Bodenbacher Dorfplatz „Bauesch Eck"

Christine Kaula, Wipperfürth

Obwohl ich nie ständig in Bodenbach gewohnt habe, bin ich durch Familienbande diesem Ort sehr verbunden. In der Nachkriegszeit durfte ich die Sommerferien bei Onkel und Tante und meinem Bruder, der dort aufgewachsen ist, verbringen. Ach ja, einmal, als Neunjährige, habe ich auch einige Monate - vielleicht ein knappes Jahr - dort gelebt und sogar einige Monate die Dorfschule besucht. Und auch heute noch, wo ich im vorgerückten Alter bin, zieht es mich immer wieder zurück ins Dorf meiner mütterlichen Vorfahren.

Doch halt, zurzeit darf man ja nicht reisen, und diesen Satz möchte ich ausdrücklich mit in dieses Manuskript aufnehmen, weil es so eine ganz besondere Situation ist. Gerade jetzt darf man eigentlich gar nichts, außer zu Hause bleiben und sich gedulden, bis dieser elende Corona-Vi-rus, der die ganze Welt in seinen Klauen gepackt hält, sich endlich wieder verflüchtigt hat. Nein, Schluss jetzt, ich will jetzt nicht wirklich über dieses Thema schreiben, und darum höre ich jetzt auch davon auf.

Also, im Laufe meines Lebens habe ich - wie schon erwähnt - Bodenbach kennen- und lieben gelernt. Ich konnte beobachten, wie sich das Dorf im Laufe der Jahrzehnte veränderte. Aus einem Weiler mit klein- bis mittelbäuerlicher Landwirtschaft und morastigen, unbefestigten Straßen, ohne Strom und Wasserleitung, wo nachts die Haustüren offenbleiben konnten, weil's sowieso nichts zum Klauen gab, wuchs eine moderne Gemeinde heran mit sauberen, asphaltierten Straßen, Bürgersteigen und schön angelegten Plätzen mit Blumenbeeten und Sitzbänken.

Gegenüber vom „Lenze Haus" an der Ecke Kirch- und Schulstraße stand bis zum Jahre 1959 das alte „Bauesch Haus", das aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt und eine stattliche, herausragende Stock-Bauweise aufwies, insbesondere einen reich verzierten Giebel.

Dieses Haus, das unter Denkmalschutz stand, wurde dann dem Freilichtmuseum in Kommern übereignet und dort wieder aufgebaut. Die Einrichtung entspricht der aus der Zeit um 1850, im Küchenbereich befindet sich zum Beispiel eine uralte Feuerstelle. Seit 1962 kann das Haus im Freilichtmuseum besichtigt werden.

Bodenbacher Haus

Der ursprüngliche Standort im Dorf wird bis heute nach dem Hausnamen des Gebäudes „Bauesch Eck" genannt. Alte Fotos zeigen die Enge der Kehre, um die Gespanne nur mit Mühe herumfahren konnten. Durch den Abbruch des Hauses entstand ein weiträumiger Platz, der auch nicht mehr bebaut werden durfte. Zum fünfzigjährigen Jubiläum der Wiedererrichtung des Hauses in Kommern wurde die Bodenbacher Bevölkerung im Jahre 2012 zu einem Festakt ins Freilichtmuseum eingeladen.

Dort muss die Idee zu einer Neugestaltung des Platzes, an dem „Bauesch Haus" gestanden hat, entstanden sein. Und wie üblich, wird in Bodenbach nicht nur „geschwätzt", sondern auch „geschafft". Die Umsetzung des Plans erfolgte ohne viel Federlesens und schon ein Jahr später hatte der Platz sein heutiges Aussehen. Auf einem mit schönen Pflastersteinen ausgelegten Boden zeigt ein mächtiger Felsstein mit einer Schieferplatte Fotos vom ursprünglichen und wieder neu aufgebauten Haus mitsamt eines Textes über dessen Geschichte. Eine Bank und reicher Blumenschmuck laden zum Verweilen und Plaudern ein. Durch in den Boden eingelassene Metallplatten ist der ursprüngliche Standort des alten Hauses markiert.

Bauesch Eck

Dieser Platz sollte natürlich auch in einer entsprechenden Feierstunde eingeweiht werden. Der damalige Ortsbürgermeister Günter Rätz, mein Cousin, kam auf die Idee, im Rahmen dieser Feier auch eine Szene mit dem Titel „Besuch aus alter Zeit" zu inszenieren. Dazu muss man wissen, dass die Familien aus dem „Bauesch Haus" und dem „Lenze Haus", die ja gegenüber lagen, gemeinsame Vorfahren haben. Der Bodenbacher Schafhirte Lorenz Heintz, von dem der Hausnamen „Lenze" abstammt, rettete 1795 die Bodenbacher Schafherde vor den französischen Truppen und war Urururgroßvater der Rätz-Sippe beider Häuser. Um diese Darbietung in die Tat umzusetzen, setzten wir uns zusammen. Heraus kam ein Dialog zwischen Lorenz und Margarethe Heintz, der Urururgroßmutter, die, „wieder auferstanden", den Zuschauern die Genealogie der Familien und das Leben in der damaligen Zeit erklären sollten. Den auf Hochdeutsch verfassten Text musste Günter Rätz aber

zunächst in den Bodenbacher Dialekt übersetzen. Als Kind hatte ich das Bodenbacher Platt perfekt beherrscht, aber im Laufe des Lebens war mir die Sprache fremd geworden. Also musste ich sie neu erlernen. Schon die Proben waren sehr amüsant, aber nach einigen Versuchen klappte es so einigermaßen mit der Aussprache - dachte ich jedenfalls.

Lenz und Gret

Ehrengast der Veranstaltung, zu der viele Bewohner des Dorfes und auch einige auswärtige Gäste erschienen waren, war der Leiter des Freilichtmuseums Kommern, Dr. Mangold, der als schönes Präsent ein großes, eingerahmtes Foto des alten Hauses mitbrachte. Das Fest selbst war wirklich gelungen. Verschiedene feierliche Ansprachen, Darbietungen des Männergesangvereins Bodenbach, des Musikvereins und eben des Auftritts von Günter Rätz und mir wurden mit viel Beifall belohnt. Aber eine der weiblichen Gäste konnte es sich nicht verkneifen, mir nach der Darbietung ins Ohr zu flüstern: „Dau bes ävver net us Boddemich. Dat hüüren ech". Da wusste ich es wieder einmal -in Bodenbach muss man geboren sein. Das ist das Geheimnis.

Wir haben an dem Tag noch lange und ausgiebig gefeiert. Und das Bodenbacher Platt werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr perfekt sprechen lernen. Aber das macht nichts.

(Die Fotos wurden vom ehemaligen Ortsbürgermeister Günter Rätz zur Verfügung gestellt.)