Er fertigt u.a. 1869 Musterentwürfe für Stationsgebäude in Erdorf-Bitburg, dem heutigen Bitburg-Erdorf.

Eberhard Wulff, Architekt und ehemaliger Lehrer der Baugewerkschule in Holzminden, absolviert im Juni 1870 das Baumeister-Examen, übernimmt die Leitung der RhE-Hoch-bauabteilung und wird später Regierungsbaumeister. Unter seiner Regie entstehen die Empfangsgebäude der Bahnhöfe Jünkerath, Hillesheim und Gerolstein. Die definitiven Pläne hierzu erstellt er mit seinem Team13 anhand der Musterentwürfe, die entsprechend der Stationsbedeutung variiert und angepasst werden.

Heimische Baumaterialien für die Eifelbahn

Der erste Bahnbau zwischen Kall und Trier zeichnet sich durch einen ökonomischen Ressourceneinsatz von heimischen Rohstoffen aus: So wird Rodungsholz zu Gerüst- und Bauholz verarbeitet. Flusskies, den die Bahnpioniere aus zahlreichen Flussverlegungen an Urft und Kyll gewinnen, verwenden sie - neben Basalt aus der Vulkaneifel - als Schotter für das Gleisbett. Geländeunterschiede gleicht man durch stetigen Wechsel von Abtrag und Auftrag aus; daher wird das Baumaterial für die Bahndämme zum größten Teil aus dem Abtrag der Felseinschnitte gewonnen. Auch die Hochbauten erstellt die Bahngesellschaft kyllabwärts nur mit heimischen Baumaterialien: Sämtliche Bauten (auch die Tunnels und Brücken) der Linie Call-Trier sind aus dem, nächstliegenden Material' [ ] erbaut worden. Für einzelne wurden die in den Einschnitten der Bahn gewonnenen Steine benutzt, wobei man allerdings, um das nöthige Quantum zu erhalten, die Profile derselben erweitern

Die Aufnahme von 1871 zeigt das Stationsgebäude des Bahnhofs Gerolstein, eingerahmt von den Dolomitfelsen Munterley (links), Hustley (rechts) und der Kyll im Vordergrund. Vier Staffelgiebel, zwei Treppentürme und die zinnengekrönte Dachterrasse der Stationsvorsteherwohnung zieren das schlossähnliche Gebäude. © Slg. Karl Servatius, Gerolstein

musste. Für die übrigen Bauten lieferten die in unmittelbarer Nähe der Bahn liegenden, zum Theil von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft gepachteten Brüche das nöthige Material."14 Der heute17 Güterzüge von 700 m Länge füllende Grauwacken-Sandstein des Glaadter Einschnitts wird zu Hausteinen für die Jünkerather Hochbauten verarbeitet. Den Kleinschlag nutzt der Bauherr für Packlagen, die im südlichen Bahnhofsteil das natürliche Gefälle der Trasse auf 2,5 °/oo reduzieren um ein selbsttätiges Entlaufen von Fahrzeugen auf die abschüssige Bahnstrecke möglichst zu verhindern.

Sandstein aus Oberbettingen für imposante und künstlerisch gestaltete Empfangsgebäude

Vor rund 200 Millionen Jahren wurde in Oberbettingen, in einer sogenannten tektonischen Mulde - bei wüstenähnlichem Kima - Sand, aus dem Buntsandstein entstand, abgelagert.15 Zur Zeit des Bahnbaus liegen dort alleine vier große Sandsteinbrüche in Bahnhofsnähe, aus denen man Baumaterial für die Hochbauten von Jünkerath bis Gerolstein gewinnt.16 Hierdurch erlebt das Eifler Sandsteingewerbe - insbesondere im Steinhauer und Steinmetzdorf am Bettinger Graben - eine außergewöhnliche Blütezeit. Denn zunächst müssen 20.000 m3 „prächtiger roter Sandstein" - die heute 8 Güterzüge von 700 m Länge füllen würden - vom Gleiseinschnitt „Auf dem Heidchen" hammerrecht für die Hillesheimer Bahnhofsgebäude verarbeitet werden. Daneben sind an den Beamtenwohnhäusern und Stationsbauten die Außenfassaden mit betonten Eckbossierungen herzurichten sowie Sandsteingewände für die Tür- und FensterÖffnungen zu fertigen. Und last but not least wünscht der Bauherr noch zahlreiche dekorative Steinmetzarbeiten wie Blendbögen an den Giebeln- und Gurtgesimsen an den Fassaden der Empfangsgebäude. Bemerkenswert ist die künstlerische Gestaltung des Hillesheimer Bahnhofs, wo im Eingangsbereich Säulen und Kapitelle an staufische Bauformen anknüpfen und für die Leistungsfähigkeit der Eifler Steinmetzindustrie werben. Für die Jünkerather Bahnhofshochbauten sucht der Euskirchener Maurermeister Johann Reitz noch in

