Gerolsteins Digoin-Platz -ein „place to be" oder die Mediterransierung der Kyllauen

Clara Zins-Grohe, Gerolstein

Früher fand das soziale Leben vorwiegend in den eigenen vier Wänden, in Vereinslokalen oder Kneipen statt. Heute sehnt man sich nach einem Lebensgefühl, das man vor allem aus den Ferien kennt. Immer mehr Menschen wollen immer mehr draußen machen - mehr Lockerheit, mehr mediterranes Lebensgefühl genießen und auch den Sommer gefühlt verlängern.

Sobald die Temperaturen es zulassen, haben Jung und Alt immer mehr das Bedürfnis, ihr Leben ins Freie zu verlagern. Mit dem Projekt „Stadt im Fluss" wurde in der Brunnenstadt Gerolstein ein attraktiver öffentlicher Freiluftraum am Ufer der Kyll

geschaffen. Ältere Menschen bevorzugen die schattigen Bänke des Brunnenplatzes zum Verweilen. Kinder erobern die angrenzenden Abenteuer- und Wasserspielplätze. Jugendliche chillen auf stylischen, aber doch bequemen Liegeflächen mit Blick auf die Tummelplätze der Enten.

Diese dynamische Entwicklung der Freiraumnutzung wird in Bezug auf die Innenstadtentwicklung als das Phänomen der Mediterrani-sierung gesehen. Das Projekt „Stadt im Fluss" hatte auch ein schönes Angebot an Außengastronomie in Form einer italienischen Eisdiele zur Folge - an Stelle eines längst in die Jahre gekommenen, stillgelegten „Gerolsteiner


Quelltempels". Der Platz „Digoin", gewidmet der französischen Partnerstadt, bietet als besondere Attraktion köstlich frisches Mineralwasser, welches aus einem in massivem Fels gefassten Kranen sprudelt. Vormittags erlebt man auch die Freude von Kindergruppen der Kitas. Die Erholungsflächen bieten sich durch die zentrale Lage als beliebtes Ausflugsziel an. Eine Holzbrücke führt über die Kyll zu in den Fluss integrierten Liegeflächen und einem Bouleplatz. An lauen Sommerabenden kann man Boccia/Boule spielen, sich mit Freunden bei einem Gläschen mitgebrachten Wein unterhalten. Es entsteht ein Lebensgefühl, das an Urlaub in südlichen Gefilden erinnert und welches vor Jahren hier an dieser Stelle kaum aufgekommen wäre.

Nach Feierabend werden die Spielplätze und Bänke immer wieder zum Ort spontaner Partys. So stehen sich das Bedürfnis nach Ruhe einerseits und das Recht auf Feierlaune andererseits manchmal leider auch konträr gegenüber. Es ist nicht immer einfach, Fiesta und Siesta unter einen Hut zu bringen. Es ist toll, Zeit mit anderen Menschen wie im Urlaub, frei von Stress und Arbeit zu verbringen. Alle genießen das Essen und Trinken im Freien bei Sonnenschein. Die Kehrseite der Benutzung des öffentlichen Parks, der Grünflächen am Gewässerufer für

Grillpartys und anderes besteht leider in einer starken Vermüllung durch Einweg-, To-Go - und Glasverpackungen. Von diesen Hinterlassenschaften der sich asozial verhaltenden Randgruppen bekommen die einheimischen Gäste und Touristen aber Dank fleißiger Mitarbeiter der Stadt kaum etwas mit, denn morgens wird „vor dem ersten Hahnenschrei" täglich alles picobello gereinigt. Sprayereien und Sachbeschädigungen, zu denen es kam, werden zu Recht angeprangert. Sie verpassen den Feten der Jugendlichen einen mehr als üblen Nachgeschmack, insbesondere wenn Drogen im Spiel sind. So manches Übermaß an Alkohol endete in gefährlichen Glasscherben in der Kyll. So befindet sich die Polizei in den Sommermonaten Woche für Woche im Dilemma zwischen Laissez-Faire zur Deeskalation und hartem Eingreifen. Der Ruf nach Videoüberwachung wird immer lauter. Es wäre schade, wenn sich die von Bevölkerung und Touristen gleichermaßen geliebten Kyllauen zu einem Kriminalitätsschwerpunkt entwickelten, was eine solche Maßnahme erforderlich machen würde. Probleme sind Aufgaben. Die Gerolsteiner werden sie bewältigen, denn man freut sich schon auf den nächsten Bauabschnitt des Projektes „Stadt im Fluss" rund um den Bahnhof.