Kindergarten in „Corona-Zeiten"

Gabi Finken, Birgel

Zunächst möchte ich mich einmal vorstellen.... Ich bin Anna (eine pädagogische Handpuppe mit Ursprung im therapeutischen Puppenspiel) und seit Mai 2016 bin ich mit einem eignen Internetblog als erste Eifler Puppenreporterin unterwegs.

Puppenkind Anna

Gabi Finken, meine Mama, ist seit 2002 „Wahleiflerin" und Kita-Leitung der Kita St. Josef in Stadtkyll. Gemeinsam mit meiner Mama berichte ich über Begegnungen, Erlebnisse und meinen Kita-Alltag als Puppenkind in der Eifel. Und so kommt es, dass ich euch nun von einer ganz besonders verrückten Zeit aus meiner Puppen-Kinder-Sicht berichten möchte. Im Kindergarten St. Josef in Stadtkyll habe ich gaaanz viele Freunde und freue mich immer wieder, wenn meine Mama mich mitnimmt. Lieder singen, malen, basteln, toben und mit Freunden die Kita-Welt erobern, es gibt so Vieles was den Alltag einer Kita ausmacht. So war ich auch am Freitag, dem 13. März, wieder in meiner geliebten Kita. Freitag der 13te ist sowieso für viele erwachsene Menschen so

ein besonderer Tag, die einen glauben es ist ein Tag voller Pech, die anderen halten es für Aberglauben und Blödsinn. Freitag, der 13. März 2020, ist eindeutig ein absoluter sogenannter „schwarzer Tag"! Die Tage zuvor hörte ich die Menschen hin und wieder über eine Viruskrankheit sprechen, immer wieder fiel das Wort „Corona". Als Puppenkind habe ich nicht wirklich verstanden was los ist, nur das die Menschen immer öfter drüber reden. So auch am 13. März 2020, der Tag begann völlig normal, doch irgendwann kamen die ersten Eltern in die Kita und das Telefon klingelte immer wieder. Die Menschen wurden immer aufgeregter, weil in den Nachrichten berichtet wurde, dass die Kitas wegen „Corona" geschlossen werden sollen. Die Kitas und ihre Träger wussten erst einmal nichts, nur das eine Pressekonferenz stattfindet. Im Laufe des Tages wurde es dann doch offiziell: Kitas und Schulen werden ab Montag, 16.3.2020, wegen Corona geschlossen! Durch diese komische Krankheit „Corona" waren überall auf der Welt so viele Menschen krank geworden und auch schon gestorben, so dass auch in Deutschland Kitas und Schulen schließen mussten, damit sich nicht noch mehr Kinder und Erwachsene anstecken. Ich habe an diesem Tag ganz besonders auf die Gesichter der Kinder geachtet, besonders mittags beim Abholen, als die Erwachsenen hektisch und aufgeregt miteinander sprachen. Verwirrte und erschrockene Gesichter, niemand ahnte in dem Moment, was diese Nachricht eigentlich genau bedeutet. Es war eine ganz komische Stimmung mit vielen Fragen. Die Erwachsenen, die sonst so viel Sicherheit geben, schienen alle ganz schön durcheinander und sehr aufgeregt. Gleichzeitig versuchten sie sich zu beruhigen und beschlossen, einfach abzuwarten was passiert und das Beste daraus zu machen.

Dann folgte Phase 1, die Zeit der absoluten Notbetreuung, es sollten wo wenig wie

Ein mit den Kindern in der Notbetreuung gestaltetes Transparent an der Fassade des Stadtkyller Kindergartens

möglich Kinder in die Kitas kommen, um die Ansteckung so gering wie möglich zu halten. In unserer Kita kamen zunächst keine Kinder, irgendwie haben es die Familien geschafft, ohne Kita auszukommen. Die Erzieherinnen in meiner Kita haben in dieser Zeit alles renoviert, repariert, gereinigt, desinfiziert und schön gemacht. Mama hat als Kita-Leitung immer wieder neue Pläne entwickelt und mit dem Kita-Team überlegt wie es wohl weitergehen kann und soll. Es war echt gruselig in einer leeren Kita, ganz ohne Weltentdecker, Lebendigkeit und Kinderlachen. Diese Stille, die Kinder haben absolut gefehlt, auch wenn manche Erwachsene in den Medien gemeint haben, den Erzieherinnen ginge es gut, die hätten ja jetzt Urlaub. So ein Blödsinn!!! Von manchen Familien war in den ersten Wochen über E-Mail, in Telefonaten oder Gesprächen am Kindergartenzaun zu hören wie es ihnen geht. Für manche fühlte es sich anfangs an wie Ferien, besonders wenn die Eltern frei von ihrer Arbeitsstelle nehmen konnten. Einige Familien berichteten, dass sie die gewonnene Zeit zu Hause genießen und nutzen konnten. Dazu erhielt Mama viele Mails mit Fotos, ein Papa baute mit seinem Sohn eine Schaukel auf, viele Kinder haben mit ihren Eltern gebacken, einige Kinder haben Fahrrad

