Schulgeschichte und Schulzeit im Krieg

Hartmut Flothmann, Schalkenmehren

Vorbemerkung

Gäste in Schalkenmehren, die das Heimweberei-Museum besuchen, wissen oftmals nicht, dass sich das Museum in der Alten Schule befindet und die ländliche SchulhausArchitektur aus dem Jahre 1913 stammt. Mein Kernthema geht zurück auf mündliche Überlieferungen einer Zeitzeugin, die mich in zahlreichen Gesprächen über ihre Erinnerungen aus ihrer Schulzeit im Dritten Reich informiert hat. Da Band 2 der Schalkenmehrener Schulchronik, der die NS-Zeit beinhaltet, als unauffindbar gilt, kann dieser zeitgeschichtliche Beitrag eine dementsprechende Lücke füllen.

Überlieferte Schultradition

Das Schulwesen hat sich in Schalkenmehren früh entwickelt. So ist bekannt, dass der

Pfarrer von Mehren, als er 1562 das ausgestorbene Weinfeld verließ, in das damalige „Schul-Haus" von Schalkenmehren einzog. Damit wurde das dörfliche Schulhaus zugleich Pfarrhaus. Diese Doppelfunktion sollte lange bestehen bleiben. Das alte Schulhaus stand auf der Bergbrück unterhalb der Kirche, direkt am Maarbach, welcher damals noch nicht kanalisiert war. Der Unterricht fand in der sog. Schulstube statt. In jener Zeit wurde Schule nur im Winterhalbjahr gehalten. Johann Baptist Konter (1838-1891) war der letzte Pfarrer, der dieses Hause bewohnte. Nach dem Neubau des Pfarrhauses 1878 in der Mehrener Straße zog er um in das neue Pfarrhaus. Das alte Schulhaus auf Bergbrück wurde von der Kirchengemeinde an Jakob Hill verkauft, der insgesamt 26 Jahre lang Lehrer

in Schalkenmehren blieb. Im Zuge der ersten Ortssanierung wurde es zum Bedauern vieler Dorfbewohner abgerissen. Aktuell befindet sich an dieser Stelle der Parkplatz neben der Tourist-Information.

Als die Eifel 1815 preußisch geworden war, kam es wiederholt zum Aufruhr der Landbevölkerung. Grund war die strenge Schulpflicht der Kinder, da die Kleinbauern sehr auf deren Arbeitskraft angewiesen waren. Die erste Schule im modernen Sinne wurde 1827 in Schalkenmehren neben der Kirche an der heutigen Mehrener Straße gebaut. Schon damals handelte es sich um ein stattliches Schulgebäude.

Lehrer wurde 1830 der in Trier ausgebildete Markus Weber. Er bedurfte der Zustimmung des Pastors. Sein Gehalt wurde je zur Hälfte von der Kirchengemeinde und von den Eltern der Schulkinder getragen. 1835 ist das Amt des Lehrers mit dem des Küsters verbunden. 1877 wurde der Unterricht in Schalkenmehren von Pfarrer und Kreis-Schulinspektor Konter und von Lehrer Jakob Hill gehalten. Lehrer Hill hatte neben seiner Arbeit in der Schalkenmehrener Schule auch die Verwaltung der Brockscheider Schule inne. Der Zeitgeist erforderte neue Lösungen für Schulbauten. 1913 legte man auch in den ländlichen Regionen Wert auf ein gediegenes Ortsbild. Die öffentlichen Bauten sollten sich harmonisch in Landschaft und Ortsbild einfügen, zugleich aber den Geist der Zeit widerspiegeln. Spielte schon die Beschränkung der Mittel eine große Rolle, so noch in viel größerem Maßstab die Zweckbestimmung. Unter dieser Prämisse startete der Neubau der Schalkenmehrener Volksschule. Der Architekt eines ländlichen Schulhauses sah sich hier einer anspruchsvollen Aufgabe gegenüber. Die Verhältnisse auf dem Lande brachten es mit sich, dass ein Schulgebäude noch zahlreiche Nebenräumlichkeiten aufweisen musste sowie ausreichender Wohnraum für den Lehrer.

Der Schalkenmehrener Schulneubau, der in der Baugewerks-Zeitung vom 26. Juli 1913 als ländliches Schulhaus hervorgehoben wurde, gehörte zu den fortschrittlichsten Schulhäusern, die Kreisbaumeister Müller aus Daun als

Baumeister und Architekt in seinem Amtsbezirk errichtete.

Vier große, die ganze Vorderfront einnehmende Fensteröffnungen lassen viel Licht herein. Der Schulsaal ist für etwa 80 Kinder bestimmt. Auch in der Lehrerwohnung im oberen Stockwerk ist durch reichliche Fensteröffnungen für Luft und Licht gesorgt. Das Dach erhöht die Wirkung des ganzen Baues reizvoll. Das Schulhaus ist mit dem ortsüblichen Material in Bruchsteinmauerwerk ausgeführt, außen mit Rauputz versehen. Das Dach ist mit Schiefer eingedeckt. Am 12. Oktober 1961 wurde ein Erweiterungsbau an der Volksschule festlich eingeweiht durch Bürgermeister Adam Schmitz-Aelen, der Jahrzehnte auch Vorsitzender des örtlichen Eifelvereins war. Mit dem Erweiterungsbau wurde das Hauptgebäude so gründlich renoviert, dass es mit einem Neubau vergleichbar war. Beide Klassen erhielten zudem ein neues Gestühl. Amtsbürgermeister MdL Julius Saxler betonte, dass die schmucke Schule dazu beigetragen habe, dass Schalkenmehren im Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden" als Kreissieger hervorgegangen sei. Im Schuljahr 1961/1962 waren in der Klasse I die Schuljahre 1-3 mit 32 Schülern zusam-mengefasst und in Klasse II die Schuljahre 4 - 8 mit 40 Schülern.

