Reuther Schulgeschichte(n)

Ewald Hansen, Reuth

Die nachfolgende Geschichte beruht auf Angaben aus der Chronik der Volksschule Reuth und auf einem kleinen Büchlein mit dem Titel „ Der Klaas, ein Eifeler Dorforiginal" von Gottlieb Eifler, wahrscheinlich ein Pseudonym, ohne Jahreszahl und im Eigenverlag erschienen. Nach Angaben des Vorbesitzers, von dem ich das Büchlein erworben habe, soll es davon nur zwei Exemplare gegeben haben. Im Jahre 1859 wurde in Reuth das erste Schulgebäude in der Dorfmitte unterhalb der Kirche errichtet.

Zwölf Jahre später, im Jahre 1940 war sie noch unverändert und bekam erst nach dem zweiten Weltkrieg ein leicht verändertes Aussehen.

Erst im Jahre 1954 wurde ein neues Schulgebäude eingeweiht, da ein vor dem Krieg errichtetes, neues Gebäude noch als Rohbau durch Kriegseinwirkung zerstört wurde. Bis zum Jahre 1859 fand von November bis März der Unterricht in einer Bauernstube, die die Gemeinde für einen wöchentlichen Zins von einem „Dahler" {Taler) angemietet hatte, statt. Die Kinder saßen dabei auf Stühlen, Bänken, Schemeln und manchmal sogar auf der „Backmuhl" rund um einen Tisch. Die Hausbewohner gingen auch während des Unterrichts ein und aus und hielten auch das Feuer im Ofen am Brennen. Gelegentlich musste der Hausherr sein irdenes Pfeifchen mit einem glühenden „Kellchen" (Kohlestückchen)

ihrer Funktion zuführen, da „Schwefeihelzjer" (Streichhölzer) zu teuer waren. Als Lehrer amtierte damals ein Schneider, dessen Handwerkszeug auch eine hölzerne Elle war, die sowohl beim Schneidern als auch als „pädagogisches Hilfsmittel" zum Einsatz kam. Bei dringenden Aufträgen übte er beide Tätigkeiten gleichzeitig aus: Schneider und Lehrer! Nun aber zu Kloas, einem gewitzten Sprössling aus gutsituiertem Haus, der sich im Laufe seines Lebens zu einem wirklichen Original entwickelte. Er fiel schon lange vor seiner Einschulung durch seine Wissbegier auf und war seinen Altersgenossen in schulischen Sachen weit voraus. So kam es auch, dass Kloas am ersten Schultag, ausgerüstet mit einer Griffelbüchse, zwei Griffeln und Schiefertafel in der von der Mutter selbst genähten Schultasche in die Schule marschierte. Bereits nach zwei Schulstunden, die Kloas aufgrund seiner Vorkenntnisse sehr langweilig vorkamen, meinte Kloas: „Ich joahn well ees hehm!" (Ich gehe jetzt nach Hause). Vergeblich versuchte der unterrichtende Schneider Kloas zum Bleiben zu überreden. Das quittierte Kloas mit „ Ech woar firr heck lang jenuch heij, mooch kunn ech wier." (Ich war für heute lange genug hier. Morgen komme ich wieder.) Zu Hause hatte dieser vorzeitige Abbruch des Unterrichtes ein Nachspiel mit schmerzhaften Folgen. Als aber eines Tages die Langeweile Kloas während des Unterrichts vollständig übermannte, begann er seine Banknachbarn mit

Daumen und Zeigefinger in den weichen Körperteilen schmerzhaft zu behandeln. Das führte aber schon bald zu Äußerungen in Form von „Autsch" oder „Aua" der Misshandelten. Die Ursache und auch der Verursacher derselben waren schnell ermittelt: Kloas! Zum Vollzug der „popotechnischen" Strafmaßnahme musste Kloas in den freien Raum vor den Schülerbänken treten. Der Schul- Schneidermeister griff behände zu seinem „pädagogischen Hilfsmittel", der Elle, und versuchte die Missetat zu bestrafen. Doch Kloas wusste sich zunächst flink und geschickt der Exekution zu entziehen und stellte seinen rückwärtigen Körperteil nicht so ohne Weiteres zur Verfügung. So kam, was kommen musste: Bei dem Gerangel traf das Schneiderwerkzeug Klaos an der Stirn und verursachte eine stark blutende Wunde mit einer kräftigen Beule.

Diese wurde von der Hausfrau dann versorgt und Kloas von ihr mit einem herzhaften Honigbrot getröstet. Über das Zustandekommen der Beule wurde Kloas zu strengstem Stillschweigen verpflichtet, was auch über einige Jahre hinweg eingehalten wurde. Zuhause wusste Kloas die Herkunft der Blessur blumenreich zu umschreiben und die wahre Herkunft zu verschleiern. Der nüchterne Kommentar seines Vaters lautete: „Durch dat Lauch wird da waal de Neijstnotzigkeijt och ees auoszie-hen." („Durch das Loch wird wohl auch einmal die Nichtsnutzigkeit ausziehen.") Nichtsdestotrotz diente Kloas jedoch aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten oft dem unterrichtenden Schneider als Hilfslehrer. In späterer Zeit kam es immer wieder zu kleinen, amüsanten Streichen zwischen Lehrer und Schüler.