Natur und Landschaft

Die Mär vom verschenkten Maar

Wem gehört das Weinfelder Maar?

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Das Weinfelder Maar, ein idyllischer geheimnisvoller See inmitten eines riesigen Vulkankraters, entstanden vor rund 11000 Jahren. Ein Maar mit dunkelblauem, fischreichen Wasser, auf dessen Oberfläche sich eine Vielzahl von Wasservögeln tummelt. Ein Maar, das wohl am meisten bedichtet, fotografiert und von Künstlerhand gezeichnet ist. Ein fast kreisrunder See mit schwarzer unergründlicher Tiefe, beliebt bei Spaziergängern und erholungssuchenden Gästen und geliebt von Menschen, denen wilde Natur und sagenumwobene Heimat das Herz erfreuen. Ein Maar, auf dem in sehr kalten Wintern Eisläufer ihr Können zeigen und an dessen Ufer ein Wallfahrtskirchlein von einem untergegangenen Dorf, Pest und Kriegszeiten urkundet, aber dessen Glockenklang von hoffnungsvollem Frieden und Gottvertrauen kündet. Alles in allem - ein Juwel innerhalb des vulkanischen Reigens sichtbarer Zeugen aus längst vergangenen feuerspeienden Zeiten. Und beim meditativen Umwandern auf Rundwegen, gesäumt von Lava und schwarzem Fels, wird unter anderem auch die Frage wach: „Wem gehört eigentlich dieses schöne Weinfelder Maar?" Die Antwort: „Der Gemeinde Schalkenmehren!" wäre zu schnell gegeben. Wohl ist es richtig, dass es auf deren Bann, auf Schalkenmehrener Gemeindeland liegt. Jedoch beweist dies noch lange nicht, dass es deswegen auch dieser Gemeinde gehört. Bis heute wird in Schalkenmehren Nachfragenden das Gerücht erzählt, die Schalkenmehrener Einwohner hätten das Weinfelder

Maar dem letzten deutschen Kaiser Wilhelm II., bei dessen Besuch in Daun im Jahre 1911 geschenkt.

Diese Mär findet sich auch in der lesenswerten Chronik Schalkenmehren von 2013, allerdings mit einer anderen Jahresangabe. „Die Wasserfläche des Weinfelder Maares ohne dessen Umgebung hatten die Schalkenmehrener Gemeindevertreter anlässlich seines Besuches im Jahre 1906 Kaiser Wilhelm II. geschenkt. Als Rechtsnachfolger erbte der Kreis Daun das Weinfelder Maar."

Nun, das muss ja damals ein gewichtiger Akt gewesen sein, ein Ereignis, das Wellen schlug. Dem Kaiser ein Maar zu schenken, war ja wohl etwas Bedeutsameres als ihm Blumen, Gedenkschriften oder „Dauner Sprudel" zu überreichen, den der Kaiser für seinen gesunden Wohlgeschmack lobte. Zudem die Frage: „Wer verschenkte das Maar?" Der Landrat von Daun? Wohl kaum, denn der konnte ja nichts verschenken, was dem Kreis nicht gehörte. Die Bürger von Schalkenmehren oder deren Bürgermeister mitsamt seinem Gemeinderat? Nein, denn weder ist über diesen bedeutsamen und außergewöhnlichen Akt etwas in den Beschlussbüchern der Gemeinde Schalkenmehren zu lesen, wo es unbedingt hätte protokolliert sein müssen, noch erwähnen dieses Ereignis weder die Schulchronik und die Pfarrchronik noch die damaligen Tageszeitungen wie auch die Monatsausgaben der Eifelvereinszeit-schriften, die im Übrigen über die Besuche des Kaisers in den Jahren 1906 und 1911 in breiter Ausführlichkeit berichteten. Jede Begrüßungs-

Fritz von Wille (1860 - 1941): Weinfelder Maar

rede, „des Landrats Töchterlein überreichte einen Blumenstrauß", jedes Wort des Kaisers, die Emotionen der Bevölkerung, die Speisefolge des hohen Besuches wurden beschrieben - jedoch nirgendwo ist etwas von dem Riesengeschenk der Schalkenmehrener zu entdecken. Hätte irgendwer dem letzten deutschen Kaiserreich das Weinfelder Maar geschenkt, wären nach dessen Ende die Weimarer Republik, dann das Deutsche Reich 1933 bis 1945, danach die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger in den Maarbesitz gekommen und nicht der Kreis Daun, da dieser kein Rechtsnachfolger sein konnte.

