Schwerpunktthema

Meine Schulzeit - Schule und

Schulgeschichten gestern und heute

„Wie ... die Atmosphäre eines Kuhstalls"

- Wohnverhältnisse der Lehrpersonen in Stadtkyll um 1900

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Betrachtet man das Schwerpunktthema dieses Jahrbuches „Schule und Schulgeschichten -gestern - heute - morgen", so steigen sicherlich zunächst Erinnerungsfetzen an Schulerlebnisse in einem hoch, die positiver, aber auch negativer Art sind wie Misserfolge oder Erfolgserfahrungen. Dann erscheinen konkretere Rückblenden, die sich mit ehemaligen Mitschülern/ innen, den Lehrer/innen, der allgemeinen Unterrichtssituation, so manchem Schülerstreich, dem Klassenclown oder heiklen Prüfungssituationen beschäftigen. Die Palette der Retrospektiven scheint unerschöpflich zu sein. Manch älterem Zeitgenossen mag auch noch der Geruch des frisch gewachsten Holzbodens des Klassenzimmers in die Nase steigen.

Residenzpflicht

Weniger in den Vordergrund platzieren sich Gedanken, die sich mit der Wohnsituation der früheren Lehrkräfte auseinandersetzen, die meist eine Dienstwohnung im Schulgebäude bewohnten. Da noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts jedes Dorf eine Volksschule sein Eigen nennen durfte, beherbergten die kleineren Gemeinden meist nur einen Lehrer oder eine Lehrerin, die jeweils für eine Knaben- und

Mädchenklasse verantwortlich zeichneten. Dabei herrschte Residenzpflicht, die besagte, dass bestimmte Berufsgruppen - unter anderem Lehrer/innen - den Wohnort so zu wählen hatten, dass er in der Nähe der Arbeitsstelle lag und somit die Wahrnehmung der Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt werden sollte. So stellten die Gemeinden den Lehrkräften Wohnungen zur Verfügung, wobei man auch Privatwohnungen anmietete. Die Lehrpersonen wohnten also nahe bei den anvertrauten Schülern und schienen bei diesen auch nach dem Unterricht omnipräsent zu sein. Die Mobilität der Menschen war damals noch sehr eingeschränkt, sodass der Wohnsitz schon aus diesem Grund im Dienstort genommen werden musste. Es war auch selbstverständlich, dass Lehrer/innen im Dorf neben dem Pfarrer zu den Autoritätspersonen gehörten. In größeren Ortschaften gesellten sich noch Arzt und Apotheker in die Riege der Honoratioren. Mit dem Verschwinden der Dorfschulen Mitte/Ende der 60er Jahre und der Schaffung größerer Haupt-und Realschulen erhöhte sich der Lehrerbedarf und somit änderte sich auch die Wohnsituation der Lehrkräfte. Heute sind die wenigsten Lehrpersonen am Schulort ansässig. Teilweise

nimmt man sogar weite An- und Abfahrtswege in Kauf.

Dass die Wohnqualität in den Wohnungen der früheren Dorfschulen alles andere als zufriedenstellend war, zeigt sich am Beispiel der Lehrerwohnungen in Stadtkyll vor etwa 120 Jahren. Im Jahre 1845 war am Kerschenbacher Weg eine zweiklassige Jungen- und Mädchenschule entstanden, die auch die Kerschenbacher Schulkinder besuchten. Kerschenbach besaß, abgesehen von kurzzeitigen Winterschulen, zu keiner Zeit eine eigene Schule. Zwangsläufig mussten die Kerschenbacher Kinder einen mehrere kilometerlangen Hin- und Rückweg nach Stadtkyll täglich bewältigen. Aufgrund eines Anstiegs der Schülerzahlen ließ der Schulverband StadtkyllKerschenbach durch den Anbau zweier Schulsäle für eine gemischte Unter- und eine ältere Jungenklasse das Schulhaus 1891 erweitern. Die älteren Mädchen verblieben im Schulhaus. Nun benötigte man eine dritte Lehrkraft, einen sogenannten „zweiten Lehrer". „Angemessene Wohnungen" seien in Stadtkyll vorhanden, ließ das für die Stellenauschreibung zuständige Prümer Schulamt verlauten. Dass es sich, gelinde gesagt, um eine Übertreibung handelte, wir würden heute von „Fake-News" sprechen, ahnte niemand.

