Gillenfelder Plätze

Günter Schenk, Gillenfeld

Bei Plätzen, die den Mittelpunkt der Gemeinde bestimmen, auf denen das Leben pulsiert, auf denen Märkte und Veranstaltungen stattfinden, die von einem Marktkreuz, einem Brunnen oder stattlichen Bäumen bestimmt werden, denkt man an die historisch gewachsenen Plätze in Städten und größeren Orten, die über Jahrhunderte ihrem Zweck dienen. Beschäftige ich mich unter dieser Prämisse mit dem Schwerpunktthema des Heimatjahrbuches 2021, so komme ich als Gillenfelder in einer Spontanbetrachtung zu dem Ergebnis, dass wir so etwas nicht hatten und auch nicht haben. Vertiefte Überlegungen zeigen dann doch, dass es in Gillenfeld einiges Erwähnenswerte und Interessante zu dem Thema gab und gibt. Und das ging recht früh los, denn 1016 verlieh Kaiser Heinrich II dem Florinstift zu Koblenz das Markt- Münz- und Zollrecht für Gillenfeld. Mit der Ausübung des Marktrechtes entwickelte sich Gillenfeld zu einem, für die damaligen Verhältnisse bedeutenden Marktflecken

Blick vom „Berger Heiligenhäuschen" über den früheren Marktplatz

© Archiv Gemeinde Gillenfeld

und hatte folge dem auch einen Marktplatz. Wo der mittelalterliche Markt stattfand, ist nicht überliefert. Die an der Gillenfelder Chronik arbeitenden Historiker vermuten ihn an der „Kreuzstraße", also mitten im heutigen Ort. Mit der wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung Gillenfelds wurde die Fläche im Ort knapper, das Marktgeschehen größer und so verlegte man den Markt an den Ortsrand. Noch zu unseren Kindertagen, bis in die 1960er Jahre, hieß der Platz ausgangs der Pulvermaarstraße „de Moartplaatz" (der Marktplatz). Zeitzeugen wissen, dass bis 1933 dort regelmäßig Kram- und Viehmärkte stattfanden und diese stets eine kleine Attraktion waren. Mit dem Nationalsozialismus änderte sich vieles und nicht nur das Marktgeschehen in Gillenfeld fand ein Ende, sondern auch der Marktplatz selbst. 1938 hatten die in Gillenfeld agierenden Nationalsozialisten das leicht geneigte Plateau des Marktplatzes mit dem Berger-Heiligenhäuschen an der höchsten Stelle, für den Bau eines Hitler-Jugend-Heimes (HJ-Heim) auserwählt. Das Heiligenhäuschen musste weichen, wurde allerdings rd. 80 m entfernt neu errichtet.1 Mit dem Bau des HJ-Heimes wurde der Platz terrassiert und hatte damit ein völlig anderes Erscheinungsbild. Auf der verbleibenden Platzfläche, auf der heute die Apotheke steht, fand bis Mitte der 1940er Jahre die alljährliche Körung der Vatertiere (Bulle, Eber, Ziegenbock) aus Gillenfeld und den umliegenden Orten statt, wobei der Auftrieb genutzt wurde, mit Jungvieh und Ferkeln zu handeln.

Nach dem 2. Weltkrieg ergriff der Gemeinderat 1949 die Initiative, wieder Viehmärkte in Gillenfeld abzuhalten und zwar auf dem damals gemeindeeigenen Platz am Alfbach, heute Tankstelle Stolz und Motorradclub. Nach zwei nicht erfolgreichen Versuchen wurde die Gillenfelder Viehmarktakte für immer geschlossen.

Seit 1998 hat Gillenfeld wieder einen Markt-

platz! „Am Markt", so die offizielle Bezeichnung des Innenhofes des Komplexes Landhotel Gillenfelder Hof / SB-Markt / Gemeindebüro. Der jährliche Adventsmarkt, Frühlingsmärkte, aber auch Konzerte und die Außenbewirtung des Hotels verleihen dem sehr schönen Platz Leben und Atmosphäre. Themenorientiert mittelalterlich war diese besonders ausgeprägt bei der großen „Tafelei" anlässlich der 1000-Jahr-Feier am 09. September 2016, die den Markt bis auf den letzten Platz füllte.

