Als Baumschulen noch von Schulen angelegt wurden

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Zwischen Stadtkyll und Jünkerath/Glaadt bezeichnet der Volksmund einen kurzen Streckenabschnitt an der B 421 als „Baumschule" („Bohmschull"). Dieser Straßenbereich, in der Nähe des Holzlagerplatzes des Sägewerkes der Firma Hermes, war bis in die 1970er Jahre berüchtigt wegen seiner Kurven und zahlreichen Bäume am Straßenrand. So mancher Verkehrsteilnehmer, insbesondere Motorradfahrer, machte bei nicht angepasster Geschwindigkeit unliebsame Bekanntschaft mit einem Baum oder dem Straßengraben. Erst die Begradigung des Streckenverlaufs führte zu einer Entschärfung und Reduzierung der Unfälle.

Dem Begriff „Baumschule" begegnet man ebenfalls in den Schulakten, als in den Jahren 1841 bis 1845 in Stadtkyll ein Bauplatz für einen Schulhausneubau gesucht wurde. Ein möglicher Platz bei einer „Baumschule" kam schließlich doch nicht in die engere Wahl, weil er zu weit außerhalb des Ortes lag. Die exakte Lage der Baumschule lässt sich nicht mehr erschließen. Dass es sich um die oben angeführte Baumschule handelt, scheint ausgeschlossen. Möglicherweise ist sie im heutigen Bereich der Schwammertstraße zu vermuten.

Was hat es mit dem Begriff „Baumschule" eigentlich auf sich?

Heute versteht man unter „Baumschulen" den Anbau von Bäumen, Sträuchern, Rosen- und Obstgehölzen sowohl im Freiland als auch in Containern, der von Gärtnereien betrieben wird. Haben die Pflanzen eine bestimmte Größe erreicht, werden sie verkauft. Somit stellen Baumschulen eine Untergruppierung des Garten- und Landschaftsbaus dar. Der Begriff „Schulen" wird im Gartenbau mit „Wurzel treiben" gleichgesetzt, wobei er aber auch mit

der Schule als Lernanstalt in Verbindung gebracht werden kann.

Zur Geschichte

Die Kunst des Anziehens von Gehölzen aus Stecklingen brachten bereits die Römer in unseren Raum. Im Mittelalter pflanzten Mönche in ihren Gärten bestimmte Hölzer an. Diese Gärten gingen in ihrem Ursprung auf die Landgüterordnung (812) Karls des Großen zurück. Diese Landgüterordnung („capitulare de vilis vel curtis imperii") ist als erste Land- und Wirtschaftsordnung des Mittelalters anzusehen. In 70 Kapiteln finden 73 Nutzpflanzen und 16 verschiedene Obstbaumarten Erwähnung, die in allen kaiserlichen Landgütern angepflanzt werden sollten, sofern das Klima mitspielte. Hintergrund dieser Anordnung war die Hoffnung, Versorgungsengpässe zu vermeiden.

Im 14. Jahrhundert gründete man in Gärten der Adelsgeschlechter Pflanzenkulturen, die ihren Höhepunkt in den Hofgärten und Parks der Barockzeit (1575-1770) fanden. Hier ist der Beginn des Baumschulwesens festzumachen. Seit dem 16./17. Jahrhundert setzte durch die Eisenindustrie auch in der Eifel ein massiver Holzbedarf und -verbrauch ein. Holzkohle war ein gefragter Grundstoff für die Verhüttungsöfen, um die erforderliche Temperatur für die Erzschmelze zu erreichen. Wald- und Forstordnungen sollten dem Holzraubbau entgegenwirken, dessen Folgen in Form von Holzmangel, Erosion und Austrocknung nur allzu offensichtlich zutage traten. Eine Maßnahme bestand in der Gründung von Forstbaumschulen zur Produktion von Jungpflanzen zwecks Wiederaufforstung der Waldungen. Ab dem 17. Jahrhundert lassen sich auch Obstbaumschulen nachweisen.

Baumschulbestimmungen an Schulen

Dass Baumschulen auch mit den „Lehranstalten" in Verbindung stehen, ersieht man aus Bestimmungen der Landräte zum Anlegen von Baumschulen in ihren Kreisen. So ist eine solche Anordnung des bekannten ersten Prümer Landrates Bärsch (Mitverfasser der „Eiflia illustrata") aus dem Jahre 1822 erhalten geblieben, die alle Schulen seines Kreises betraf und somit auch Schulen im heutigen Landkreis Vulkaneifel, wie beispielsweise die in Stadtkyll, Hallschlag, Ormont, Birresborn und Densborn.

Zunächst heißt es, dass bei jeder im Kreis befindlichen Schule, an welcher ein gesetzmäßig ernannter Lehrer angestellt ist, eine Baumschule angelegt und Aufsicht über dieselbe dem Schulleiter übertragen wird. Aufgabe der Gemeinde war es, ein Stück Land zur Verfügung zu stellen, welches nach dem Gutachten des Baumschulinspektors eine zweckdienliche Lage und die geeigneten Böden aufwies. Es folgen Bestimmungen über An- und Verkauf von Kernstämmchen und veredelten Obstbäumen, über Pflege und Behandlung der Bäume und über mündliche und praktische Belehrungen der Schullehrer durch den Baumschulinspektor.

