Die goldene Brosche von Pelm

Thea Merkelbach, Pelm

Bei einer Recherchearbeit im bischöflichen Archiv Trier fiel mir zufällig eine Akte in die Hand mit der Aufschrift „Die goldene Brosche von Pelm". Mein Interesse war sofort geweckt durch den Titel und den Inhalt von 19 Seiten, geschrieben in zierlicher Sütterlinschrift. Beim ersten Durchblättern war zu erkennen, dass es sich um einen Schriftverkehr von 1922 zwischen dem Pfarrer Johann Peter Schmitt von der Pfarrei Rockeskyll mit der Filialkirche Pelm und dem Provinzialmuseum in Trier handelte. Nach dem Erhalt der Kopien vom Archiv konnte ich die Geschichte der goldenen Brosche enträtseln.

Bei den älteren Einwohnern von Pelm ist bekannt, dass früher bei Grabaushebungen auf dem alten Friedhof nahe der Kirche immer wieder interessante Dinge zum Vorschein kamen. Es war üblich, diese Fundstücke an Hobbysammler oder nach Trier ans Museum zu verkaufen. Es waren eindeutig Grabbeigaben aus der Frankenzeit, z. B. Kurzschwerter, Fibeln, Armreifen, Säbel etc. Bei der Akte „Die goldene Brosche von Pelm" handelt es sich um einen ganz besonderen Fund.

Pfarrer Schmitt

Wie es in früheren Zeiten auf den Dörfern üblich war, übernahmen die Nachbarn eines Trauerhauses das Ausheben des Grabes am Tag vor der Beerdigung. So auch am 12. Januar

1922, als Matthias Düx und Peter Raskop diese Ehrenaufgabe bei Eiseskälte und Schneesturm für die verstorbene Nachbarin übernehmen. Die einzigen Zuschauer sind der Witwer und Matthias H.. Letzterer weiß von vorherigen Grabungen, dass oft ungewöhnliche Dinge zum Vorschein kommen. Seine Erwartung wird auch dieses Mal nicht enttäuscht. Als ein rundes Metallstück mit Perlen in der Erde aufleuchtet, bietet er den arbeitenden Männern gleich seine Hilfe an. Er werde das Fundstück unverzüglich dem Pfarrer Schmitt nach Rockeskyll bringen. Als später die beiden Totengräber vom Pfarrer wissen wollen, was für ein Teil sie beim Graben gefunden hatten, weiß dieser nichts davon.

Wie sich herausstellt, hat Matthias H., ohne Wissen von Pfarrer Schmitt, mit dem evangelischen Pfarrer in Gerolstein Kontakt aufgenommen und über diesen dem Provinzialmuseum Trier das Fundstück für 1000 Mark verkauft. Das funktioniert so schnell, weil Dr. S. Löschke vom Provinzialmuseum der Schwiegersohn des evangelischen Pfarrers in Gerolstein ist. Pfarrer Schmitt schreibt sofort einen Beschwerdebrief an das Museum und fordert die Rückgabe der Brosche. Er weist auf den § 984 des Bürgerlichen Gesetzbuches hin, der besagt, dass bei einem antiken Fund die Hälfte dem Finder und die andere Hälfte dem Grundstücksbesitzer gehört. Grundstücksbesitzer ist eindeutig die Pfarrei Rockeskyll-Pelm. Museumsdirektor Prof. Dr. Krüger bestätigt in seinem Antwortbrief vom 24. Januar die Gesetzeslage, macht jedoch Pfarrer Schmitt den Vorwurf, den § 8 des Ausgrabungsgesetzes verletzt zu haben. Dieser besagt, dass der Fund umgehend hätte gemeldet werden müssen. Weil dies nicht erfolgt sei, habe man aus Sicherheitsgründen das Objekt sofort gekauft. Pfarrer Schmitt antwortet unverzüglich, dass dem Museum die Fundstelle von vorherigen Funden bekannt sei, dass von Fachleuten jederzeit die weitere Umgebung der Fundstelle erkundet werden könne, und dass zur Zeit des Fundes bei einbrechender Dunkelheit ein „fürchterlicher Schneesturm" geherrscht habe.