Richtig ist jedoch - der Vulkaneifelkreis Daun ist heute Eigentümer des Weinfelder Maares und damit für dessen Zustand und die umgebenden Flächen verantwortlich. Aber wie er in den Besitz des Maares und an die Übertragung seines Schutzes gekommen ist, ist zwar eine gemütvolle Sage, aber falsch. Die Suche nach einer Lösungsfindung war nicht ganz einfach. Das Schalkenmehrener und Weinfelder Maar waren vor über einem Jahrtausend im Eigentum der Grafen von Daun. Beide Seen wurden aus finanziellen Zwängen heraus dem Kurfürstentum Trier verkauft, das beide (ebenso wie auch andere Maare und Gewässer) durch

das gesamte Mittelalter hindurch behielt und als Fischgewässer nutzte. Die französische Besetzung unter Napoleon säkularisierte feudalen Besitz und ließ ihn versteigern. Pastor Simon Schmitz aus Niederstadtfeld erwarb als Privatmann das Schalkenmehrener und das Weinfelder Maar.

Im Alter von 61 Jahren verkaufte Pastor Schmitz im Jahr 1826 beide Maare an den sehr vermögenden Dauner Bürgermeister, Gutsbesitzer und Friedensrichter Ägidius Becker (1764-1843).

Die Erben der Becker-Familie ließen 1888 beide Maare öffentlich versteigern. Das Schalkenmehrener Maar erwarb der zu dieser Zeit als „Retter der Weinfelder Kirche" und als Kreisschulinspektor weithin bekannte und sehr beliebte Pfarrer Johann Konter von Schalkenmehren (1867 - 91) für den Preis von 2000 Mark. Jedoch hatte er es nicht für sich, sondern für die Gemeinde Schalkenmehren ersteigert, die es dann am 11.11.1888 für den gleichen Preis („zahlbar in drei Terminen an den Martini Tagen 1888, 1889 und 1890 nebst 5% Zinsen von Martini 1888 ab") übernahm. Konter verlangte noch, dass die Gemeinde dem jeweiligen Pfarrer von Schalkenmehren das kostenlose Fischrecht gestatte. Bis heute ist

Fritz von Wille (1860 - 1941): Blaue Blume am Weinfelder Maar

also das Schalkenmehrener Maar im Eigentum der Ortsgemeinde Schalkenmehren, die jedoch seit etlichen Jahren keinen eigenen Pfarrer mehr hat; somit ruht das „pastorale Fischereirecht" und ob irgendwann in ferner Zukunft ein möglicher Geistlicher als eigenständiger Pfarrer von Schalkenmehren noch Lust, vor allem noch Zeit und Muße findet, zu fischen, ist ungewiss.

Sofort nach Inbesitznahme des Schalkenmehrener Maares, verpachtete der Gemeinderat das Fischereirecht und beschloss: „...dem Pächter der Maarfischerei nach Ablauf der sechsjährigen Pacht die Fischerei unter denselben Bedingungen auf neun weitere Jahre zu übertragen gegen einen jährlichen Pachtpreis von 90 Mark. Den Krebsfang behält die Gemeinde sich vor."(2.3.1890)

