Weinfeld, ein Kraftort für Geist, Seele und Geborgenheit in Zeiten der Pandemie

Peter Hartogh, Schalkenmehren

Eine einzigartige Symbiose von Natur, Kultur und Religiosität ist der Friedhof mit der Kapelle am Weinfelder Maar. Besucher aus nah und fern, Menschen aller Glaubensrichtungen sind fasziniert von der Ausstrahlung dieses historischen Platzes. Es ist ein Kraftort für Geist und Seele, der geheimnisvolle Ruhe vermittelt, gelegentlich durch das hell klingende Läuten, der im Turm der Martinskirche befindlichen Marienglocken unterbrochen, die mahnend an die Endlichkeit des Lebens erinnern.

Hier auf dem umgebenden Platz ruhen jetzt die Verstorbenen von Schalkenmehren, friedlich seit Generationen, mit den Toten der Nachbardörfer. Es ist das Privileg der Einwohner von Schalkenmehren, hier nach einem erfüllten langen Leben den ewigen Frieden zu finden. Oft war diese Begräbnisstätte in Gefahr. Man unterstellte ihr eine gewisse Verwesungsmüdigkeit. Aber leider ist keine Auferstehung bekannt. Trotzdem wird bei jeder Ganzkörperbestattung ein Bodenaustausch vorgenommen. Der Platz-

mangel konnte durch die jetzt häufigen Urnenbestattungen beseitigt werden. Die Grabmäler erzählen harte Schicksale, ein Kind, das gleich am ersten Lebenstag seine Eltern sehr traurig machte und viele junge Menschen, denen es nicht vergönnt war länger unter uns zu sein. Aber es gibt auch sehr alt gewordene, deren Leben manches erzählen könnte. 105 Jahre wurde die älteste Einwohnerin von Schalkenmehren.

Aus heimischen Naturstein, Basalt oder Sandstein sollten die Grabmäler gefertigt sein. So schreibt es die Friedhofssatzung vor. Leider wird diese Vorschrift oft missachtet. Pflegeleicht sollte heute das Grab sein, am besten geschottert, um nicht zu sagen, man „steinigt" die Toten. Ein sehr zweifelhafter Trend, der von der Pflege her verständlich ist. Aber passt dies zu Weinfeld? Es wird sicher nicht einfach sein, dieser „Grabpflege" ein Ende zu setzen. Ein Friedhof in der Natur, ein Grab darf auch mal mit Efeu bewachsen sein.

Es signalisiert die Vergänglichkeit. Umso erfreu-

licher ist es, dass viele Angehörige und Freiwillige den Friedhof sauber halten und mit Blumenschmuck verschönern. Dies ist wahre Totenliebe. Die alten Eschen säumen den Friedhof und spenden Schatten, durchdringen mit ihren Wurzeln die Gräber und lechzen nach Wasser. Auch ihre Tage sind gezählt!

„Falsches Weißes Stengelbecherchen"- was für ein niedlicher Name für einen so aggressiven Schädling. Der gefährliche Pilz, der die Eschen dahinrafft, stammt ursprünglich aus Asien und macht sich auch an dem Weinfelder Baumbestand zu schaffen.

Betritt man die Kapelle durch den ehemaligen Wehrturm, so schmücken die dicken Wände der Wehrhaftigkeit, Votivtafeln mit Dankessprüchen, wie: „Maria hat geholfen". Welche Schicksale mögen sich hinter jeder der einzelnen Tafeln verbergen? Sicherlich ließen sich ganze Bücher mit Geschichten füllen und vielleicht wurde auch manches Gebet nicht erhört. Vorbei an den Zugseilen der Weinfelder Glocken mit den Tönen „b2" und „g2" gestimmt,

Grabsteine Anfang der 40er Jahre, aufgenommen von dem damaligen Soldaten FerdinandMaks Sche-riau aus Malente (Schleswig/Holstein). Er war Anfang des Frankreich-Feldzuges in der Eifel und war beeindruckt von dem Ort Weinfeld.

betritt man das Mittelschiff, immer von einem Kerzenmeer vor dem Altarraum beleuchtet. Stille und Andacht breitet sich aus. Ein Ort des in sich Hineinhorchen, ein spirituelles Refugi-um. Ehrfürchtig kniet der Besucher vor dem mit Kreuzrippen gewölbten, gotischem Chor aus dem 14. Jahrhundert.

Vergebens sucht er das uralte, aus Holz geschnitzte Bild des toten Sohnes im Schoß der Mutter, deren Herz von sieben großen Schwertern durchbohrt ist, von jeher das Ziel unzähliger Pilger und Beter. Nachdem jedoch vor einigen Jahren aus dem stets unverschlossenem Innenraum der Weinfelder Kapelle verschie-

dene Gegenstände geraubt wurden, brachte man die Figur hinunter in die größere Sicherheit der Schalkenmehrener Pfarrkirche, wo sie sich in den ehemaligen Weinfelder Hochaltar eingefügt. Im Bewusstsein der Bevölkerung und der vielen Besucher ist die schmerzhafte Mutter weiterhin die Seele dieses Ortes, an dem jetzt ein nüchternes Steinrelief an sie erinnert. Hier werden ihr Lichter angezündet, hier hofft man auf Beistand, Hilfe und Geborgenheit. Möge dieser Ort, der in der Vergangenheit oft bedroht war, für zukünftige Generationen erhalten bleiben und ein Ruhepol und Zufluchtsort Hilfe suchender Menschen bleiben.