Meine Ausbildung im „Klösterchen"

Hiltrud Theisen, Hörschhausen

1974 wurde ich aus der Schule entlassen. Mein Berufswunsch war Krankenschwester, aber um mit der Ausbildung anzufangen, war ich noch zu jung und musste zwei Jahre überbrücken. Meine Schulfreundin wollte genau wie ihre beiden Schwestern eine Ausbildung als Hauswirtschaftsgehilfin im „Klösterchen" machen. Also überlegte ich nicht lange und ging auch mit, obwohl ich nicht viel vom „Klösterchen" wusste. Es hieß mit richtigem Namen „St. Johannes Kloster-Altenheim" und befindet sich noch heute im Zentrum von Mayen. Damals wurde es von Ordensschwestern geleitet. Ordensschwestern waren damals für mich „Heilige", aber ich stellte bald fest, dass sie ganz normale Frauen waren. Die ersten Tage im „Klösterchen" waren für mich sehr schlimm. Nicht nur mein Heimweh machte mir zu schaffen, sondern auch Schwester Revocata, unsere Mädchenschwester, die meinte, ich wäre viel zu dünn. Sie wollte das auch gleich ändern und kontrollierte, was ich aß, und das war jedes Mal zu wenig. Sie nahm das dann auch selber in die Hand und füllte meine Teller. Ich traute mich nicht, etwas zu sagen und aß und aß - ja, bis es einmal „Döppekuchen" gab und es mir so schlecht wurde, dass ich aus dem Speisezimmer rannte. Schwester Revocata kam zu mir, und wir sprachen miteinander. Mit dem Versprechen, mehr zu essen, ließ sie mich in Zukunft in Ruhe. Wir Mädchen wurden in allen Bereichen der Hauswirtschaft eingesetzt, und am Dienstwochenende halfen wir auf den Pflegestationen. Alle 14 Tage durften wir nach Hause fahren. Zwei Mal in der Woche besuchten wir die Hauswirtschaftsschule in Mayen. Die Mädchen vom „Klösterchen" mussten immer die Besten sein; dafür sorgte Schwester Revocata. Sie beaufsichtigte die Hausaufgaben, schaute, dass

alles ordentlich und sauber geschrieben war. Hatten wir Schwierigkeiten in einem Fach, so bekamen wir Nachhilfe. Bevor wir morgens zur Schule gingen, stellten wir uns im Flur in einer Reihe auf und wurden von ihr in den einzelnen Fächern abgehört. Als Arbeitskleidung trugen wir Kleider in Blau und Rosa mit Blümchen und darüber eine weiße Schürze. Diese trugen wir auch bei Außenarbeiten, zum Beispiel wenn wir die Straße kehrten und wenn wir für alle Eis aus der Eisdiele holten. Dann hofften wir aber, dass uns niemand begegnete, der uns kannte. Ein Mal in der Woche hatten wir Einkaufstag. Das hieß für uns, dass wir das „Klösterchen"

für zwei Stunden verlassen durften, aber nur zum Einkaufen, nicht zum Bummeln und nicht alleine, sondern immer in Gruppen. Dafür mussten wir uns bei der Schwester abmelden und wieder anmelden und dann auch zeigen, was wir eingekauft hatten. Was haben wir Zahnpasta, Shampoo und Duschgel gekauft, nur damit wir raus durften! Ob und wann wir spazieren gehen oder ins Kino durften, entschied Schwester Revocata. Sie suchte den Film aus und rief die Dame am Kartenverkauf an, dass zum Beispiel 15 Mädchen vom „Klösterchen" kommen. Später hat sie die Dame nochmals angerufen und gefragt, ob es auch 15 Mädchen waren, denn nebenan war eine Disco und da hätten ja auch einige Mädchen hingehen können, was aber verboten war. Schwester Revocata lag es sehr am Herzen, dass jede schwimmen konnte. Dafür schickte sie einige Mädchen aus der Oberstufe mit ins Schwimmbad, um uns das Schwimmen beizubringen. Nach einer gewissen Zeit wurden diese gefragt, ob wir schon Fortschritte machten, denn wer nicht schwimmen lernte, dem drohte die Schwester an, derjenigen selbst das Schwimmen beizubringen. Heute denke ich, dass es bestimmt interessant gewesen wäre, eine Ordensschwester im Badeanzug in den 1970-er Jahren zu sehen. Im ersten Lehrjahr bekamen wir 60 DM und im zweiten 90 DM im Monat. Unseren Lohn erhielten wir im Büro der Schwester. Dafür mussten wir unser „Kontobuch" mitbringen, wo alle unsere Ausgaben, Einnahmen und das Guthaben eingetragen wurde. Unseren Geldbeutel mussten wir leeren, damit sie überprüfen konnte, ob das Guthaben auch stimmte. In gewissen Abständen kontrollierte Schwester Revocata unsere Kleiderschränke. Wenn nicht alles akkurat gestapelt war, warf sie alles auf den Boden, sodass wir nach Feierabend alles wieder aufräumen konnten. Am liebsten arbeitete ich im Nähzimmer. Besonders Schwester Hedwigis hatte am Anfang viel Spaß mit mir. Zunächst lernte man, auf einer Tretmaschine, dann auf einer elektrischen Maschine. Als ich auch soweit war, dass ich an die elektrische Nähmaschine konnte, gab ich vor Freude richtig Gas, bis die Nähmaschine nicht mehr nähte und einfach stehen blieb. Ich

hatte so eine Ahnung, dass mein Tempo der Maschine nicht gut getan hatte. Ob ich wollte oder nicht, ich musste es Schwester Hedwigis sagen. Diese schaute nach und begann laut zu schimpfen, denn der Faden hatte sich unter der Maschine total verhaspelt und konnte nicht gelöst werden. Schließlich musste ein Monteur aus der Stadt bestellt werden, und ich saß wieder an der Tretmaschine, direkt vor den Augen von Schwester Hedwigis, ach, und Nähen habe ich auch noch gelernt.

Ich denke noch gerne an diese Zeit zurück. Sie hat mir nicht geschadet.

Architektur der Schulung

Versuch einer Darstellung

Lehrmeister sind Architekten, die gemeinsam mit ihren Schülern, am Haus ihrer Bildung bauen Sie verweilen am Fundament, bis es Größeres tragen kann

Wie Bauelemente in Reihenfolge

verarbeiten sie das Wissensgold

Viel zu schwer, dem einen scheint oder zu leicht, der andere meint

Und schaffen Räume, die sie füllen nicht nur um Wissensdurst zu stillen

Werkzeug zum Denken, wer braucht's nicht

Jede Etage mit Balkon erweitert die Sicht Ein Kuppeldach als Top darauf

mit Schiebetor für Blick hinaus

Zeiger die in Köpfen kreisen

halten vor der Zukunft Weisen

Doris Zakrewski, Bleckhausen