Die goldene Brosche von Pelm.

Er schreibt weiter, dass die Museumsleitung vor dem eiligen Ankauf erst mit dem Grundstücksbesitzer, also der Pfarrei Rockeskyll-Pelm, und den Ausgräbern hätte in Verbindung treten müssen. Er weist ebenfalls darauf hin, dass die wichtige Frage der Wertfestsetzung nach § 13, 14 und 19 des Ausgrabungsgesetzes durch den schnellen Ankauf nicht berücksichtigt worden sei. Direktorialassistent Dr. S. Löschke antwortet stellvertretend für den erkrankten Direktor, dass man zur Klärung der Lage nach Pelm kommen wolle. Inzwischen hat Matthias H. 900 Mark an Pfarrer Schmitt abgegeben und 100 Mark als „Trinkgeld" für sich behalten. Am 10. März kommt Dr. Löschke nach Pelm und verhandelt vier Stunden mit Pfarrer Schmitt. Dieser zeigt ihm weitere kleine Fundstücke aus dem Grabumfeld, die ihm „gegen ein Trinkgeld von 20 Mark für die Totengräber" ausgehändigt werden. Am 11. März erscheint in der Trierischen Landeszeitung ein ausführlicher Bericht von Pfarrer Schmitt mit der Überschrift: "Das Schicksal eines 100jährigen Grabes in Pelm". Pfarrer Schmitt nimmt kein Blatt vor den

Mund und beschreibt den Streit um die Verweigerung der Rückgabe und das fehlende Wertschätzungsgutachten. Er macht sich damit weder beim Museum, noch bei der Regierung und dem Bischof Freunde. Als am 18. Februar wieder eine Grabaushebung ansteht, ist vom Museum, „das von der Beerdigung verständigt sein wollte, und vom Pfarrer auch verständigt worden ist", niemand anwesend. Tatsächlich kommen bei dieser Grabung im Beisein vieler Zuschauer wieder einige interessante Dinge zum Vorschein: Dicht bei einem Handwurzelknochen liegen neben anderen Dingen Spinnrocken und Spindel, alles Überreste hausfraulichen fränkischen Fleißes, wie Pfarrer Schmitt es beschreibt. Zwei Tage nach Erscheinen des Zeitungsartikels erhält Pfarrer Schmitt von Dr. Löschke die Nachricht, dass er nach Rücksprache mit Direktor Krüger jetzt bereit sei, 2000 Mark für die Brosche zu bieten. Auch das ist Schmitt im Hinblick auf die einsetzende Inflation viel zu wenig, und er schickt die von Matthias H. erhaltenen 900 Mark an das Museum zurück. Direktor Krüger empfiehlt nun, den Regierungspräsidenten einzuschalten, was Pfarrer Schmitt auch umgehend macht. Er betont noch einmal, dass das Museum die Brosche widerrechtlich erworben habe. Er bittet den Präsidenten, die Aufbewahrung derselben bis zu einer Einigung an einen neutralen Ort z. B. im städtischen Museum oder Diözesanmuseum anzuordnen.

Der Zeitungsartikel veranlasst auch Kapitular-vikar Tilmann, an Pfarrer Schmitt ein Schreiben zu richten mit der Aufforderung, dass er die Missverständnisse mit dem Provinzialmu-seum klären müsse. Es folgen lobende Worte für die Zusammenarbeit der geistlichen Herren mit den weltlichen Organisationen der Denkmalpflege. Man könne aber auf keinen Fall die Preise erzielen, die im freien Kunsthandel geboten würden.

