Die Hilgerather Pfarrkirche

Werner Schönhofen, Leutesdorf

Wer hinter Kelberg die Straße nach Daun fährt, dem fällt spätestens bei dem Dorf Beinhausen linkerhand auf einem Berg eine Kirche auf. Es ist die dem Heiligen Hubertus geweihte Kirche von Hilgerath. Am 3. November finden wir im Heiligenkalender der katholischen Kirche den Namenstag des Heiligen Hubertus. Viele Kirchen sind ihm geweiht, so trägt auch die in der Hocheifel bei Kelberg liegende Pfarrkirche Hilgerath, deren Pfarrdörfer im Umkreis von bis zu zehn Kilometer liegen, das Patro-zinium des Heiligen Hubert. An vielen Orten - besonders im Westen Deutschlands - wird dieser Tag bzw. der darauf folgende Sonntag, festlich begangen. Jagdhornbläser gestalten die Hubertusmesse in feierlicher Form. Wer war nun der Heilige Hubert? Er stammte aus einer vornehmen Familie Aquitaniens (südwestliches Frankreich), lebte am Hofe des Frankenkönigs Theoderich III. und stand später im Dienste des Herzogs Pippin von Heristal zu Meth. Hubert war ein leidenschaftlicher Jäger. Die Legende erzählt, dass er einst in den tiefen Wäldern der Ardennen, jenem französisch-belgischen Fortsatz der Eifel, seiner Jagdleidenschaft nachging. Da erschien ihm ein Hirsch mit einem leuchtenden Kreuz im Geweih, den Hubert nicht erlegen konnte. Vielmehr habe ihn diese Erscheinung gemahnt, vom Jagdvergnügen abzulassen und sich höheren Dingen zuzuwenden. Hubert wurde Bischof von Lüttich. Er diente Gott durch Gebet und als Wohltäter der Armen. Er starb im Jahre 727.

Der Heilige Hubert gilt auch als Schutzpatron gegen die Tollwut. Früher wusste man sich bei Ausbruch der Krankheit nur mit einer radikalen Behandlung zu helfen: Die Wunde wurde mit dem so genannten Hubertusschlüssel ausgebrannt! - Eine wesentlich humanere Methode fand ich in den „Wöchentlichen Neuwiedischen Nachrichten", Nr. 3, vom Dienstag, dem 21.2.1817. Dort steht: „Ein neu entdecktes

Mittel gegen den tollen Hundsbiss - Man gab einem armen Mann zu Udine, der Hauptstadt Friouls (Anm: Nordostitalien), welcher die Wasserscheu hatte, (Anm: Eine Begleiterscheinung der Tollwut), aus Versehen einige Male Weinessig, statt eines anderen Getränkes und heilte ihn dadurch von dieser furchtbaren Krankheit. - Graf Leonissa, Arzt zu Padua, hatte von diesem Vorfalle gehört. Er versuchte nun jenes Mittel an einem Wasserscheuen, der in das dortige Hospital gebracht war und verordnete ihm ein Pfund Weinessig morgens, ebenso viel mittags und ein gleiches abends, wodurch er schnell und vollkommen geheilt wurde." - Die Tollwut hat auch heute noch

Die Hilgerather Pfarrkirche, © Frank Schumacher, Reimerath

nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren, wenn es sicher auch bessere Heilmittel geben mag. In der Nähe Hilgeraths befindet sich ein Waldgebiet, das von Kelberg bis Mehren und mit Unterbrechung vom Nürburgring bis in den südlichen Teil des Vulkaneifelkreises mit der Kreisstadt Daun reicht. So ist der frühchristliche Heilige als Schutzpatron der Jäger und des Wildes hier wohl am rechten Platz. Auch sei mir die Namensdeutung Hilgerath = Heiligenrodung gestattet. Durch den nahen Wald verläuft von Brühl bis Trier, von Nordost nach Südwest, quer durch die Eifel der Karl-Kaufmann-Weg, benannt nach einem frühen Vorsitzenden des Eifelvereins. Die Teilstrecke zwischen Kelberg und Darscheid wird auch landläufig als Ferkelsweg bezeichnet - ein alter Handelsweg zwischen den Marktorten Kelberg und Daun. Weniger profan ist wohl die Bedeutung als Pilgerweg für die Matthiaspilger, die ihn, vom Niederrhein kommend, zum Apostelgrab des Heiligen Matthias in Trier benutzen. Hilgerath ist auch Ausgangspunkt einer Fronleichnamsprozession durch Wald und Feld am Sonntag nach Fronleichnam. Heute wird die Pfarrei von Kelberg aus mitverwaltet. Peter Blum hat die Kirche in Hilgerath in einem Beitrag vor fast hundert Jahren gewürdigt:

