Meine Schulzeit in Kelberg

Werner Schönhofen, Leutesdorf

Bei diesem Titel erwartet der Leser vielleicht meine Erlebnisse als Schüler. Doch diesmal weit gefehlt! Ich will über meine Zeit als Lehrer an der Schule in Kelberg berichten. Nach der bestandenen Begabtensonderprüfung durfte ich ohne Abitur das Lehrerstudium 1967 an der Pädagogischen Hochschule Koblenz beginnen. Während meiner sechssemestrigen Studienzeit änderten sich der Name und und die Ausrichtung der Hochschule: Aus der Pädagogischen Hochschule wurde die Erziehungswissenschaftliche Hochschule mit universitärem Standard. Damals war das Studium ohne Abitur an einer Universität eigentlich nicht möglich - scheinbar hatte ich Glück gehabt! Die Pädagogischen Hochschulen in Koblenz (katholisch), Neuwied (evangelisch) und Trier (katholisch) wurden aufgelöst und die bisherigen Studenten kamen nach Koblenz. Die Trierer PH hatte den Spitznamen „Pastorenabsteige", die Koblenzer war das „Heiratsinstitut". Zur Ausbildung gehörte der wöchentliche Praxistag an einer Koblenzer Schule, sowie ein jeweils dreiwöchiges Stadtschulpraktikum und Landschulpraktikum. Während das erstere an einer voll gegliederten Schule abgeleistet wurde, sollte das zweite an einer wenig gegliederten Schule stattfinden. Doch es fand aus welchen Gründen auch immer an voll gegliederten Schulen im Raum Koblenz statt. Sie waren wohl bequemer für die das Praktikum begleitenden Hochschullehrkräfte zu erreichen.

Durch die Änderung des Charakters der Hochschule gab es mittlerweile auch eine Änderung des Studiums und drei verschiedene Prüfungsordnungen. Ich studierte noch nach der alten Ordnung als sogenannter „Pädagogischer Zehnkämpfer" für die herkömmliche Volksschule. Durch die Änderung der Hochschule gab es auch Veränderungen und einen häufigen Wechsel der Professoren und Dozenten, der nicht nicht immer gut für die Studenten war. Das sollte sich auf anderer Ebene in der zweiten Ausbildungsphase fortsetzen.

Ende Februar 1970 bestand ich das Erste Staatsexamen. Von der Theorie ging es nun in die Praxis - die hieß für mich Katholische Volksschule St. Martin, Kelberg. Nach Jahren konnte ich wieder bei meinen Eltern in Ulmen wohnen. Im letzten Semester hatte ich den Führerschein gemacht und mir kurz vor meinem Einsatz in der Eifel einen gebrauchten VW gekauft. Dies erwies sich nun als Glücksfall, denn zwischen Ulmen und Kelberg gab es keine Busverbindung. Im tiefsten Winter begann meine Tätigkeit in Kelberg. Am ersten Schultag Anfang März drehte ich mich auf schneeglatter Straße trotz Spikesreifen am Üßer Berg und kam auf der Straße in Richtung Ulmen wieder zum Stehen. Nach 14 Schultagen gab es Osterferien, der Schnee war geschmolzen und ich war froher Hoffnung vor solchen Überraschungen gefeit zu sein. Doch am ersten Schultag nach den Ferien wiederholte sich das Geschehen, denn über Nacht hatte es heftig geschneit. Wieder drehte ich mich am Üßer Berg in Richtung Heimat. Nur, dass mir diesmal fast an der gleichen Stelle ein Tankzug entgegen kam, der auf schneeglatter Straße wohl nicht abbremsen konnte. Ich konnte jedenfalls rechtzeitig mein Auto in Richtung Kelberg wenden. Hatte der VW eine Abneigung gegen Kelberg? Das wäre aber ungerecht gewesen, denn dort verbrachte ich meine schönste Zeit als Lehrer! An einem Wintertag schaute ich in der großen Pause gegen 10 Uhr nach meinem Auto. Ich hatte auf dem nahen Marktplatz geparkt, das Auto hatte sich selbstständig gemacht und war einige Meter weiter gerutscht. Hatte ich die Bremsen nicht richtig angezogen? Doch nun will ich wieder zur Schule zurückkommen. Ich sollte einen Kollegen ablösen, der an die Schule nach Ürsfeld versetzt wurde. Zwei Tage blieb er noch in Kelberg, sodass ich mich eingewöhnen konnte. Am dritten oder vierten Tag ließ ich die Kinder den Schlitten mitbringen, um halb zwölf durften wir mit

