Meine Schulzeit in den 1950er-Jahren

Alois Krämer, Bodenbach

Werde ich nach meiner Schulzeit gefragt, habe ich sofort unsere Dorfschule in Bodenbach vor Augen. Dort wurde ich 1950 als Sechsjähriger eingeschult. Neben der Kirche war das Schulhaus das größte Gebäude im Ort, dunkler Verputz, zwei Schulsäle rechts und links vom Eingang, von denen aber nach dem Krieg nur noch einer in Gebrauch war. Die Lehrerwohnung befand sich im ersten Stockwerk. Hinter dem Schulhaus stand noch ein kleineres Gebäude, in dem sich die Schülertoiletten befanden. Der Schulhof war von einem Staketenzaun umgeben. Es gab keine Schulklingel, die uns aus der Pause zurück in die Klasse rief oder den Schulbeginn ankündigte. Das tat der Lehrer mit seiner durchdringenden Stimme,

Einschulung 1950

die über den ganzen Schulhof schallte. Dann stellten die Schülerinnen und Schüler sich zu zweit hintereinander auf, zuerst die Jungen, dann die Mädchen und wir zogen in Reih und Glied und mäuschenstill in die Klasse ein. Es gibt nicht nur schöne Erinnerungen an die Schulzeit, manchmal überwogen Ereignisse, die uns in Angst und Schrecken versetzten. Ich weiß, dass es anderen Mitschülerinnen und Mitschülern genauso erging wie mir. Aber davon später.

Wie war es damals um die Ausstattung und Einrichtung der Schulen bestellt? Die Möblierung war antiquiert, denkbar einfach. Wir saßen auf viersitzigen Holzbänken vor klappbaren Pulten, auf denen wahrscheinlich schon Generationen zuvor gesessen hatten. Ein Tintenfass hatte in einer Öffnung seinen Platz. Allerlei Krickeleien und Schnitzversuche zierte die abgeschrägte Platte, auf der die Schreibtafel lag, die mit dünnen, unglaublich quietschenden Schiefergriffeln beschrieben wurde. Wandtafel und ein Ständer für die diversen Landkarten, die nach Bedarf daran aufgehängt wurden, und der Schrank in einer Ecke für etliches Material, das war alles. Neben der Tür stand ein großer, eiserner Ofen, der von Schülern des letzten Schuljahres im Winter (die noch wirklich sehr kalt waren) nach Bedarf nachgefüllt wurde. Der hölzerne Fußboden, den eine Frau aus dem Dorf reinigte, wurde ab und zu geölt, was tagelang einen merkwürdigen Geruch absonderte. Die Kinder des ersten Schuljahres saßen vorn in der ersten Reihe, das achte Schuljahr saß ganz hinten. Wurde man um ein Schuljahr versetzt, rückte man nach hinten.

So kurz nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir alle schrecklich arm, unsere Schulsachen steckten wir in Beutel oder irgendwelche an-

Als Schüler vor dem Bodenbacher Schulhaus

dere Taschen, richtige Ranzen hatte man anfangs noch nicht. Eine Fibel, das Rechenbuch und natürlich der Katechismus, das war's dann erst einmal. Hefte gab es erst in den höheren Schuljahren. Sie wurden vom Lehrer ausgeteilt, der auch die Federn für die Federhalter verteilte. Ob sie gesponsert waren oder vom Staat bezahlt wurden, weiß ich nicht. Das Papier der Hefte war durchsetzt von Holzspänen, wehe, wenn man beim Schreiben mit der Feder hängenblieb. Das gab unweigerlich Tintenflecken. Kontrollierte der Lehrer das Heft, gab's ebenso unweigerlich Schläge, weil man nicht aufgepasst hatte. Ach ja, die Prügel! Davon gab es mehr als genug für die allerkleinsten Vergehen. Ich erinnere mich, dass wir als Schüler dem Lehrer sogar die Weidenruten besorgen mussten, mit denen wir dann die schmerzhaften Schläge einstecken mussten. Es war schon sehr demütigend, die Jungen bekamen Schläge aufs Hinterteil, die Mädchen auf die ausgestreckte Handfläche.

Wobei mir einfällt, dass der Lehrer Geige spielte. Im Musikunterricht holte er seine Geige hervor und spielte uns die Melodien der allbekannten Volkslieder vor, die wir zu seinem Spiel erlernten. Dieses Geigenspiel gefiel mir sehr gut und versöhnte mich manches Mal ein wenig mit seinem jähzornigen Charakter. In mir wurde dann ein lebhafter Wunsch nach solch einem Instrument wach, das dann allerdings niemals Erfüllung fand, da weder die Eltern noch Onkel und Tante, bei denen ich aufwuchs, dafür Geld hatten. Emsigkeit und Disziplin waren die wichtigsten Anforderungen, die der Lehrer an die Schüler stellte. Wir mussten ruhig sitzen und aufzeigen, wenn der Lehrer eine Frage stellte. In die Klasse rufen, so wie es heute in den Schulklassen oft ungestraft geschieht, hätte unweigerlich wieder eine Strafe nach sich gezogen. Schönschreiben war ein eigenes Schulfach. Ich weiß noch, dass wir noch als Neunjährige vor unseren Tafeln saßen und das Alphabet von vorn bis hinten malten, bis die Tafel voll war. Und dann wurde kontrolliert - der Lehrer stand neben einem und prüfte jeden Buchstaben. Für schiefe oder ungelenk gemalte gab's Knuffe oder Schläge auf den Hinterkopf. Ach, diese Strafen waren verletzend und entwürdigend, das kann sich kein Schulkind heute mehr vorstellen. Man hat es nie vergessen. Erst in den 1970er Jahren wurden die körperlichen Strafen an Schulen per Gesetz verboten, Bayern als Schlusslicht im Jahre 1983. Die anderen Schulfächer waren Deutsch und Rechnen. Weitere Fächer wie Raumlehre, Erdkunde, Naturkunde usw. kamen später dazu. Über das sogenannte „Dritte Reich" wurde nicht gesprochen. Die Mädchen bekamen Handarbeitsunterricht, der nachmittags erteilt wurde. Religion war ein besonderes Fach, das durch den Dorfpfarrer erteilt wurde, der uns auch auf den Kommunionsunterricht und auf die Firmung vorbereitete. Das heißt, dieser Unterricht wurde zwischen Lehrer und Pfarrer aufgeteilt. Der Pfarrer erteilte den Unterricht aus dem Katechismus, dem Lehrbuch für den christlichen Glauben. Der Lehrer unterrichtete in biblischer Geschichte. Ich kann mich nicht erinnern, dass es evangelische Schüler in unserer Schule gab.