Aus einem Schreiben des Bürgermeisteramtes an den Prümer Landrat Dombois (1893) erschließen sich die jährlichen Kosten der beiden Gemeinden für die drei Lehrkräfte folgendermaßen: Für den „erste Lehrer": 1.150 Mark, für den „zweiten Lehrer": 1.050 Mark und für die Lehrerin 800 Mark. Zuweisungen erhielten die Gemeinden aus einem Staats- und Dotationsfonds. Unter dem Strich verblieben noch 1.137 Mark für Stadtkyll und Kerschenbach. Nun hatte sich durch die dritte Lehrkraft die Wohnungssituation im Stadtkyller Schulgebäude zugespitzt. Die ganze Problematik und die „Übelstände" können wir einem Schreiben vom Januar 1898 des Lehrers Mathias Delges entnehmen, das er an den Königlichen Regierungsschulrat Flügel nach Trier richtete. Delges stammte aus Lasel und besaß zum Zeitpunkt seines Schreibens bereits eine vielköpfige Kinderschar, sodass sich mit der Zeit die Enge der Lehrerwohnungen drastisch

bemerkbar gemacht hatte. Zunächst beschreibt er die Raumaufteilung des Schulhauses folgendermaßen:

„Parterre:Links vom Flur die Mädchenschule (= Klasse für ältere Mädchen, d. Verf.),rechts Wohnung der Lehrerin, bestehend aus vier Räumen. Wohn- und Schlafzimmer der Lehrerin sind trocken, durch eine sogenannte Spanische Wand getrennt und können gleichzeitig durch einen Ofen geheizt werden. Das Schlafzimmer neben der Küche ist feucht. Erster Stock: Wohnungen der beiden Lehrer. Die Wohnung des ersten Lehrers hat vier, die des zweiten Lehrers zwei Räume. Der Vorderraum kann nicht als Zimmer benutzt werden, weil er zu klein ist und als Durchgang zu den anderen Zimmern dienen muß. Das Schlafzimmer neben der Küche ist feucht, da es zwei freiliegende Seiten hat. Dasselbe wäre als Vorratskammer geeignet, weil es an der Küche liegt und ein anderer Raum zu diesem Zwecke nicht vorhanden ist.

Speicher:Auf dem Speicher hat die Lehrerin und der zweite Lehrer einen durch Latten abgeschlossenen und verschließbaren Raum außer dem übrigen Speicheranteil. Ich habe daselbst ein Kämmerchen, dem auch durch den Anbau der beiden neuen Schulsäle das Licht genommen wurde; indessen könnte in der bereits durchbrochenen Decke ein Fenster eingesetzt werden. Das Kämmerchen wäre dann gut für ein Dienstmädchen." Feuchte Wohnräume bergen ein hohes Gesundheitsrisiko, das Delges noch nicht einmal anspricht. Dann kommt es aber knüppeldick! Bei der Schilderung der „Übelstände" treten schier unglaubliche Missstände in Erscheinung, die heute zu einer sofortigen Schließung der Schule führen würden. Delges schreibt: „Im Hause selbst ist kein Wasser. Der Schulbrunnen vor dem Hause liefert Wasser, welches im Sommer ganz nach Jauche schmeckt. Wir (auch die Lehrerin) holen das Wasser zum Kochen in einem Hause im Orte. 1 bis 2 m hinter dem Schulhause hat der Nachbar einen Dungplatz gerade vor der Küche der beiden Wohnungen. Die Jauche wird daselbst nicht aufgefangen, sickert durch den Boden und gelangt so jedenfalls in den Schulbrunnen. In gesundheitlicher Hinsicht wäre es für

die Bewohner des Schulhauses wünschenswert, wenn der Nachbar angehalten würde, den Dungplatz zu verlegen, was auch gut möglich ist. Zeitweilig kann man nach dieser Seite kein Fenster öffnen, wenn man nicht die Atmosphäre eines Kuhstalles haben will. Außerdem ist es ein weiterer Übelstand, daß keine Waschküche vorhanden ist. Entweder muß man andere Leute belästigen oder wir müssen in der kleinen Küche waschen. Durch den großen Dunst verderben sowohl die Küchensachen als auch in dem anliegenden Schlafzimmer das Bettzeug und in dem Kleiderschrank daselbst die Kleider. Dazu dringt das Wasser, was sich häufig nicht vermeiden läßt, durch den Fußboden in die Küche der Lehrerin. Auch ist kein Stall da, nicht einmal so viel Platz, um eine Ziege oder ein Huhn halten zu können."

