Jetzt wird Geschichte gemacht -

es fragt sich nur: zum Besseren?

Michael Schlüter, Hillesheim

Was für eine Zeit erleben wir gerade?! „Lock-und Shutdown", verordneter Rückzug in die Wohnungen, Home-Office, Home-Schooling, Konsumengpässe, Reiseverbot, wirtschaftliche Einbrüche. Täglich Bilder, Zahlen, Kommentare über Tote und Ansteckungen, Krankenhäuser und Personal am Limit, maskierte Menschen im Mindestabstand und inzwischen heftiges Aufbegehren. Ein lebensgefährliches Virus hat unsere Welt ausgebremst. Auch nach dem bislang vergleichsweise glimpflichen Verlauf der Pandemie in Deutschland bleiben viele Fragen, darunter die nach der Lehre, nach dem „Nährwert" für unsere Zukunft. Wir sind ein Ehepaar Ü 60, die drei Kinder sind aus dem Haus, meine Frau ist noch berufstätig, ich bin im Ruhestand. Wir besitzen ein Eigenheim mit kleinem Garten, konnten zu zweit spazieren gehen, unsere Bewegungsfreiheit war kaum eingeschränkt. Zuhause haben wir uns über TV und Internet mit News, Infos, Emails und Videotelefonaten auf dem Laufenden gehalten und Kontakte gepflegt. Beeindruckend sind die unzähligen Beispiele enormer Solidarität bis hin zu wahren Heldentaten. Wir haben durch die Initiative „Eifel-/ Cari-Ohr" einen einsamen, älteren Menschen kennengelernt.

Können Krisenzeiten Segenszeiten sein? Als regelmäßige Kirchgänger haben wir die Gottesdienste und Begegnungen mit den Mitchristen vermisst. Dieser Mangel wurde zum Teil kompensiert durch Streaming-Gottesdienste, Online-Botschaften des Pfarrei-Teams, virtuelle Gebetsgruppen-Initiativen, Telefon- oder Videokonferenzen. Entscheidend und in der Intensität neu war aber die Erfahrung: Auch wenn wir in der „Einsamkeit der Wohnung, des Hauses" auf uns allein gestellt sind - Gott ist da und für uns ansprechbar - gerade in Zeiten der Beklemmung und Abschottung! Auf uns selbst zurückgeworfen und nicht von Terminen

besetzt und gehetzt, haben wir „Hauskirche" praktiziert. In der Tradition ist Kirche vor allem unter und neben dem Kirchturm verortet. Aber Gottes Geist ist überall an- und abrufbar, für jeden Menschen zuerst da, wo er am meisten lebt, fragt, spricht, sich entscheidet, streitet und versöhnt, Kinder erzieht, wo er hoffentlich mal zur Ruhe kommt und sich bettet: zuhause! Das müsste ein neuer Ansatz sein! Wenn von einem physischen „Virus" oder „Bazillus" die Rede ist, denkt man auch an Viren z.B. im Internet und in den Medien. Vielleicht auch an psychisch-geistlich ansteckende Viren? Der sexuelle Missbrauch hat ebenso wie die Gier nach Macht und Besitz pandemische Ausmaße angenommen. Soziale Konflikte, Verbrechen gegen die Menschenwürde, Hassti-raden, Denunziation im Internet, dazu religiöser Fanatismus und eine permanente Polarisierung, die zu eskalieren droht! Biblisch gesagt „tanzt" die Welt auf dem Vulkan der „Autonomie". Wir schaffen das allein!? Der technologisch-ökonomisch-ökologische Fortschritt, die Wissenschaft sollen es richten. Doch die Restangst vor der Natur, der Zukunft, dem Tod bleibt und krasse Folgeschäden häufen sich. Was ist für uns die tiefste Lehre aus dieser Zeit? Lassen wir Gott wieder in unsere Herzen und Häuser! Er ist fatalerweise zum Gerücht, Tabu, Phantom verkommen. Manche rufen nach einer neuen Religion. Doch warum sollen wir unser christliches Erbe - die Kernbotschaft von Weihnachten, Kreuz, Auferstehung und den Geist Christi auslöschen, uns der „Vervir(r) ung" hingeben? Aus dieser Quelle, die bisweilen vergiftet zu sein scheint, trinken doch alle Menschen guten Willens! Ihr Potential von Verzicht, Maß und Versöhnung ist nicht ausgeschöpft! Wo sind die Menschen, die sie wieder neu freilegen und den Himmel und die Ewigkeit für uns alle offen halten?! Die Zeichen der Zeit eröffnen uns eine neue Chance!