fahren gelernt oder einen coolen FahrradParcours aufgebaut.

Aber vereinzelt kamen andere Stimmungen hinzu. Ein 6-jähriges Vorschulmädchen fragte schon recht zu Beginn: „Mama, sehe ich meinen Kindergarten und meine Freunde jetzt nie mehr wieder bevor ich in die Schule gehe?" Andere Fragen waren: „Basteln wir jetzt keine Schultüten? Was ist mit unserem Kita-Abschiedsfest?"

Ein dreijähriger Junge fragte seine Mama irgendwann: „Was habe ich falsch gemacht, dass ich nicht in die Kita darf?" Ein Junge sollte am 16.3. eigentlich seinen allerersten Kita Tag erleben und konnte nicht verstehen, warum selbst die Nachbarkinder nicht mit ihm spielen durften.

Eltern, die allmählich doch wieder arbeiten mussten und ihre Kinder nicht mehr länger über so viele Stunden betreuen konnten, stellten dann mit verschiedenen Formularen Anträge auf Notbetreuung. Als Puppenkind kann ich euch sagen, ihr Erwachsenen seid ganz schön kompliziert, aber es musste wohl so sein.

Mit jeder Woche bemühten sich die Familie und das Kita-Team das Beste draus zu machen. Mit jeder Pressekonferenz, mit jeder neuen Corona-Verordnung kamen ständig neue

Regeln. In den Medien wurden immer wieder neue Informationen und Entscheidungen verbreitet, ganz oft bevor die Kitas und Träger etwas wussten.

Der Regenbogen wurde das erste bunte und auch weltweite Symbol der Verbindung. Alle mussten Abstand voneinander halten, um die Virusinfektion „im Griff" zu halten. Ein Regenbogen im Fenster sollte zeigen, dass alles wieder gut wird und wir trotz Abstand alle zusammen halten!

Zu Ostern verteilte meine Kita kleine Ostertü-ten für jedes Kita Kind an die Haustüren. Jedes Kind erhielt einen Brief der Kita mit einem Gedicht, etwas Schokolade und einer Tüte Kressesamen mit einer Anleitung, diese einzusäen. So gab es eine Verbindung zwischen der Kita und allen Kindern. Auch für die Erzieherinnen war es sehr wertvoll, immer wieder mit den Familien in Kontakt zu sein, anhand von Fotos und Berichten zu sehen, wie die Kinder sich über die Kressesamen freuen und das Wachsen der Kresse dokumentieren. Einige Erzieherinnen erzählten mit einem Schwarzlichttheater die Geschichte vom „Hasenfranz", diese wurde als Video für alle Kita-Familien ins Internet gestellt. Na, wer hat die Stimmen der Erzieherinnen erkannt? Die Rückmeldungen der Eltern zeigten, dass dieses Video wiederum eine sehr gute Verbindung in dieser Zeit des Abstandhaltens war.

Ganz wichtig schien dann die Steinschlange zu werden, die sich an fast allen Kitas einen Weg bahnten. Unsere Kita gestaltete einen Schlangenkopf aus einem Stein, dieser wurde außerhalb der Kita ausgelegt, mit einem Brief diese Schlange doch gemeinsam wachsen zu lassen. Immer wenn Kinder mit ihren Eltern einen Stein bemalt und gestaltet haben, haben sie diesen später an das Ende der Schlange gelegt. So konnte die Schlange mit den vielen bunten Steinen wachsen. Eine Mama erzählte, sie musste eine Zeitlang jeden Tag mit ihrem Sohn nach der Schlange schauen, um zu sehen, ob Kindergarten Freunde weitere Steine bemalt und hingelegt hatten. Die Steinschlange wurde somit an vielen Kitas ein verbindendes Symbol in diesen schwierigen Zeiten des Abstandhaltens. In Phase 2 der erweiterten Notbetreuung ka-