Viele Beamte sahen sich durch das nicht gerade üppige Salär veranlasst, eine Ziege oder ein Huhn zu halten, die frische Milch beziehungsweise Eier lieferten. So bezeichnete man eine Ziege auch als „Beamtenkuh". Dann macht Delges Vorschläge zur Wohnungseinteilung:

„Sollte an die Lehrerin noch ein Zimmer des 1. Stockes abgetreten werden, so hätte sie so viele Räume wie der verheiratete Lehrer; auch die Größe der beiden Wohnungen wäre dann ungefähr dieselbe. Es würde eine solche Aufteilung auch zu nicht vermeidbaren Unzuträglichkeiten führen. Das ließe sich nach meiner Meinung ändern, wenn für die Lehrerin auf dem Speicher ein Zimmer gebaut würde für ein Mädchen (= Hausmädchen, d. Verf.), das sie evtl. bei sich hat. Dazu ist auf dem Speicher noch Platz genug."

Zum Schluss beklagt Delges seine wirtschaftliche Lage:

„Immerhin ist es für einen verheirateten Lehrer mit einigen Kindern sehr schwierig, in Stadtkyll auszukommen. Wenn mir nicht jährlich 300 Mk. zugeschossen worden wären, hätte ich Schulden machen müssen. Stadtkyll ist ein teurer Ort, obwohl er nach der Gehaltsliste als billiger bezeichnet wird. Hier zahlt man für alles fürstliche Preise; manche Lebensmittel kann man in Prüm und Hillesheim, die als teure Orte gelten, billiger kaufen. In größeren

Quantitäten kann ich auch nicht einkaufen, weil ich keinen Raum habe, um Sachen aufzubewahren. Wenn hier keine Besserung der Verhältnisse eintritt, so kann es nur mein Wunsch sein, von hier versetzt zu werden."

Lage der Lehrer im 19. Jhd.

An dieser Stelle sei es erlaubt, auf die wirtschaftliche Situation eines damaligen Lehrers und insbesondere auf die einer Lehrerin einzugehen. Mitte des 19. Jahrhunderts entlohnte man den Lehrer (Lehrerinnen waren noch kaum vertreten) mit jährlich 300 Reichstalern. Durch Küster- oder/und Organistendienst gelang es, das Gehalt mit 30-40 Reichstalern aufzubessern. Manchmal traten meist unverheiratete Lehrer in den Dörfern als Kostgänger auf, wobei sie abwechselnd von ortsansässigen Familien einen Mittagstisch angeboten bekamen.

Nach der Reichsgründung (1871) und einer damit verbundenen Währungsreform von Reichstalern auf Mark (1875) hatte sich die finanzielle Situation der Pädagogen nur unwesentlich verändert. Männliche Lehrpersonen erhielten jährlich zwischen 1.370 und 2.070 Mark, weibliche lagen weit darunter. Um die Entlohnung einordnen zu können, muss man das Prinzip des Kaufkraftvergleichs anwenden. Damals bezahlte man für ein Ei einen Pfennig, für 1 Liter Milch 20-25 Pfennig, für 1 Liter Bier 26 Pfennig und für 1 Liter Wein 1,80 Mark. Eine Jahresmiete für ein großes Zimmer belief sich auf 190 Mark. Lehrerinnen erhielten um 1900 circa 800 Mark jährlich und sie lagen damit unter dem Gehalt ihrer männlichen Kollegen. Dies lag an ihrer sozialen Stellung. Lehrerinnen hatten keine Familie zu ernähren, da sie dem „Lehrerinnenzölibat" unterworfen waren. Ein gängiger Begriff war „Fräulein Lehrerin". Somit beanspruchten alleinstehende Lehrerinnen auch keine größeren Wohnungen. Was hatte es mit dem „Lehrerinnenzölibat" auf sich? Eingeführt wurde er 1880 und er untersagte Lehrerinnen zu heiraten. Missachtete man das Heiratsverbot, so erfolgte die Kündigung. Was für ein Eingriff in die soziale Stellung einer Frau! Im damaligen Kaiserreich traute der Staat anscheinend den Frauen nicht zu,