Adventsmarkt auf dem neuen Gillenfelder Markplatz © Günter Schenk

Soweit die Gillenfelder Marktplätze. Aber wo fand außerhalb des Marktgeschehens Leben und Kommunikation statt? Einen zentralen Platz hierfür gab es nicht. Nach dem Sonntäglichen Hochamt diente der Platz vor der Kirche dem Austausch von Neuigkeiten und der Bürgermeister hielt hier auch „Jemen" (Gemeinde). Dabei verlas er Bekanntmachungen und informierte über wichtige gemeindliche Dinge, so z.B. wann der Stier, der Eber oder der Küster geliefert2 bekamen.

Ansonsten waren die Kommunikationspunkte über das Dorf verteilt. Dort saßen bei gutem Wetter des Sonntags oder an Sommerabenden auf Bänken oder Mauern vorwiegend die Herren gesetzten Alters um beim Rauchen ih-

rer Pfeifen einen Plausch zu halten, aber auch um manch einem Vorbeikommenden einen Bären aufzubinden.

Auch die Milchböcke waren Treff- und Kommunikationspunkte.

1975 entschloss sich die Gemeinde einen zentralen Platz für Kommunikations-, Aufenthalts- und Erholungszwecke mitten im Ort zu schaffen, sowohl für die Gillenfelder als auch für deren Feriengäste. So entstand nach dem Erwerb einer früheren landwirtschaftlichen Hofstelle in der Holzmaarstraße der „Brunnenplatz"; eine Grünanlage mit Fontänenbrunnen, Bänken und Parkplätzen. Dort fanden Konzerte und Festveranstaltungen, so das jährliche Brunnenfest des DRK-Ortsvereins von 19791993 statt. Außerhalb der Veranstaltungen nahmen die Einheimischen den Platz weniger an, Feriengäste verweilten gerne dort. 1999 veräußerte die Gemeinde den Platz zur Ansiedlung eines Gewerbebetriebes. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gastronomie ein wesentlicher Ort der Kommunikation und der Geselligkeit ist und eine gute Gastronomie hatte Gillenfeld schon zu allen Zeiten. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es stolze Betriebe mit großen Sälen für Festveranstaltungen aller Art, in denen auch zur Kirmes das Tanzbein geschwungen wurde. Nun macht Tanzen alleine noch keine Kirmes aus - und so stellt sich die Frage nach dem Kirmesplatz? Zur Gillenfelder Kirmes kamen schon immer Schausteller, die bis in die 1960er Jahre in der Holzmaarstraße, auf den breiten Bürgersteigen oder in angrenzenden Höfen ihre Geschäfte betrieben. Mit zunehmendem Straßenverkehr und größeren Fahrgeschäften verlagerte sich das Kirmestreiben in die Straße „Im Wiesental", die damals noch unbebaut war.

Seit 1976 hat die Kirmes in Gillenfeld ihren eigenen festen Platz und zwar am Alfbach auf dem Gelände eines früheren Sägewerkes. Durch die Größe des Areals erlebte die Gillenfelder Kirmes mit zusätzlichen Fahrgeschäften und einem großem Festzelt einen gewaltigen Aufschwung. 1984 erwarb die Gemeinde das Gelände auf dem die Feuerwehr, der Busbahnhof, eine Minigolfanlage und seit letztem Jahr der Florinshof3 angesiedelt wurden. Als Kir-

mes- und Festplatz bleibt immer noch genügend Raum, wobei die Kirmes in der heutigen Zeit leider an Stellenwert verliert. So hatten wir in Gillenfeld doch über Jahrhunderte hinweg Plätze und Orte, die unser Leben in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Funktion bestimmten. Ihre Standorte wechselten, so dass wir keinen historisch gewachsenen Platz unser Eigen nennen können. Mit dem Marktplatz im Hotelbereich und dem Kirmes-

und Festplatz am Alfbach hoffen wir, dass sie sich dort für die Zukunft bestätigen und wir und die kommenden Generationen auf den Plätzen noch viele schöne Gemeinsamkeiten erleben.

1) siehe Chronik Gillenfeld 1016 - 2016, Seite 522 ff.
2) Zahlung des Entgelts für die Nutzung der Dienstleistung, erfolgte früher meist in Form von Getreide
3) Barrierefreie Wohnanlage für ein selbst bestimmtes Leben im Alter und besonderen Lebenslagen