Meine Zeit in der Volksschule in Berlingen

Anita Adams, Kirchweiler

Auf einem alten Foto stehe ich mit meiner Schultüte im Schnee mit Mütze, warmem Pullover und Stiefeln, denn ich wurde am 1. Dezember 1966 eingeschult. Es war das Jahr der Umstellung des Schuljahresbeginns vom Frühjahr auf den Herbst - wir kamen in den Genuss des sogenannten „Kurzschuljahres".

Wir, das waren Gerhard und ich: mit drei Tagen Altersunterschied zur Welt gekommen, waren wir gemeinsam in St. Barbara getauft worden und sollten nun Banknachbarn für die nächsten paar Jahre in unserer schönen neuen Schule werden.

Mein Schulweg führte mich morgens in einem Bogen um Krejisch herum, an Ühme vorbei, wo damals noch die Schmiede war; hinter der alten Schule, die schon mein Vater besucht hatte, bog ich links ab, ging noch ein Stück die Straße entlang, wo sich heute der Spielplatz befindet und dann ein paar Stufen hoch über den Fußweg zum Schulgebäude. Dieses hatte eine überdachte Verbindung zur Lehrerwohnung, sodass unser Lehrer Anton Bernardy auch bei Regen trocken zum Unterricht kommen konnte. Für uns Schulkinder gab es im Eingangsbereich Fächer, in denen unsere Pantoffeln lagerten, die vor Schulbeginn gegen die Straßenschuhe getauscht wurden. In unserem großen Klassenraum waren die Schüler von acht Schuljahren untergebracht. Wir I-Dötzchen saßen zuerst ganz vorne, die ältesten und größten Schüler ganz hinten - eine Volksschulklasse mit Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis vierzehn Jahren (das neunte Schuljahr musste damals in Neroth absolviert werden). Meine ersten Schreibübungen machte ich auf einer Schiefertafel (der Griffel kratzte manchmal fürchterlich), auf der ich auch mit Papas

Unterstützung meine ersten kleinen Aufsätze schrieb.

Unser „Neues Rheinisches Lesebuch", das noch heute bei mir im Bücherschrank steht, enthielt Texte in Schreib- und Druckschrift. Und Gedichte. Wie das von den drei Spatzen die „in einem leeren Haselstrauch" saßen. Mein Faible für gereimte Verse verdanke ich wohl meinem Großvater, der als Schulkind richtig lange Gedichte hatte lernen müssen und sie im Alter immer noch aufsagen konnte. Wenn er an seinem Stammplatz am Küchentisch saß und voller Inbrunst Schillers Bürgschaft rezitierte, dann lauschte ich gespannt und sah den verzweifelten Damon vor mir, dem der reißende Fluss die Brücke weggerissen hatte... und staunte über meinen Opa, der diese lange Ballade immer noch auswendig konnte. Aber zurück zur Schule. Als die Schiefertafel ausgedient hatte, gab es ein besonderes Heft für Schönschreibübungen - von manchen Buchstaben passten da furchtbar viele in eine Reihe!

Anton Bernardy schaffte es, uns allen etwas beizubringen: wir beiden Erstklässler lernten schreiben und lesen und übten die Grundrechenarten, während die Älteren sich mit Bruchrechnung, Heimatkunde und Texten aus dem Lesebuch „Durch Tag und Jahr" beschäftigen mussten. Auch dieses Buch habe ich verwahrt („estamiert" sagt der Eifeler) - beinhaltet es doch so schöne Geschichten wie die vom „Fischfang auf dem Eise", die Sage von der „Kirchtür zu Wiesbaum" und die von der Entstehung des Weinfelder Maars. Wenn wir mit einer Aufgabe fertig waren, hörten wir einfach bei den anderen zu und bekamen eine Ahnung davon, was wir noch alles zu lernen hatten.

Überschriften oder schwierige Wörter schrieb

der Lehrer an die Tafel und wir mussten sie abschreiben.

Aber wehe, man schrieb falsch ab! Dann musste man zur Strafe zu Hause das betreffende Wort zweihundertmal schreiben. Es mag im zweiten Schuljahr gewesen sein, als ich am gleichen Tag bei „trotzdem" das z und bei „Inhaltsangabe" das s vergaß. Herr Bernardy ließ Gnade vor Recht ergehen und ich brauchte jedes Wort nur hundertmal zu schreiben. Die Übung zeigte dennoch Wirkung: ich passte künftig sehr genau beim Schreiben auf! Im dritten Schuljahr beschäftigten wir uns unter anderem mit der Schrift unserer Großeltern: Sütterlin. Für diesen Exkurs bin ich unserem Lehrer heute noch dankbar, denn er ermöglicht mir das Lesen alter Gemeinderatsund Kirchenakten für die Chronikarbeit. Außer Herrn Bernardy gab es für uns noch zwei andere Lehrpersonen: einmal in der Woche kam Pfarrer Batteux zu uns in die Schule, um den Religionsunterricht abzuhalten - vor ihm hatte ich gehörigen Respekt.

Und Susanna Borsch, die mir heute noch als „Tanf Sus" in Erinnerung ist, unterrichtete uns Mädchen in Handarbeit. Sie brachte mir das Stricken bei - anfangs ein schwieriges Unterfangen, aus unerfindlichen Gründen vermehrten sich die Maschen auf meiner Nadel

von Reihe zu Reihe. Der „Schal" aus grüner Wolle wurde nie vollendet, das Werk irgendwann wieder aufgezogen. Aber wenn Frau Borsch wüsste, wie viele Paar Socken ich mittlerweile (meistens in Koproduktion mit meiner Mutter) schon gestrickt habe, dann könnte sie mit Genugtuung feststellen, dass ihre Mühe nicht umsonst war.

Bei schönem Wetter war gelegentlich auch praktische Tätigkeit angesagt: Blumen pflanzen und Unkraut zupfen, denn der Hang zur Straße hin war in kleine Abschnitte unterteilt und wir pflegten dort zu zweit oder zu dritt unsere „Gärtchen".

Auch Wanderungen in die Umgebung machten wir mit Herrn Bernardy - und Ausflüge, für die er einen Bus bestellte. Als Vater von vier Kindern wusste er, was uns Vergnügen bereitete.

So nahm er an einem frostigen Wintertag den Gartenschlauch, ließ Wasser auf den Schulhof laufen und verwandelte diesen in eine Eisbahn. Wir hatten nachmittags einen Heidenspaß!

Tempora mutantur. (Die Zeiten ändern sich.) Die zweite Hälfte des vierten Schuljahres verbrachten wir in der Grundschule von Pelm - unsere schöne Schule in Berlingen wurde geschlossen.

Es war eine Umstellung: wir mussten mit dem Bus fahren, das Gebäude war alt, nur zwei Jahrgangsstufen wurden zusammen unterrichtet und wir bekamen eine Lehrerin. Diese aber nur für kurze Zeit, denn Anton Bernardy übernahm kurz darauf die dritte und vierte Klasse - wir hatten unseren gewohnten Lehrer wieder.

Und dann stellte sich bald die Frage nach der weiterführenden Schule. Mein Vater fuhr zum Beratungsgespräch.

Ich war natürlich gespannt auf das, was der Lehrer gesagt hatte und muss heute noch lachen, wenn ich daran denke: Herr Bernardy hatte meinem Vater geraten, mich zum Gymnasium zu schicken. Papa war allerdings der Meinung, dass Mädchen sowieso heiraten, daher kein Abitur brauchen und die Realschule ausreiche. Letztes Argument des Lehrers: „Aber damit machen sie eine bessere Partie!"