Weiter heißt es wörtlich:

„Den Schulleitern wird es hiermit ausdrücklich zur Pflicht gemacht, in den Monaten März, April, Oktober und November, jeden Donnerstag einen halben Tag dazu zu verwenden, um alle Knaben, welche das 11. Jahr zurückgelegt haben, in die Waldungen zu führen und durch dieselben wilde Apfelbäume ausgraben zu lassen. Die wilden Apfelbäume, welche jeder Knabe ausgegraben, hat derselbe auf das Eigenthum seiner Eltern zu setzen und zu veredeln, wozu die Herren Schulleiter die nöthige Anweisung zu geben, auch die erforderlichen Pfropfreiser zu beschaffen haben. Derjenige Knabe, welcher im Herbste dieses Jahres die meisten wilden Obstbäume auf diese Art gesetzt und veredelt haben wird, soll ein Exemplar von Bädekers Unterricht (über Obstbaumzucht) als Belohnung erhalten. Diejenigen Knaben, welche im ersten Jahre diese Prämie erhalten, und sich auch im

Alleenartig umsäumte Auelstraße in Stadtkyll, Aufnahme vor dem 2. Weltkrieg Quelle: Archiv der GS Stadtkyll

folgenden Jahre durch Eifer und Fleiß in der Obstbaumzucht auszeichnen, sollen dann auch die zweite Prämie erhalten. Diese wird in einer Baumsäge und in einem Gartenmesser bestehen [...]"

Auch Bürgermeister und Ortsvorsteher konnten Anerkennung erwerben, wenn sie die Bepflanzung der Straßen in ihren Dörfern mit wilden Obstbäumen beförderten. Auch diese Bepflanzung sollte durch Knaben, die das elfte Jahr erreicht hatten, unter Aufsicht und Anleitung des Schullehrers geschehen. Für jeden Baum erhielten die Jungen vier Silbergroschen. Dafür bestand aber die Verpflichtung, wenn ein Bäumchen innerhalb Jahresfrist einging, dieses durch ein anderes zu ersetzen. Auch für die Veredlung sollten die Jungen belohnt werden. Diejenigen Knaben, die die meisten Obstbäume an die Landstraße pflanzten und sie am besten in Stand hielten, winkte eine Prämie. Zur Straßenbepflanzung sollten insbesondere ärmere Knaben, deren Eltern kein Eigentum besaßen, animiert werden. Um einen Überblick über den Baumschulzu-stand zu erhalten, kam es zum Druck tabellarischer Nachweise, die die Bürgermeister zweimal im Jahr (April und Oktober) ausgefüllt beim Landratsamt einzureichen hatten. Landrat Bärsch schreibt dazu: „Zur angelegentlichen Pflicht werde ich es mir machen, diejenigen Herren Bürgermeister, Ortsvorsteher und Schullehrer, welche sich besonders durch die Beförderung der Baumschulen auszeichnen, der höheren Behörde zur Belobung und Belohnung zu empfehlen."

Kurz nach dieser landrätlichen Verfügung setzte trockene Witterung ein, die den in den Schulstandorten gepflanzten jungen Bäumchen schaden konnte. Aus Sorge um den frisch gepflanzten Baumbestand erhielten die Lehrer die Anweisung, die Bäumchen wenigstens zweimal in der Woche, gegen Abend, mit Bachwasser oder mit solchem Wasser zu begießen, welches einen Tag in freier Luft gestanden hat. Ebenso waren die Baumschulen von Unkraut rein zu halten und deshalb fleißig zu jäten („krauten"). Im Juli 1822 heißt es in einem weiteren Schreiben:

„Die Baumbepflanzungen an den Departemen-talstraßen haben einen erfreulichen Fortgang. Auch die neu angelegten Baumschulen werden größtenteils mit vieler Sorgfalt gepflegt und stehen recht gut."

Einige Lehrer erhielten Belobigungen, weil sie ihre Baumschulen vorbildlich pflegten. So auch der Birresborner Lehrer Gores, dessen ihm anvertraute Baumschule sich in einem guten Zustand befand.

Das Ende der schulischen Baumschulen

Schließlich lösten Schulgärten die Baumschulen in ihrer Bedeutung ab, die sich nun als pädagogische Mittel zur Vermittlung des Wissens über Gartenbau und Landwirtschaft etablierten. Die ersten waren bereits Ende des 18. Jahrhunderts entstanden und vermittelten Pflanzenkunde, Bodenbearbeitung und das Wissen über Natur und Umwelt in der Tradition der Klostergärten. Hier hatte insbesondere die Klosterfrau Hildegard von Bingen vor Jahrhunderten Vorarbeit geleistet. Das Ende der Schulgärten setzte Mitte der 1960er Jahre ein, als man durch Schaffung von Haupt-, Real- und Mittelpunktschulen die alten Dorfschulen ablöste und es somit zu einer Konzentration der Schulen kam. Neuerdings beginnt aber allmählich in manchen Regionen deutschlandweit wieder eine Renaissance der Schulgärten.

Literatur:

Prümer gemeinnützige Blätter, Nr. 10

LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 13236, Schulakten der kath. Volksschule Stadtkyll 1844-1891

Baumpflanzung in der Nähe des Lambertuskapellchens in Stadtkyll um 1925 Quelle: Ortsgeschichte Stadtkyll - Stadtkyll in alten Bildern -