Bahnhof

Bahnhof Hillesheim (Eifel) im Jahr 1910. Historische Stilelemente wie Eingangsmittelrisalite, Schwebegiebel, betonte Eckbossierungen und akzentuierte Blendbögen an den Giebeln der Schmalseiten, kennzeichnen das 1871 errichtete Empfangsgebäude. © Slg. Heinz Regnery +, Jünkerath

der Gründerzeit (1871/73) 210 „Maurer und die entsprechenden Handlanger zum Bau der Beamtenwohnungen" sowie für die Bauten einer Filialwerkstätte und einer Lokomotivschuppenerweiterung, wie Zeitungsanzeigen belegen. Die Bauarbeiten am großzügigen Empfangsgebäude mit Querflügeln - die mit großen Schwebegiebeln ausgebildet sind - und dem imposanten Treppenturm mit Spitzhelm, werden nach Kriegsende fortgeführt und im Jahr im Jahr 1872 vollendet. In Gerolstein dienen ein zierlicher Turm mit Wendeltreppe-und ein markanter Treppenturm mit Zeltdach als Zugang für vier Familienwohnungen mit insgesamt 16 Zimmern im Stationsgebäude. Die Baumeister vollenden 1871 diesen Prachtbau mit vier Staffelgiebeln und einer zinnengekrönten Dachterrasse mit neugotischen Einflüssen und Stilelementen britischer Adelssitze.

Neue Bahnstationen nach der Inbetriebnahme

In Urft richtet man gleichzeitig mit Eröffnung der Strecke Gerolstein-Trier, am 15. Juli 1871, eine Personen-Haltestelle „ohne Weichen und Gebäude" ein, die 1875 in Urft (Steinfeld) umbenannt wird. Von 1873 bis zum Bau eines Stationsgebäudes anno 1877, dienen zwei Wärterbuden den Passagieren zum Aufenthalt. 1895 folgt eine Erweiterung zur Güterhaltestelle. Nettersheim erhält erst in den

sogenannten Gründerjahren eine Bahnstation. 1872 starten dort die Hochbauarbeiten für das Stationsgebäude. Den Bahnbetrieb eröffnet die RhE dort 1872 zunächst mit einer Güterhaltestelle, die am 1. Februar 1873 zu einer Haltestelle für den Personenverkehr erweitert wird. Die Preußische Staatsbahn baut in Lissendorf 1884 auf Antrag der Einwohner von Birgel und Lissendorf eine Personenhaltestelle. Beide Orte zahlen zum Bau einen Zuschuss von je 300 Mark. 1899 wird in Lissendorf zusätzlich eine Güterhaltestelle eröffnet.17 Dahlem kämpft 34 Jahre lang um den Bahnanschluss, bis die Preußisch-Hessische Staatseisenbahn 1904 eine Güterverladestelle einrichtet. Am 15.12.1922 eröffnet die Deutsche Reichsbahn (DR) dort einen Haltepunkt für den Personen-Gepäck und Expressgutverkehr.18 Wegen der neuralgischen Gefällestrecke zwischen Schmidtheim und Jünkerath, stimmt die DR dem Bau erst nach Einführung der Druckluftbremse und nach Baukostenübernahme durch die Gemeinde zu. In Bewingen ersetzt von 1947 bis 1988 ein Personenhaltepunkt die Station „Dohm" an der 1945 aufgelassenen Verbindungsbahn Hillesheim-Gerolstein.

Eifelbahn wird zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung

Die Eifelbahn legt nicht nur den Grundstein für die Gerolsteiner Mineralbrunnenindustrie. Sie sichert auch der Jünkerather Hütte (Gewerkschaft) einen preiswerten Transport für Rohstoffe und Fertigprodukte. Zudem werden Gewerkschaft und Bahn in Jünkerath zum Motor der Ortsentwicklung. Für die Land- und Holzwirtschaft sowie die Industrien der Steine und Erden erschließt die Neubaustrecke auch überregional neue Absatzmöglichkeiten. Bahnpost19 und Bahntelegraf beschleunigen die Kommunikation erheblich. Schnelle Dampfrösser lösen nach und nach die Pferde der Postkutschen ab und machen so die Eif-ler endlich mobil. Das Eisenbahnzeitalter entwickelt sich im übertragenen Sinne zum goldenen Zeitalter, denn neben besserer Verkehrsbedingungen schafft es für Bau und Betrieb der Eifelbahn viele neue Arbeitsplätze: „Insgesamt sollen achtzehntausend Menschen beim Bahnbau in der Eifel gearbeitet haben".20