der Doppelbelastung durch Lehrberuf und Familie standhalten zu können. Erst durch den Ersten Weltkrieg, in dem die Frauen durch den Kriegseinsatz der Männer in verschiedenen Bereichen wie in den Waffenfabriken die Arbeitsleistung der Männer an der „Heimatfront" übernommen und gewissermaßen „ihren Mann gestanden" hatten, ergab sich eine Änderung. In der Weimarer Reichsverfassung von 1919, in der auch das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, schaffte man den Zölibat ab, um ihn 1923 wieder einzuführen. Im wirtschaftlichen und fiskalischen Notjahr 1923 (Hyperinflation) erlaubte die „Personalabbauverordnung" die Entlassung verehelichter Beamtinnen, um staatliche Stellen für männliche Beamte freizuhalten und zu sichern. Bei ungleicher Bezahlung erschien aus Sicht einer Lehrerin eine Heirat schon aus finanziellen Gründen lukrativ. 1950 milderte man im „Bundesperso-nalgesetz" die Zölibatsklausel ab. Eine Beamtin, die nun eine Heirat einging, war nicht wie stets aus dem Dienst zu entfernen, sondern nur dann, wenn ihre wirtschaftliche Lage gesichert erschien. Erst 1951 konnten Lehrerinnen eine Familie gründen und weiterhin im Beruf verbleiben. Aber die Anrede „Fräulein" hatte noch weiteren Bestand.

Zurück zur Stadtkyller Wohnungssituation im Schulgebäude! Verschiedene Lösungsversuche, die prekären Wohnbedingungen zu entschärfen, liefen ins Leere. Dazu gehörte die Fertigstellung eines Speicherzimmers für die Lehrerin und der Versuch, eine Wohnung in einem Privathaus für den „zweiten" Lehrer an-zumieten. Erst durch die Versetzung der Lehrerin Nolles (nach Auel) und die in Aussicht stehende Versetzung des Lehrers Delges sollten die Wohnverhältnisse neu geregelt werden. Wie die Neuregelung aussehen konnte, verrät ein Schreiben des Kreisschulinspektors von Prüm vom 10. Oktober 1900 an die Königliche Regierung zu Trier, in dem es heißt: „Die Lehrpersonen zu Stadtkyll haben in den letzten Jahren wiederholt über die Mängel ihrer Dienstwohnung Klage geführt und diese Klage ist nicht unbegründet. Insbesondere läßt die Wohnung der Lehrerin viel zu wünschen übrig. Es erscheint daher zweckmäßig, anläßlich der vor Kurzem erfolgten Versetzung der

Lehrerin Nolles und der in Aussicht stehenden Versetzung des Lehrers Delges die Wohnverhältnisse neu zu regeln. Nach Rücksprache mit dem Ortsschulinspektor zu Stadtkyll gestatte ich mir folgende Verteilung der vorhandenen Wohnräume in Vorschlag zu bringen: Der zweite Lehrer, dem bisher zwei Zimmer zugewiesen waren, gibt diese Räume ab und erhält in Zukunft eine Mietentschädigung, falls die Gemeinde es nicht vorziehen sollte, demselben in einem anderen Hause, welches die Gemeinde dem Vernehmen nach leicht erwerben kann, eine Wohnung herzurichten. Die Lehrerin erhält die zwei Zimmer, die bisher der zweite Lehrer hatte, nebst Küche und einem Zimmerchen des ersten Lehrers. Der erste Lehrer erhält die bisherige Wohnung der Lehrerin als Küche und Wohnzimmer und oben die bisherige Wohnung des Lehrer Delges (drei Zimmer und eine Mansarde). Auf diese Weise würden wohl alle Beteiligten zufriedengestellt." Lehrer Delges, der seine Versetzung am Ende seines Briefes angekündigt hatte, verließ nach vierjähriger Dienstzeit im Dezember 1900 seine Dienststelle in Stadtkyll. An seine Stelle trat Lehrer Schultheiß (von 1900-1903, versetzt nach Witten), der nun mit der Neuregelung konfrontiert wurde.

