Klassentreffen 2019 in Daun, ein Vortrag

Roswitha Gräfen-Pfeil, Mosbach

Die Jahre eilen vorbei, schon wieder ist Frühling in der Eifel. Im April 1955 wurden wir eingeschult, ein seltsames Wort! In der Baumschule sagt man aufschulen, das bedeutet, die Gehölze großziehen. Warum heißt es bei Kindern anders?

Wir hatten einen Schulhof, auf dem wir mit der Ferse eine Kuhle drehen konnten, um mit Klickern zu spielen. Zur Straße hin war ein Holzzaun auf einem Mäuerchen. Ich erinnere mich an den Hang mit blühenden Obstbäumen neben diesem ebenen Hof in der Burgfriedstraße. Es hieß, das Obst gehöre dem Rektor. Es gab eine zertretene Wiese unter den Bäumen, durften wir da auch spielen? Die stinkenden Toiletten mit Holztüren auf der rechten Seite des Hofes waren in meiner Erinnerung ohne Wasserspülung. Der Geruch nach Staub und Holzöl im ersten Klassenraum hat sich mir eingeprägt. Das alles ist lange her.

Die meisten von uns haben jetzt das siebzigste Lebensjahr vollendet, und einige werden eine Bilanz versuchen: Wie war mein Leben, was kann ich noch erwarten? Ich hoffe, dass nicht nur die Vergangenheit unser Denken und Fühlen prägt, wir haben das Heute und das Morgen, solange wir leben. Natürlich haben wir nach den Jahren Erfahrungen mit Krankheit, Abschiede von geliebten Menschen, Trauer und Enttäuschungen in uns. Die körperlichen Einschränkungen, die vielleicht kamen oder kommen, nehmen zu. Ich hoffe sehr, wir lernen ohne ständiges Jammern damit umzugehen. Wir sind unsere eigenen Archivare, mit Wehmut und mit Stolz und mit Gelassenheit (hoffentlich!).

All diese Erfahrungen sind menschlich, daneben gibt es auch jubelnde Freude, vielleicht Kinder und Enkelkinder.

Entdeckungen von Vertrautem und Fremden, in der Heimat und auf Reisen; alte und neue Freunde und Freundinnen fanden und finden wir; das Interesse an Dingen, von denen wir früher nichts wussten, bereichern unser Leben. Wissen wir auch, welche Dinge wir loslassen müssen, um ein zufriedenes Leben im Alter mit Glücksmomenten zu gestalten? Wir erkennen, was ist, und haben es nicht nötig, vor der Realität zu fliehen. Wir sind siebzig Jahre, viele von uns sind älter, als unsere Vorfahren je wurden. Lernen müssen wir immer noch, nur anderes als früher. Es ist manchmal schwer zu akzeptieren, dass wir nicht weise sind, wir dürfen hilfreich, aber nicht diktatorisch sein. Wir wollen doch keine besserwisserischen Alten sein, die zu allem und jedem etwas sagen, oft mit jahrzehntealtem Wissen ohne Reflexion der Gegenwart.

Wir sind ungeübt mit dem Alter, konnten nicht trainieren, was auf uns zukommen kann. Manches können wir einfacher wegstecken, man muss nicht mehr mit Tempo auf einen Berg steigen, Bahnen im Schwimmbad in Rekordtempo schwimmen, Skifahren wie ein Profi.

Wir hatten das Glück in einer Zeit des Aufschwungs aufwachsen zu können, mit viel mehr Möglichkeiten als jede Generation vor uns. Über 70 Jahre kein Krieg in unserem Land, das ist eine der längsten Friedensperioden in der deutschen Geschichte. Dankbarkeit ist eine gute Hilfe beim Altwerden. Und unsere Gedanken wie unsere Schränke aufzuräumen, hilft bei der Vorbereitung auf später, wenn unsere Habseligkeiten vielleicht nur noch in eine Schublade passen dürfen. Dankbarkeit darüber, dass wir heute hier zusammen sitzen können, ist eine einfache Übung, oder?