Einen richtigen Sportunterricht bekamen wir wohl nicht, aber ich weiß noch, dass wir oft und gern Völkerball spielten. Fußballspielen auf dem Schulhof war verboten wegen des Lattenzauns, der das Anwesen umgab. Auf der anderen Seite wurden die Schüler, die zu den höheren Jahrgängen zählten, angehalten, sich um die Kleinen zu kümmern. Diese „Hilfslehrer", die natürlich aus den Besten der Schülerschar ausgesucht wurden, hatten einen höheren Rang. Man kam sich wichtig vor, wurde man vom Lehrer mit dieser Aufgabe betraut. Doch, es gibt auch schöne Erinnerungen. Die Lehrersfrau studierte mit uns Theaterstücke ein, die wir dann um die Weihnachtszeit den Eltern und Verwandten vorspielen durften. Ich erinnere mich besonders an das Märchen von dem „Mädchen mit den Schwefelhölzern", das mich als Kind tief beeindruckte. Die Schulklasse wurde im Sommer zum Pflücken von Wald- und Himbeeren geschickt, das war dann auch eine Art „Naturkunde". Aber vom Verkaufserlös konnten wir Ausflüge machen. Ich erinnere mich an einen schönen Märchenwald, der uns kleine Schüler sehr beeindruckte. Ein anderes Highlight waren die Filme, die wir ab und zu sehen durften. Bei

einer Filmbühne aus Remagen wurden Filme ausgeliehen, der Lehrer stellte einen Projektor auf und fertig war das Kino. Gezeigt wurden damals allerdings nur Stummfilme. Ich habe in den acht Schuljahren nur einen einzigen Lehrer gehabt, der dann auch viele weitere Jahre unterrichtete. Lehrerinnen kannte ich nicht. Dabei fällt mir ein, dass ich beim Recherchieren zu meinem Erstaunen festgestellt habe, dass es bis nach dem Ersten Weltkrieg sogar noch eine Art von „Lehrerinnenzölibat" gab. Heiratete eine Lehrerin, musste sie ihren Beruf aufgeben.

In der heutigen Zeit, die sich mehr und mehr zu einem digitalen Informationszeitalter entwickelt hat, gibt es so vielfältige Schul- und Schulfachangebote mit Haupt- und Wahlfächern und AGs, da können wir Älteren, denen „nur" der Besuch einer achtklassigen Landschule ermöglicht worden war, uns gar nicht mehr hineindenken. Beeinträchtigte Kinder kamen früher auf die sogenannte „Hilfsschule". Heute werden sie in die normalen Klassen integriert und unterrichtet. Vieles hat sich grundlegend geändert, zum Glück, kann man sagen. Ob aber alles auch wirklich besser ist, das sei dahingestellt.

Meine Schulzeit

Maria Prämassing, Müsch

Ich bin Jahrgang 1932 und habe die Kriegsjahre während meiner Schulzeit miterlebt. 1938 bin ich eingeschult worden. Mein Geburtsort ist Loogh und dort bin ich die ersten Jahre zur Schule gegangen. Es war eine einklassige Volksschule, alle acht Klassen in einem Raum. Ich war die Einzige in meinem Jahrgang und so ließ mein Lehrer, Herr Gerber, mich nach dem 1. Schuljahr gleich ins 3. Schuljahr übergehen und habe mit denen am Unterricht teilgenommen. Nach dem 4. Schuljahr mussten die Loogher Kinder nach Niederehe in die Schule gehen. Dort unterrichtete uns Schullehrer Stutz. Unser Lehrer, Herr Gerber, wurde später in das Elsass versetzt und die Schule wurde geschlossen. Mit

den Kindern aus Niederehe hatten wir uns gut angefreundet. Als die Front 1944 näher rückte, wurde es gefährlich für die Schulkinder. Der Schulweg von Loogh nach Niederehe wurde ein paarmal am Tag von „V1"-Geschossen überquert. Die Abschussstelle war im Wald bei Heyroth. Es sind auch einige abgestürzt und haben Menschenleben gefordert. Dann wurde die Schule geschlossen und wir hatten keinen Unterricht zum Dezember 1945. Dann hatten wir wieder regelmäßig Unterricht in Loogh. Im Herbst 1946 bin ich entlassen worden. Trotz der harten Kriegsjahre war meine Schulzeit für mein späteres Leben sehr lehrreich und ich erinnere mich gerne daran zurück.