Quellen, Hinweise & Literatur:

1 vgl. Pitzen, Hubert: Geologie (Erdgeschichte) in: Chronik Jünkerath-Glaadt, Jünkerath 1989, S. 25

2 vgl. Pitzen, Hubert: Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung in: Chronik Jünkerath-Glaadt, Jünkerath 1989, S. 213

3 vgl. Flurkarte „Situation der Ortschaft Jünkerath vom 7.6.1885", Slg. Eisenbahnfreunde Jünkerath

4 Geschäftsbericht der Rheinischen Eisenbahngesellschaft (GB-RE) 1872, S. 18, Slg. DB-Museum Nürnberg

5 vgl. Eifel-Führer des Eifelvereins, Trier 1891, S. 114

6 vgl. Dohm, Dr., Baptist: Die Hagelskaule bei Gerolstein und der Sarresdorfer Lavastrom in: Heimatjahrbuch Kreis Daun,

1974, S. 43

7vgl. Raschdorff's 7. Musterentwurf fürdas Empfangsgebäude Gerolstein, Slg. VG-Werke Gerolstein

8 GB-RE 1869, S. 92

9 vgl. http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/eisenbahnauf-marsch 1897a/0002..., Abruf03.03.2019

10 Erinnerungen an den deutsch-französischen Krieg 1870/71, S. 4, in: digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de

11 GB-RE 1870, S. 105

12 vgl. Deutsche Bauzeitung Nr. 36 vom 06.05.1905, S. 224

13 vgl. Centralblatt der Bauverwaltung, vom 12. 11.1881, S. 292

14 vgl. Wulff, Eberhard: Das Eisenbahn-Empfangsgebäude, Leipzig 1882, S. 2

15 vgl. Dettmann Rolf, Weber Matthias: Das Kylltal in der Eifel, Köln 1986, S. 54

16 vgl. Situations- und Nivellements-Uebersichts-Plan der Eifel-Eisenbahn von Call bis Trier, Eisenbahnfreunde Jünkerath, Slg. O. Mauel. In der Wolfskaul, einem kleineren Buntsandsteinbruch, der auch in Bahnhofsnähe liegt, wurden 1904 Skelettreste eines fossilen Landwirbeltieres gefunden,

Dieses.....Urreptil, das heute den Namen „Eifelosaurus tri-

adicus" trägt, ist bisher der einzige Reptilienfund aus dem Erdmittelalter der Eifel.

17 vgl. Hoppstädter, Kurt: Die Entstehung des Eisenbahnnetzes im Moseltal und in der Eifel. Nach den Akten des Staatsarchivs Koblenz bearbeitet 1963, S. 119-120

18 vgl. Amtsblatt B, ED Köln vom 20.12.1922, S. 590

19 vgl. Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Trier

vom 17.11.1870, S. 275

20 SWR Eisenbahnromantik: Wie die Eisenbahn in die Eifel kam

in: Folge 705, ESD 09.08.2009

Bales, Karl Josef: Vorgeschichte und Bau der Eifelbahn in: Heimatjahrbuch Kreis Daun, 1994, S. 157 ff. Bales, Karl Josef: Bau der Eifelbahn im Altkreis Bitburg in: Heimatkalender Eifelkreis Bitburg-Prüm, 2019, S. 70 ff. Beck, Otto: Die Beschreibung des Regierungsbezirks Trier. Zur Erinnerung an die 50-jährige Jubelfeier der Königlichen Regierung zu Trier am 22. April 1866, Trier 1871 Custodis, Dr., Paul-Georg: Die Eifel im Spiegel des Rheinischen Eisenbahnbaues in: Eisenbahn und Denkmalpflege, Frankfurt,

1990, S. 53

Denkmalschutzakte der Kreisverwaltung Daun für die Bahnhöfe

Gerolstein, Oberbettingen-Hillesheim und Jünkerath

HASTK, Best. 1073, A 240

Kemp, Klaus: Die Ahrtalbahnen, Freiburg 2013

Kreckler, Wolfgang: Eisenbahngeschichte des Ortes Jünkerath,

Jünkerath 1995

Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden 1868-1873

https://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/index.

php?p=79&POS=45

https://www.geoportal.nrw/

www.geoportal.rlp.de | Startseite

https://www.roemerkanal-wanderweg.de/index.php?id=427,

Abru am 03.03.2019