Schulchronik spiegelt Zeitgeist und gesellschaftlichen Wandel

Gewissenhaft wurde in der Volksschule (früher katholische Volksschule) von einem beauftragten Lehrer die Schulchronik geführt, heute für jeden Chronisten eine wahre Fundgrube. 4 Bände sind bekannt: Band 1 (1874-1932), Band 2 (1933-1945) nicht auffindbar, Band 3

(1946-1959), Band 4 (1959-1963).

Die Schulchronik wurde nach dem 2. Weltkrieg ab 1.4.1946 fortgeführt. Sie berichtete bis 1963 über Geschehnisse, die Volksschule und Dorfgemeinschaft betrafen. Die Volksschule Schalkenmehren bestand bis 1972. Nach verschiedenen Verwendungszwecken errichtete 1993 die Ortsgemeinde in diesem Gebäude das Heimweberei-Museum, um die Erinnerung an die Heimweberei-Genossenschaft (1926 - 1983) und deren Initiatorin Anna Droste-Lehnert (1892 - 1976) zu erhalten und zu pflegen.

Eine Zeitzeugin erinnert sich an ihre Schulzeit im Krieg

Im 2. Weltkrieg herrschten im Dorf chaotische Schulverhältnisse. Wer 1936 oder 1937 in Schalkenmehren eingeschult wurde, kam im Krieg gar nicht zu einem geordneten Schul-abschluss, obwohl der Volksschulbesuch laut Reichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 auf 8 Jahre angelegt war. Entweder mangelte es an Lehrern, an einer Aushilfe (Schulhelfer) oder häusliche Verhältnisse der Schüler gestatteten keinen Schulbesuch. Das betraf viele, wenn kein Mann im Haus war, die Mutter die Arbeit allein nicht schaffte und die Kinder helfen mussten etwa bei der Kartoffelernte oder der Getreide-Aussaat. Heuferien gab es allemal. Generell galt, dass die Jungen mit aufs Feld mussten. Die Mädchen lernten zu stopfen, denn zu flicken gab es in Hülle und Fülle. Nach dem 5. Schuljahr war für diese Jahrgänge der Schul-Unterricht bereits sehr lückenhaft. Mit den Grundfächern Rechnen, Schreiben und Lesen erschöpfte sich das Gelernte. Die Zeitzeugin erinnert sich an seitenweises Abschreiben, gelegentlich auch als Strafarbeit, die mangels Papier auf Kalender-Rückseiten o.ä. geschrieben wurden. Letztlich ohne Abschluss und die geforderten schulischen Kenntnisse blieb vielen eine nachfolgende Lehre in aller Regel versagt. Eine Begebenheit blieb besonders haften: Im Haus gab es einen guten Backofen, in dem alle 14 Tage Brot gebacken wurde. Der Brotteig wurde abends in Wasser angerührt, mit Trockenhefe versetzt und geknetet. Um 5 Uhr morgens war an diesem Tag das Aufstehen angesagt. Bis zum Schulbeginn um 8 Uhr wurde

der Brotteig in den Backofen geschoben. In der Schulpause musste schnell nach Hause gerannt werden, um das Brot aus dem Backofen zu holen. Wehe, wenn es einmal vergessen wurde.

Abwechslung brachte der Sportunterricht. Auf dem Schulhof stand eine Reckstange zur Verfügung. Auf dem nahe gelegenen Sportplatz wurden Laufen, Springen und Werfen geübt. Die Mädels spielten auch mal Völkerball. Die älteren Schüler und Schülerinnen gingen auch ans Maar zum Schwimmen auf die sog. Meh-rener Seite, wo es ein Sprungbrett gab. Die eigentliche Badeanstalt war zu jener Zeit verpönt, weil dort bei Gelegenheit geschlachtet wurde und die Abfälle im Maar versanken. Die Schule erfuhr auch Einquartierungen von deutschen Soldaten. Dann wurde der Unterricht in eine Baracke an der Kirche verlegt. Wenn der Schulunterricht durch die Kriegsereignisse unterbrochen worden war, trat der Bürgermeister mit der Dorfschelle an und verkündete: „Morgen ist Schule". Noch 1924 oblagen die tägliche Reinigung des Schulsaals sowie die Sauberhaltung des Schulhofes den Schulkindern unter Aufsicht des Lehrpersonals. Durch Inflation und Geldnot der Gemeinde war dieser Übelstand eingerissen. Das wöchentliche feuchte Aufwischen und das Putzen des Schulsaals sowie das Reinigen der Bedürfnisanstalt besorgte allerdings eine von der Gemeinde bestellte Reinigungsfrau. Die Zeitzeugin erinnert sich, dass in ihrer Schulzeit diese Arbeiten damals heiß begehrt waren, um damit etwas Geld zu verdienen. Daher brachte es Vorteile, sich für diese Arbeit zu bewerben. Das geschah in aller Regel zu zweit. Das bedeutete vor allen Dingen, den Klassenraum abends zu säubern und im Winter morgens den Kanonenofen einzuheizen. Die Erinnerungen an diese Zeit sind zwiespältig, nicht zuletzt wegen der Entbehrungen und Gefahren, denen man ausgesetzt war. Bei Bombenalarm wurden die Schulkinder nach Hause geschickt in die Obhut ihrer Familien. Defizite in der Schulbildung waren in dieser Zeit nicht zu vermeiden, aber das Leben als Lehrmeister und die gewonnene soziale Kompetenz haben in aller Regel für einen angemessenen Ausgleich gesorgt.