Nun wendet sich Schmitt direkt an das Gene-ralvikariat in Trier und beschreibt detailliert den Verlauf des Fundes und der schwierigen Verhandlungen. Dass der Verkauf so schnell geschah, sei nur möglich gewesen, weil Dr. Löschke der Schwiegersohn des evangelischen Pfarrers sei. Dass das Museum ihn bei seiner

vorgesetzten Behörde (also dem bischöflichen Vikariat) in Misskredit bringen wolle, passe zu dem „lutherischen Grundsatz: pro catholicis nihil restat (für die Katholiken soll nichts bleiben)".

Dr. Wiegand aus dem Vikariat, den Schmitt als Sachverständigen vorgeschlagen hatte, lehnt das Ansinnen kurz und bündig ab. Daraufhin will Pfarrer Schmitt mit Hilfe der Landeszeitung eine offene Anfrage an das Provinzial-museum und die Regierung in Trier machen. Die Redaktion lehnt eine Veröffentlichung strikt ab.

Am 27. April fasst der Bezirksausschuss folgenden Beschluss:

„Auf Grund von § 12 des Ausgrabungsgesetzes vom 26.3.1914 (Preuß. Ges. Samml.) wird festgestellt, daß für die im Januar 1922 in Pelm gelegentlich entdeckte Goldbrosche aus fränkischer Zeit, die sich z. Zt. in Gewahrsam des Provinzialmuseums in Trier befindet, die Voraussetzungen der Ablieferung zu Gunsten des Provinzialmuseums in Trier vorliegen." Der Beschluss wird ausführlich begründet. Das Provinzialmuseum habe rechtens gehandelt, die Brosche sofort anzunehmen, „denn es liegen Tatsachen vor, nach denen zu besorgen ist, daß der Gegenstand wesentlich verschlechtert wird oder der inländischen Denkmalpflege oder Wissenschaft verloren geht". Damit schließt die Akte. Sie enthält keinen Hinweis mehr, wie man sich über den Preis geeinigt hat. Rätselhaft bleibt, ob Pfarrer Schmidt, der 1929 nach Platten versetzt wurde, diese von ihm handschriftlich kopierten Schreiben dorthin mitgenommen hat oder ob sie in der Pfarrei geblieben sind. Unter dem Schreiben stehen zwei sehr schwierig zu entziffernde Unterschriften und ein Vermerk: Vorstehender Beschluß ist der reinste preußische Schwindel Rockeskyll, 3. Sept. 1932 Zu diesem Zeitpunkt ist Joh. Peter Schmitt schon seit drei Jahren in der Pfarrei Platten an der Mosel tätig, wo er „am 28.1.1945 - gemeinsam mit 46 Schulkindern und einer Anzahl von Erwachsenen in der Pfarrkirche nach einem Bombenangriff ums Leben kam".1) Wer die handgeschriebenen Kopien der Briefe nach 1932 in das bischöfliche Archiv abge-

geben hat, und ob die Bemerkung vom „preußischen Schwindel" vom Nachfolger Pfarrer Josef Stein stammt, ist nicht mehr feststellbar Bewundernswert ist der Mut des Joh. Peter Schmitt, geb. am 2.8.1882 in Roden, der auf seiner ersten Pfarrstelle so mutig gegen die oberen Behörden versucht hat, sein Recht zu bekommen.

Eine enorme Fleißarbeit war es auch, alle Schreiben, die an ihn gerichtet waren und seine eigenen Briefe handschriftlich zu kopieren. Nach dem heutigen Denkmalschutzgesetz

könnte so ein Konflikt nicht mehr entstehen, denn im dritten Abschnitt über Funde heißt es im § 20: „Funde, die herrenlos sind oder die so lange verborgen waren, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung sind."2)

1) Das Eifeldorf Rockeskyll, 1993, S. 121
2) Denkmalschutzgesetz vom 23. März 1978
3) Alle als Zitat gekennzeichneten Schriftstellen sind aus: BATr Abt. 1100,17 Nr.147, „Die goldene Brosche von Pelm"