Das Weinfelder Maar, ebenfalls bis 1888 im Besitz der Dauner Familie Becker und dann zur Versteigerung gegeben, erwarb für 800 Mark die Dauner Familie von Dr. Hermann Kaufmann (Major a la suite in Metz, ab 1901 Oberst a.D.), der seinen Wohn- und Altersruhesitz im käuflich erworbenen „Waldenhof" Daun hatte, ein stolzes Gebäude, das dereinst das Wohnhaus der Burgmannfamilie von Wald war. (Oberst Hermann Kaufmann hatte

sich aus Gram über den verlorenen Ersten Weltkrieg und den schmachvollen Versailler Vertrag am 15.12.1918 in Metz das Leben genommen. Der katholische Pfarrer von Metz verweigerte ihm deswegen das kirchliche Begräbnis, worauf ihn sein Bruder Oberstleutnant a. D. Eduard Kaufmann später nach Daun überführen und auf dem sogenannten Evangelischen Friedhof beerdigen ließ.) Am Freitag, 28. Februar 1913, wurde in der Sitzung des 53. rheinischen Provinzial Landtages in Düsseldorf, in der der Landrat des Kreises Daun, Otto Weismüller (1907-1922), und Kaufmann Anton Minninger (1854-1920) anwesend waren, die Einrichtung eines Naturschutzgebietes im Bereich der Dauner Maare diskutiert, mit dem Ziel, diese in ihrer herben und einmaligen Naturschönheit und vulkanischen Einzigartigkeit zu erhalten und vor jeder Verunstaltung zu bewahren: „.. dem Ge-mündener und Weinfelder Maar drohe ernste Gefahr, dass durch Bebauung des Uferrandes mit Wohnhäusern, durch industrielle Ausnutzung der vorhandenen Lager vulkanischen Sandes oder der Wasserflächen oder durch sonstige Änderungen der landschaftlichen Umgebung eine Veränderung des Gesamtbildes eintritt, die den herrlichen Eindruck

zerstört." Der Dauner Landrat und der Trierer Regierungspräsident schlugen vor, ein Naturschutzgebiet auszuweisen. Dieses sollte etwa 125 Hektar umfassen. „Davon müssten etwa zwei Drittel, darunter acht Hektar Wasserfläche des Gemündener und 16 Hektar des Weinfelder Maares, käuflich, erforderlichenfalls im Wege der Enteignung erworben werden, bei dem anderen Drittel wird die grundbuchmäßig einzutragende Beschränkung genügen, dass auf ihnen weder ein Gebäude errichtet, noch eine Ausnutzung zu gewerblichen Zwecken (Sandgrube, Steinbruch usw.) vorgenommen werden darf. Die Schaffung des Schutzgebietes wird nach zuverlässigen Schätzungen den Betrag von 60000 Mark erfordern. Die erworbenen Grundflächen sollen in das Eigentum des Kreises Daun übergehen, der die Verpflichtung übernehmen muss, sie dauernd in dem jetzigen Zustand zu erhalten und im Sinne des Heimatschutzes zu verwalten. Die hierfür erforderlichen Kosten wird der Kreis aufzubringen haben." Dieser Antrag wurde am 28. Februar einstimmig angenommen. Dieser neu gegründete Naturschutzverein kaufte von der Gemeinde Schalkenmehren sowohl das Weinfelder als auch das Gemündener Maar mitsamt ihren angrenzenden Waldparzellen, Feldern und Wiesen auf. Nach den Wirren des Ersten Weltkrieges, den turbulenten Anfangsjahren der Weimarer Republik und den Inflationsjahren wurden am 22. November 1927 das Gemündener und Weinfelder Maar zum Naturschutzgebiet erklärt (veröffentlicht im Amtsblatt der Regierung zu Trier Nummer 49 vom 10. Dezember 1927) und am 3. September 1935, erneut am 11. April 1984, auch die umgebenden Feld-, Wald- und Wiesenparzellen um das Gemündener, das Weinfelder und das Schalkenmehrener Maar gemeinsam zum Naturschutzgebiet erklärt. Und was hat dies alles mit der Person des Kaisers Wilhelm zu tun, der in der Erzähltradition Schalkenmehrens Beschenkter des Weinfelder Maares war, dem aber nachgewiesenermaßen nie irgendwann und irgendwo irgendein Eifel-maar geschenkt worden war? Die Verbindung zum deutschen Kaiser hängt möglicherweise mit dem Erwerb eines Eifel-bildes zusammen. 1808 ließ Wilhelm II. ein Bild

des Eifelmalers Fritz von Wille für sein Jagd-schloss Cadinen in Ostpreußen (heute: Kadyny, Polen) aufkaufen, und zwar „Die blaue Blume", eine Darstellung der Weinfelder Kapelle mit einem Hang voller blauer und weißer Blumen im Vordergrund. Dieses Gemälde muss ihm so gefallen haben, dass er es - so wie die Überlieferung es wissen will - mit in sein Exil auf Schloss Doorn in den Niederlanden mitnahm.