Genehmigung von Rektor Maas auf einem ortsnahen Hang Schlitten fahren. Ich war mit 23 Wochenstunden eingesetzt, volle Wochenstundenzahl der Kollegen war 28. Der Mittwoch war für Dienstanfänger Studientag. Am ersten Mittwoch war Hauptseminar mit den großen pädagogischen Themen. Am zweiten Mittwoch war Fachseminar für Schulfächer. Die Seminartage fanden jeweils an einem anderen Ort statt. So habe ich Schulen von der hohen Eifel bis in den weiten Hunsrück kennengelernt. Am dritten, vierten und eventuell fünften Mittwoch sollte Hospitation bei einer Kollegin bzw. einem Kollegen sein. Doch diese weigerten sich im ganzen Kreis Anfänger zu betreuen. Wohl nicht ganz ungerechtfertigt, denn sie sollten die Mehrarbeit ohne zusätzliche Vergütung oder eine Stundenermäßigung leisten. Hinzu kam, dass zu dieser Zeit die Verwaltungsreform umgesetzt wurde: Kelberg kam vom Kreis Mayen im Regierungsbezirk Koblenz in den Kreis Daun im Regierungsbezirk Trier, was auch einen mehrmaligen Wechsel des zuständigen Schulrates zur Folge hatte. Was nun mit diesen freien Mittwochen anfangen? Auch um Bemerkungen der Kolleginnen/ Kollegen entgegen zu wirken, ließ ich die Kinder trotzdem kommen. Wir machten keinen Klassenunterricht, stattdessen unternahmen wir Exkursionen in nahe Betriebe und Wanderungen unter Benutzung des Schulbusses, der in Kelberg bis zum Schulschluss zur Verfügung stand. Ein Dank nochmals dem Fahrer, der bereitwillig mitmachte! Aber auch an vielen Nachmittagen ließ ich die Kinder kommen. Sie brachten schließlich auch ihre Geschwister mit und wir machten Wanderungen in die Umgegend. Auch die Kollegin einer Nachbarschule schloss sich uns zeitweise an. Doch nun zu meiner Klasse: Obwohl mein Studienschwerpunkt eigentlich auf Fächern für die höheren Jahrgänge lag, übernahm ich Anfang März 1970 bis zu den Sommerferien eine Klasse von 49(!) Kindern, bestehend aus drittem und viertem Schuljahr. Nun setzte die Auflösung der wenig gegliederten Zwergschulen ein. Nach den Ferien sollten die Kinder aus Kolverath und Sassen nach Kelberg kommen. Ein Kollege übernahm das vierte Schuljahr mit merkwürdigerweise nur 13 Kindern. War das etwa noch ei-

ne Nachwirkung eines Kurzschuljahres? Rektor Maas konnte nur verantworten, dass der Kollege die Kinder in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht unterrichtete. In den Fächern Religion, Musik und Kunst bekam ich die Kinder noch dazu - und hatte jetzt 57 wohlerzogene Kinder mit verständnisvollen Eltern im Unterricht! Für den Deutsch- und Sachunterricht hatten wir ein schönes Lehrbuch aus dem Klett Verlag, das beide Fächer kombinierte. Im Nachhinein muss ich jedoch sagen, dass der systematische Deutschunterricht zu kurz kam, besonders, da ich mich als Dienstanfänger zu sehr an das Buch klammerte. Meine Schülerinnen/Schüler mögen es mir verzeihen, wenn sich im Unterricht der folgenden Klassen Lücken auftaten.

Das Verhältnis zu den Kolleginnen/Kollegen war gut. Doch von einem Vorfall will ich noch berichten. Wir trafen uns am Lagerfeuer an einem Sommerabend am Ortsrand. Anscheinend war feuchtes Holz aufgelegt worden, das einen beißenden Rauch von sich gab. Ich saß im Bereich der Rauchfahne, stieg auf - und trat in die hinter mir liegende Gitarre des Kollegen. Nun war eine neue fällig - kein Problem (?!).

Im Sommer 1972 verließ ich die Schule in Kelberg, weil ich heiratete und zu meiner Frau an den Rhein zog. Hatte die Schule in Kelberg über 300 Kinder, so war ich jetzt an einer Schule mit über 870 Kindern! Ich fühlte mich zunächst nicht wohl, lebte mich ein und war 20 Jahre dort. Kelberger Kinder schrieben mir noch jahrelang. Bestes Beispiel: ein Schüler, den ich im 3. Schuljahr gehabt hatte und der mittlerweile im 9. war, schrieb mir zu Weihnachten, dass er noch ein Brüderchen bekommen hatte. Ich kann sagen, dass die Zeit in Kelberg meine schönste Zeit im Schuldienst war.