men allmählich immer mehr Kinder in die Kita zurück, zumindest stunden- oder tageweise, wenn die Eltern den Bedarf der Notbetreuung belegen konnten. Politik, Presse und Medien stritten zunehmend darüber, ob dies nun sinnvoll und vernünftig sei. Im Fernsehen waren Eltern zusehen, die demonstrierten, damit die Kitas wieder komplett geöffnet werden sollten. In den Kitas haben die Teams sehr viel über die Familien nachgedacht. Mit jeder Woche war auch den Erziehern/Erzieherinnen ganz bewusst, dass Eltern nicht Ewigkeiten ohne Kitas und Schulen überbrücken können. Viele Eltern mussten zurück an ihre Arbeitsstellen, viele Omas und Opas zählten zur Risikogruppe und sollten Abstand zu ihren Enkeln halten. Dies bedeutete: eine Menge Menschen waren alleine. Dann die vielen Diskussionen, sollen in der Kita Masken getragen werden oder nicht? Sollen und können die Erzieher/Erzieherinnen Abstand halten? Wie können die beschlossenen wichtigen Maßnahmen in Kitas und Schulen umgesetzt werden? Als Puppenkind habe ich nicht alles verstanden. Mama hat versucht, mir vieles zu erklären. Wie mag es erst für die Kinder gewesen sein! Kitas, Schulen, Spielplätze, Sportplätze alles war geschlossen. Jeden Tag zu Hause, viele Mamas und Papas mussten im sogenannten Homeoffice arbeiten. Puh...für alle nicht so einfach! Und immer noch erreichten so viele positive Nachrichten, aber auch aufregende Erlebnisse außerhalb von Corona die Kita. Zum Beispiel ein Vorschuljunge, der sich einen genialen Fahrradparcours aufgebaut hatte und uns ein Video von seiner Fahrradshow schickte. Ein Mädchen bekam in dieser verrückten Zeit eine kleine Schwester, ein anderes verletzte sich am Bein, ein Junge musste ins Krankenhaus, weil er sich am Kopf verletzte. Ein Kind aus der Nestgruppe, das nun keine Windeln und keinen Schnuller mehr brauchte. Seit dem 8. Juni sind die Kitas in RLP in der Phase 3, im sogenannten eingeschränkten Regelbetrieb (in Kombination mit der Notbetreuung). Jetzt dürfen 15 Kinder in einem sogenannten Betreuungssetting betreut werden, vorher waren es 10. Die Kinder dürfen sich nämlich nicht durchmischen. Stunden- oder tageweise sollen nun alle Kinder wieder in die

Kita zurückkehren. Manche Kinder kommen also nach 3 Monaten das erste Mal zurück in die Kita. Eltern und Erzieherinnen sorgen sich um die Kinder, ob alles gut geht? Wie mag es den Kindern nach so langer Zeit in der Kita ergehen? Die Eltern müssen die Kinder an der Türe abgeben und dürfen die Kitas nicht be-

treten, die Erwachsenen tragen beim Bringen und Abholen der Kinder Masken. Puh, wie in einem Science Fiktion Film. Die Kita füllt sich nach und nach mit Leben und Kinderlachen. Die meisten Kinder haben mit der Situation viel weniger Probleme als alle Erwachsenen vermutet haben. Es fließen tatsächlich auch schon mal Freudentränchen. Inzwischen geht es in großen Schritten auf die Sommerferien zu. Viele Fragen bleiben offen und viele Sorgen sind da, was wohl die Zukunft bringen wird? Coronazeit - eine verrückte Zeit mit vielen Herausforderungen, auch rund um die Kitas. Wer es schafft, hier und da auch den Blick trotz Corona auf Positives und kleine Glücksmomente zu lenken, kommt vielleicht besser durch diese

Zeiten.

In diesem Sinne sende ich als Kita Puppenreporterin allen Lesern/innen in Gedanken einen farbenfrohen Regenbogen....alles wird gut! Eure Puppenreporterin Anna (www.anna-zeigt-ihre-welt.de)