War früher alles besser?

Über das Wirken in der Natur, früher und heute

Diethelm Stump, Mürlenbach

„Die gute alte Zeit" ist eine Feststellung, die wohl über Generationen hinweg immer neu entfacht wird. Ist sie es oder nicht, das ist die Frage, und sie regt zu Vergleichen an. Vom Waldsterben, dem Klimawandel und dem Artenrückgang war in den Fünfziger und Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch keine Rede, sondern es herrschte - wie sich später herausstellte - ein trügerisches Wohlgefühl, weil kaum einer ahnte, wie rasant sich in den kommenden Jahrzehnten Natur und Umwelt verändern werden. Der Wald wurde von Förstern und Arbeitern noch konservativ gepflegt, die Holzernte mit Rückepferden an die Abfuhrstraßen geschleppt, Fichten und Buchen im gemeindeeigenen Pflanzgarten vermehrt, was letztlich dazu führte, dass viele Bewohner der einzelnen Dörfer hier ihren Broterwerb hatten. Heute ist eine Pflanzenzucht zu kostenintensiv, und die Holzernte wird auf Anweisung des Revierförsters durch einen mit einem Mann Besatzung auskommenden Vollernter erledigt. Die Landwirtschaft war eine völlig andere als heute, klein strukturiert auf der Basis von Vollerwerbsbauern und vielen Nebenerwerbshöfen. Kleine Vieh- oder Schafherden grasten vom Frühjahr bis Mitte Oktober auf den Wiesen und

Abgeerntetes Getreidefeld in Mürlenbach

Holzbearbeitung früher direkt mit Handgatter im Kyll-Wald

hielten so pflegerisch die Landschaft offen, was aber auch bedeutete, dass die Kühe ein halbes Jahr lang im Stall standen. Kunstdünger war wenig oder gar nicht bekannt, lediglich die aus der Stahlproduktion als Abfall anfallende Thomas-Schlacke fand bei einigen Betrieben Verwendung. Das Ergebnis einer solchen Bewirtschaftung waren blumenreiche Wiesen, auf denen vor dem Fronleichnamstag Abertausende Blumen zum Schmuck von Straßen und Altären gepflückt wurden, ohne dass dieses Handeln ins Gewicht fiel und dem Gesamtbild bunter Wiesen abträglich gewesen wäre. Heute gibt es fast nur noch Haupterwerbslandwirte mit riesigem Viehbestand, wobei die Kühe in den meisten Fällen ganzjährig in einem Laufstall untergebracht sind. Die Nebenerwerbslandwirtschaft ist fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Kühe-, Ochsen- und Pferdegespanne wurden Mitte

Erste Sommerfrischler auf Hof Steinich Fotoarchiv Maria

des letzten Jahrhunderts trotz des Aufkommens von Traktoren mit geringer PS-Zahl als Zugtiere eingesetzt und prägten so das Pflügen der Felder oder das Ziehen von einfachen Heumaschinen. Vielerorts wurde Heu mit Rechen und Gabel zum Trocknen hergerichtet und per Tiergespann nach Hause geholt. Auf Feldern, die fast ausschließlich mit natürlichen Stoffen gedüngt wurden, fanden das Säen, Mähen und Ernten von Getreide sowie das Binden von Garben und das Aufstellen zum Trocknen von Hand statt. Zum Lösen der Körner aus der Ähre bediente man sich der Dorfdreschmaschine -oft, weil der Andrang groß war, bis in die Nacht hinein. Heute erledigen riesige Traktoren mit modernen Bearbeitungsmaschinen die früher doch sehr mühsame Arbeit. Wo früher zehn Parteien in einem Flurabschnitt einige Tage mit der Getreideernte beschäftigt waren, erledigt heute ein Riesenmähdrescher das Ganze in wenigen Stunden.

Kleinparzellige Grundstücke waren in den meisten Dörfern, in denen noch keine Zusam-

Orchidee Hummel-Ragwurz, Obere Kyll

menlegung stattgefunden hatte, die Regel und wurden abwechselnd mit Kartoffeln, Rüben und Getreide bestückt. Heute sind in der Landschaft viele Monokulturen mit Mais und Raps sowie ein wenig Braugerste zu sehen. Fast alle Familien hatten einen Garten und bauten Salat, Gemüse, Obst und Beeren zur Selbstversorgung an. Was dann noch fehlte, wurde im Dorfladen, den es noch in fast allen Orten gab, gekauft. Dorfläden gibt es mit wenigen Ausnahmen keine mehr, so dass der Weg zum Einkauf unweigerlich zu den meist doch einige Kilometer entfernten Mittelzentren führt. Die im 20. Jahrhundert begradigten Bäche werden heute mit viel Aufwand zurückgebaut. Die „geschändete" Landschaft wird durch Schaffung vieler neuen Naturschutzgebiete sowie durch Rückbesinnung auf naturverträgliche Landwirtschaft umstrukturiert, so dass auf

Sich öffnende Küchenschelle

Wiesen, auf denen nur der Löwenzahn oder gar nichts blüht, auch wieder eine bunte Vielfalt an Blütenpflanzen gedeihen. Sommerfrischler waren Mitte des letzten Jahrhunderts noch selten, was sich im Laufe der Jahre bis heute in einen Touristenboom wandelte. Fazit: In vielen Menschen werden wohl zwei Herzen schlagen, das eine für „die gute alte Zeit" des letzten Jahrhunderts, das andere für die heutige Moderne mit nicht mehr so schwerer körperlicher Arbeit und großer Mobilität. Da bei vielen Verantwortlichen im Kreis Vulkanei-fel der Erhaltungswille der schönen und artenreichen Kultur- und Naturlandschaft vorhanden ist, sollte die Bevölkerung mit einem positiven Empfinden die weiteren Jahre des 21. Jahrhunderts angehen und durch Handeln dem Klimawechsel doch noch ein Schnippchen schlagen.