„Die Bergkapelle"

Scharf geschieden durch Boden und Verkehr, in Art und Sprache ist die Strut vom (westlichen) „Duckel-Land", „hönner dem bösch" (hinter dem Busch), und dem (östlichen) „Ländchen", ein geschlossener Wirtschaftsund Kulturkreis mit zäh gehütetem Eigenleben und reicher dörflicher Innengliederung. Den Mittelpunkt dieses Kreises bildet die einsame sagenumwobene Pfarrkirche auf der Höhe von Hilgerath. Hier führen alle Wege der Strut zusammen. Auf Stundenweite ringsumher schreiben die Dörfler durch Sonne und Wind, in Sturm und Schnee zur grauen [mittlerweile weißen!, d. Verf.] Kapelle; zwischen wogenden Ähren und blühender Heide, über den Gießbach und durch ausgewaschene Waldwege, vorbei an morschen Kreuzen, an verträumten Heiligenhäuschen und dem bemoosten Meilenstein aus der Heidenzeit. Hier segnet der Prie-

ster den Lebensbund der Bauersleute und bettet die Toten seines Sprengels beim Rauschen der Fichten und Kastanienbäume zur letzten Ruhe im Schatten des Heiligtums. Im bunten Scheine der Kirchenfenster und des farbenfrohen Malwerks an Decke und Wänden prangt ein ergreifend schönes Marienbild aus unbekannter Werkstatt. Zwar ist die Pilgerstraße der Wallfahrer aus früheren Jahrhunderten heute mit Gras bewachsen, aber noch oft wie in alter Zeit hebt die Bauersfrau die Hände zur Schmerzensreichen mit dem toten Sohne, wenn die Sorge daheim durch die kleinen Kammerfenster hineinsehen will auf das betreute Familienglück.

Doch zum herrlichen Preisgesang an den Schützer der Fluren und Scheunen werden jene Sommertage, wenn das gläubige Volk sich zum Bittgange schart und nach Urväter Sitte nicht nur am Fronleichnamsfeste, sondern auch am darauffolgenden Sonntage den verborgenen Erlöser aus der Kirche geleitet und unter Gesang und Glockenläuten dem Herrgott seine Werke zeigt, die an Halden und Hängen ringsum in Reife stehen. Dann wehen die weihrauchumwölkten Fahnen über Hafer und Heidekraut, um Wacholder und Kiefern; lustig flackert die goldbestickte Seide zwischen den kunstreichen Ehrenpforten und den Maien [aufgestellt Buchenreiser,

d. Verf.] am Saatfeld. Alle Herzen schlagen höher; Greis und Kind empfinden die Weihe dieses schönsten Festes, und ohne Rast zimmert und schafft die Jugend aus allen Dörfern für diese beiden Tage, wenn der Herrgott in Brotsgestalt über die Heide schreitet. Das ist der höchste Feiertag für die raue, gläubigglückliche Strut. Leuchtenden Auges wandelt der Bauer wieder weiter durch das harte Ar-beits- und schöne Kirchenjahr und sät und mäht, bis der Pflug seiner Hand entsinkt und man ihm das alte Totenkreuz voranträgt zum letzten Kirchgange nach Hilgerath.

Anmerkung: Den Text habe ich dem Beitrag „Strut und Ströder" von Peter Blum in: Wir Rheinländer - Ein Heimatbuch, herausgegeben von Karl d'Ester, Verlag Friedrich Brandstetter, Leipzig 1922, entnommen. Peter Blum ist in der Rheinland-Pfälzischen Bibliographie mit 68 - meist heimatgeschichtlichen - Beiträgen aus dem vorigen Jahrhundert aufgeführt. Lebensdaten konnte ich dort keine finden; er war wohl Gymnasiallehrer.