Auch eine Schulgeschichte: Rückkehr der verschollenen Schulchronik Mannebach

Helmut Müller, Mannebach

Im Jahr 1983 fand in meinem Heimatort Mannebach ein wunderbarer Akt der Völkerverständigung statt, wie er sich mit Sicherheit nicht oft ereignet. Ein Brief aus Amerika, datiert vom 30. Januar 1983, erreichte am 9. Februar über die Adresse „Bürgermeister der Stadt Mannebach/ Rathaus" den damaligen Ortsbürgermeister Stefan Lanser. Mit diesem Brief sollte sich das Schicksal der verloren geglaubten Chronik klären, in der der Lehrer Adolf Bremm alles, was sich zwischen 1929 und 1944 im Dorf und in der Schule Mannebach ereignet hatte, handschriftlich festgehalten hatte. Nachdem Anfang März 1945 amerikanische Besatzungssoldaten in unser Dorfeingezogen waren, hatte sich plötzlich die Spur des stattlichen Buches verloren. Die Menschen trauerten dem Stück Heimatgeschichte nach. Der oben genannte Brief, verfasst von der deutschstämmigen Ordensschwester Pancratia Schmitt in Belleville im US-Bundesstaat Illinois, hat folgenden Inhalt: Sehr verehrter Herr Bürgermeister! Mit der Post werden Sie ein Buch erhalten, eine Schulchronik von einer katholischen Schule in Manne-

bach. Ein amerikanischer Soldat musste es weggetragen haben nach dem Krieg in der Gegend über Mayen. Es kam in meine Hände von einem Mann, dessen Tante eine Ordensschwester war in meinem Kloster. Er hatte es für 25 Dollar gekauft und konnte es nicht lesen. Deshalb gab er es seiner Tante, die etwas Deutsch konnte. Nach ihrem Tod habe ich es bekommen, und ich wusste gleich, dass es meine Pflicht sei, es wieder zurück in seine Heimat zu schicken. Ich hat-

Eine Doppelseite aus der verloren geglaubten Schulchronik Mannebach

Ohne die Ordensschwester Pancratia Schmitt (hier ein Foto aus dem Jahr 1992) fehlte Mannebach ein wichtiger Teil seiner Schulchronik

te das Buch schon etliche Jahre, aber ich wusste nicht, was zu tun ist, und es machte mir immer Sorgen. Zuletzt habe ich erfahren von unserem Busfahrer in Deutschland, welches Mannebach ich suchte. Deshalb schicke ich das Buch zu Ihnen, so dass Sie es an den echten Ort bringen. Ich bin Lehrerin an der Althoff Catholic High School in Belleville, Illinois. Das Buch wurde in Illinois verkauft.

Ich habe schon vier Reisen nach Deutschland gemacht. Das erste Mal ging ich nach Ahrweiler für eine Zeit, und dann studierte ich in Heidelberg. Die nächsten drei Reisen waren mit Schülern von meiner Schule. Ich bin Deutschlehrerin. Vielleicht fahren wir wieder im Jahr 1984. Mein Großvater kam aus Aschaffenburg bei Frankfurt, aber ich war sehr jung, als er starb. Ich habe viele Freunde in Deutschland ... Meine Nichte arbeitet im Militärhospital in Bitburg. Sie heißt Barbara Schmitt. Sie wissen jetzt ein wenig von mir, darum wissen Sie, warum ich mir Sorgen machte um das Buch..."

Am 10. März 1983 kam das Paket aus Amerika. Es enthielt die Schulchronik. Sie war unversehrt. Die Freude beim Ortsbürgermeister und bei den Bewohnern von Mannebach war riesengroß. Stefan Lanser reagierte sofort mit einem Dankesbrief und zwei Bildbänden über die Eifel. In diesem Brief heißt es unter anderem:

„... Die Schulchronik wurde vermisst, aber an eine Wiederkehr hatte keiner mehr geglaubt... Sollten Sie die Möglichkeit haben noch einmal nach Deutschland zu kommen, so sind Sie auch bei uns herzlich willkommen ... " In Schwester Pancratia Schmitts Antwortschreiben finden sich folgende Sätze: „... Ich glaube, es war ein Wunder, dass das Buch in meine Hände gelangte. . Jetzt ist eine große Last von mir gefallen ." Am 13. Juni wendet sich Franz-Josef Ferber von der Kreisverwaltung Daun in einem Brief an die beherzte Amerikanerin: „Sehr geehrte Frau Schmitt, durch Herrn Ortsbürgermeister Stefan Lanser aus Mannebach habe ich davon erfahren, dass Sie ihm die wiedergefundene Schulchronik zurückgeschickt haben. Von diesem nicht alltäglichen Ereignis - es ist ein Stück Zeitgeschichte - war ich außerordentlich beeindruckt. Als Leiter der Abteilung „Schulen und Kultur" bei der Kreisverwaltung Daun danke ich Ihnen - auch im Namen des Chefs dieses Hauses, Herrn Landrat Karl-Adolf Orth - ganz herzlich für Ihre große Tat. Ihr verantwortungsvolles Handeln wurde hier bei der Kreisverwaltung, aber auch in der Bevölkerung des Kreises Daun als beispielhaft empfunden. Sie hatten schon richtig erkannt: Der Verlust des Buches wäre für Mannebach und überhaupt für unseren Heimatraum sehr schmerzlich gewesen. ." Auch Franz-Josef Ferber sprach die Einladung an Schwester Pancratia Schmitt aus, Mannebach während der nächsten Deutschlandreise zu besuchen. Leider kam das Treffen nicht zustande. Mir persönlich ließ die Sache keine

Die Titelseite des zweiten Mannebacher Chronikbands (von April 1929 bis Mai 1944)

Ruhe. Am 5. März 1992 schrieb ich ihr einen Brief und schickte eine Reihe von Fotos mit Ansichten von Mannebach mit. Ich bat sie, mir ein Foto von sich zukommen zu lassen. Pancratia ging im Juli 1992 extra zu einem

Fotografen und schickte mir ein Foto. Zu dem Zeitpunkt war die 1918 geborene Ordensfrau 74 Jahre alt. Es war der letzte Kontakt zu ihr. Wahrscheinlich ist sie inzwischen verstorben, wäre sie doch nun mehr als 100 Jahre alt.