Auf einmal war alles anders

Hiltrud Theisen, Hörschhausen

Eigentlich sollte ich Ende März einen Friseurtermin haben, aber da bekam ich den Anruf: „Wir müssen schließen - wegen Corona." Fünf Wochen waren seit dem letzten Termin vergangen und jetzt stand ich da. Keiner wusste, wie es weiter gehen sollte! Es gibt Schlimmeres dachte ich. Ich wollte mir sowieso die Haare wachsen lassen, um zu sehen, wie mir das steht. Jetzt hatte ich die Gelegenheit dazu. Aber nach elf Wochen ohne Friseur konnte ich meine Frisur, die man so nicht mehr nennen konnte, nicht mehr sehen. Mir kam schon der Gedanke, zum Hundefriseur zu gehen, wo ich auch mit meinen Hunden hin gehe. Der hatte nämlich auf, aber das blieb mir erspart, denn am 4. Mai machte der Friseur wieder auf. Etwa zur gleichen Zeit war die Mutter meiner Schwägerin, die in einem Seniorenheim lebt,

gestürzt und musste operiert werden. Meine Schwägerin durfte ihre Mutter seit deren Einweisung nicht mehr besuchen. Nur mit Hilfe des Personals hatte sie die Möglichkeit, mit ihr zu telefonieren. Das war eine sehr schwere Zeit für sie, denn ein Telefongespräch ersetzt keinen Besuch. Als die Mutter entlassen werden sollte, reifte in meiner Schwägerin der Gedanke, sie zu sich nach Hause zu holen, denn im Seniorenheim waren auch keine Besuche erlaubt. So lebt die Mutter jetzt bei ihr. Eine Bekannte von mir hat Ende April ein Baby bekommen mittels Kaiserschnitt. Wäre ihr Mann nach der Entbindung nach Hause gefahren, hätte er sie nicht mehr besuchen können, denn Besuche waren verboten. So blieb der frisch gebackene Papa die ganze Zeit bis zur Entlassung auch im Krankenhaus. 14 Tage

später waren Besuche für eine Stunde und eine Person am Tag erlaubt.

Als ich hörte, dass nun der Einzelhandel schließen sollte, habe ich mich in der Bücherei mit Büchern eingedeckt. Das war eine gute Idee. Andere horteten Toilettenpapier. So reagiert jeder anders auf diese Situation. Ich muss zugeben: Als ich die Bücher gekauft habe, hatte ich ein beruhigendes Gefühl. Das kann man offensichtlich auch mit reichlich Toilettenpapier haben.

Die Anfangszeit der Corona-Pandemie empfand ich als ruhige, stille Zeit. Ich ging spazieren und hörte fast kein Auto auf der Schnellstraße, nur Vogelstimmen und „ Stille" als wäre ich alleine auf der Welt. Das hat sich leider wieder geändert.

Das Leben mit Corona hat auch die Menschen verändert. Sie gehen mit mehr Ruhe einkaufen, achten auf die Mitmenschen indem sie Abstand

halten und erledigen ihren Einkauf zügig ohne lange mit Bekannten zu reden. Ich selber mache bei der Aktion "Eifel Post" mit. Dies ist eine Brief- und Postkarten-Aktion gegen Einsamkeit und Isolation, organisiert vom Dekanat Vulkaneifel und dem Gerolsteiner Land. Diese Aktion läuft noch nicht lange und ich kann noch nicht sagen, wie die Bewohner der Senioreneinrichtung auf meine Briefe reagieren. Dazu fehlen mir noch die Rückmeldungen. Für mich hat sich nicht sehr viel verändert. Ich lebe auf dem Land, wo man sich aus dem Weg gehen kann und versorge weiterhin meinen Vater. Ich muss aber auch zugeben, dass ich Rentnerin bin. Wäre ich berufstätig, würde das schon ganz anders aussehen. Mein Fazit: Corona gibt uns die Möglichkeit, unser Handeln und unser Tun zu überdenken und uns zu fragen „ Was ist mir wichtig?" -„Wer ist mir wichtig?''