1 Am 20.10.1911 weilte der Kaiser bei seiner mehrtägigen Eifelfahrt erneut in Daun, enthüllte kurz vor Mittag das Brunnendenkmal in Daun, speiste dann „zu 14 Gedecken im Hotel Schramm", „zu dem Landrat Weismüller und unser Eifelmaler Prof. Fritz von Wille hinzugezogen wurden." Im Speisesaal waren fünf große und herrliche Eifelbilder ausgestellt, bestimmt für den neuen Kreissaal im Landratsamt, heute noch in der Dauner Kreisverwaltung zu betrachten (Hillesheim, Burg Kerpen, Kasselburg, Gerolsteiner Felsen und „das Weinfelder Maar in düsterer Gewitterstimmung"). Geschenkt wurde dem Kaiser - außer Blumensträußen und dem Mittagsmahl - kein Maar, weder gemalt noch echt.

2 Major ä la suite, ein Begriff aus dem preußischen Militärwesen, bedeutete, dass diese Person eine Uniform tragen durfte, ohne aktiven Militärdienst zu leisten. Ä la suite war hauptsächlich eine Ehrenstelle fürverdienstvolle Persönlichkeiten. Major Kaufmann erhielt sein Gehalt nicht aus dem Wehretat, sondern aus seiner Gutsbewirtschaftung.

3 Den Waldenhof, ein mittelalterliches Ritterhaus mit Walden-bungert und weiteren größeren Ländereien, hatte ebenfalls der Dauner Friedensrichter Ägidius Becker während der napoleonischen Säkularisation ersteigert, dann seinerTochter Luise vererbt, die mit Prof. Dr. Peter Kaufmann verheiratet war. Diese Ehe hatte drei Kinder: Hermann, Eduard und Maria (+ 12.5.1920 ehe- und kinderlos im Waldenhof). Oberst Hermann, Eigentümer des Waldenhof, überschrieb kurz vor seinem Freitod seinen gesamten Besitz seinem jüngeren Bruder, Oberstleutnant Eduard. Dieserverstarb 1923 kinderlos. DerWaldenhofbesitzging nun über an den Urenkel von Ägidius Becker, Generalmajor Otto von Goeldel als alleiniger Erbe. Dieser verkaufte 1927 Waldenhof und Waldenbungert an den Lehrerund späteren Rektor der Dauner Volksschule, Philipp Jobelius. Nach dessen Tod (+ 23.5.1975) wechselte der mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Waldenhof noch mehrmals den Besitzer.

4 Die Gemeinde Schalkenmehren bedauerte jahrzehntelang, dass sie 1913 für einige tausend Mark einen herrlichen Waldbestand, der mit den Jahren einen immer höher werdenden Geldwert darstellt, am Mäuseberg und den Hängen des Ge-mündener Maares verkauft hatte.

5 Die Minister für Wissenschaft und für Landwirtschaft haben durch Polizeiverordnung vom 22.11.1927 diese Maare zum Naturschutzgebiet erklärt. In diesem ist bei Strafe bis zu Reichsmark 150 oder Haft verboten:

1. Jede Veränderung der Erdoberfläche einschließlich der Wasserverhältnisse der Mare, insbesondere die Anlage von Steinbrüchen oder Sandgruben wie überhaupt das Brechen von Steinen oder das Graben von Sand, die Wegnahme von Steinblöcken oder die Entfernung des Waldbodens oder der Grasnarbe;

2. die Errichtung von Bauten, die geeignet sind, das Landschaftsbild zu stören.

3. das Feueranzünden, Abkochen, Wegwerfen von Speiseresten, Papierhüllen und dergl.