Einige Monate dauerte es noch, bis es endlich für alle Seiten zu einer einigermaßen akzeptablen Übereinkunft kam. Der Prümer Schulinspektor Klauke teilte mit Schreiben vom 22. Januar 1901 der Regierung zu Trier die Einigung mit, die er zusammen mit dem Ortsschulinspektor getroffen hatte: „Die Lehrerin erhält die im rechten Flügel des oberen Stockwerkes liegenden vier Räume und denjenigen Teil des Speichers, der über ihrer Wohnung liegt. Der erste Lehrer (Scheid) erhält die übrigen Wohnräume, nämlich die drei im Erdgeschoß liegenden Räume, von denen einer feucht ist, die drei im linken Flügel des oberen Stockwerkes liegenden Zimmer, eine Mansarde und den übrigen Teil des Speichers. Die in einem besonderen Gebäude liegende Waschküche benutzen Lehrer und Lehrerin gemeinsam. Der zweite Lehrer erhält vom 1. Januar ab die von der Gemeinde bewilligte Mietsentschädigung von 75 Mark. Nach erfolgter Genehmigung will der zweite Lehrer (Schultheiß)

von dem Lehrer Scheid einen Teil der diesem zugewiesenen Wohnung mieten." Gegen diese Aufteilung hatte die Regierung zu Trier „nichts zu erinnern", was hieß, dass zumindest die Wohnungseinteilung die Genehmigung von höchster Stelle erhielt. Eine Waschküche hatte sich also hinzugesellt. Aber noch immer ist von feuchten Zimmern die Rede. Hatte sich die gesundheitsgefähr-

dende Wasserverseuchung durch die Entfernung des benachbarten Dungplatzes zum Guten verändert? Darüber schweigen die Schulakten!

Quelle:

LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 13143

Acta betr. die kath. Schule zu Stadtkyll; Abtl. des Innern der Regierung zu Trier;

Geistl.-Schul- und Medizinalverwaltung

Auch eine Schulgeschichte: Rückkehr der verschollenen Schulchronik Mannebach

Helmut Müller, Mannebach

Im Jahr 1983 fand in meinem Heimatort Mannebach ein wunderbarer Akt der Völkerverständigung statt, wie er sich mit Sicherheit nicht oft ereignet. Ein Brief aus Amerika, datiert vom 30. Januar 1983, erreichte am 9. Februar über die Adresse „Bürgermeister der Stadt Mannebach/ Rathaus" den damaligen Ortsbürgermeister Stefan Lanser. Mit diesem Brief sollte sich das Schicksal der verloren geglaubten Chronik klären, in der der Lehrer Adolf Bremm alles, was sich zwischen 1929 und 1944 im Dorf und in der Schule Mannebach ereignet hatte, handschriftlich festgehalten hatte. Nachdem Anfang März 1945 amerikanische Besatzungssoldaten in unser Dorfeingezogen waren, hatte sich plötzlich die Spur des stattlichen Buches verloren. Die Menschen trauerten dem Stück Heimatgeschichte nach. Der oben genannte Brief, verfasst von der deutschstämmigen Ordensschwester Pancratia Schmitt in Belleville im US-Bundesstaat Illinois, hat folgenden Inhalt: Sehr verehrter Herr Bürgermeister! Mit der Post werden Sie ein Buch erhalten, eine Schulchronik von einer katholischen Schule in Manne-

bach. Ein amerikanischer Soldat musste es weggetragen haben nach dem Krieg in der Gegend über Mayen. Es kam in meine Hände von einem Mann, dessen Tante eine Ordensschwester war in meinem Kloster. Er hatte es für 25 Dollar gekauft und konnte es nicht lesen. Deshalb gab er es seiner Tante, die etwas Deutsch konnte. Nach ihrem Tod habe ich es bekommen, und ich wusste gleich, dass es meine Pflicht sei, es wieder zurück in seine Heimat zu schicken. Ich hat-

Eine Doppelseite aus der verloren geglaubten Schulchronik Mannebach